Ein Weltmeister für die Ewigkeit
Kombination. Alexis Pinturault ist der derzeit kompletteste Rennläufer der Welt, doch mit seinem einsamen Allrounder-Dasein hat sich der Franzose oft verzettelt. Nun ist ihm die Balance gelungen.
Wann wird er nun gekürt, der letzte Kombinationsweltmeister der Skigeschichte? Es ist eine ständige Zitterpartie mit diesem dahinsiechenden Bewerb. Fest steht, in Cortina wird ein solcher ausgetragen, nicht wie geplant heute, sondern nach diversen Wetterkapriolen erst am Montag. Und fest steht auch, dass Alexis Pinturault ein mehr als würdiger letzter KombiWeltmeister wäre.
Der Hotelierssohn aus Courchevel versteht sich als Allrounder, er ist der Letzte im Herrenweltcup, der sowohl im Super-G als auch im Slalom derartige Erfolge einfährt. Zuletzt gelang ihm das Kunststück, im Kitzbühel-Super-G auf Platz zwölf und tags darauf im Schladming-Slalom auf Platz drei abzuschwingen. Da mag er noch so auf die geänderte Startreihenfolge verweisen – der Super-G-Führende darf den Slalom eröffnen –, alles andere als die Titelverteidigung in Cortina wäre eine Überraschung.
Doch mit seinem einsamen Allrounder-Dasein hat sich Pinturault auch schon verzettelt. Meist litt eine Disziplin unter dem Erfolgslauf in einer anderen, im Slalom hatte er einmal eine fünfjährige Podest-Durststrecke. Nun hat der 29-Jährige aber endgültig die Balance gefunden.
Seit Red Bull den Franzosen 2013 unter seine Fittiche genommen hat, wurde ein Privatteam rund um Pinturault aufgebaut, inzwischen hat er sich von der französischen Mannschaft gelöst. Eine solche Individualbetreuung mag vielen sauer aufstoßen, doch bei Pinturaults Rennkalender ist sie nachvollziehbar. Den Großteil der Kosten trägt er außerdem selbst. Mit von der Partie sind Trainer Fabien Munier, dessen Assistent Nicolas Thoule, Physio Martin Hager, Ehefrau Romane, zuständig für PRAgenden, dazu Vater und Manager
Claude. Sein Vorarlberger Servicemann Guntram Mathis ist ein Veteran, der auch schon für Bode Miller die Kanten geschliffen hat (in Adelboden hat Pinturault unlängst Millers Marke von 33 Weltcupsiegen erreicht).
Es heißt, Mathis habe großen Anteil daran, dass Pinturault heuer wieder auf dem Slalom-Podest steht, und auch an seiner Überform im Riesentorlauf, in dem er aktuell unantastbar wirkt. Entgegen mancher Behauptungen ist der Edeltechniker nämlich sehr wohl ein Materialtüftler. „Bis wir da hingekommen sind, war das schon ein Aufwand“, berichtet Head-Rennsportchef Rainer Salzgeber und betont, dass bei seinem Aushängeschild ein geringerer Aufwand betrieben werde als in den Privatteams von Kristoffersen und einst Hirscher. Pikantes Detail: Pinturault verbringt die Winter in Sichtweite der Atomic-Zentrale in seiner Wohnung in Altenmarkt.
Eines hat der Franzose mit der norwegischen Mutter im Lauf seiner Karriere gelernt. „Sport ist nicht einfach nur Sport, es ist eine Denkweise“, sagt Pinturault. „Um deine Ziele zu erreichen, braucht es jeden Tag Mühe und Opfer. Sonst fährt jemand anderer schneller, bevor du es realisierst.“
Luc Alphands Erbe
Nach Cortina will Pinturault die große Kristallkugel nach Hause fahren, nach Hirschers Rücktritt („Obwohl er mir so viele Siege weggeschnappt hat, habe ich viel von ihm gelernt“) hat ihm noch Aleksander Aamodt Kilde einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kilde fehlt nun verletzt und Pinturault hat praktisch freie Bahn, um nach 24 Jahren Luc Alphand als bisher letzten französischen Gesamtweltcupsieger abzulösen.
In Sachen Kombination kann er bei Olympia 2022 in Peking noch einmal zuschlagen, auch im Programm für die WM 2023 in Courchevel-Meribel´ scheint sein Steckenpferd noch auf. In der Heimat könnte sich Pinturault dann zum vielleicht wirklich letzten Kombi-Weltmeister küren.