Im Taxi mit Woyzeck, Nora und Lady Macbeth
Videoinstallation. Die Museen dürfen aufsperren, die Theater nicht: Die Gruppe Toxic Dreams lässt die großen Helden der Theatergeschichte also in kleinen Guckkästen im Theatermuseum von Freiheit träumen.
Was machen findige Bühnenzauberer, wenn Theater nicht aufsperren dürfen, Museen aber schon? Sie verwandeln das Theater kurzerhand in ein Ausstellungsobjekt. So lädt die Staatsoper immer freitags bis sonntags zum Rundgang durch das Haus, wo in spielfreien Zeiten immerhin Deckenfreskos u. a. zu bestaunen sind. Und die stets einfallsreiche und formell experimentierwütige Theatergruppe Toxic Dreams präsentiert Exponate, in denen förmlich eine Kunstform in die andere gepackt ist: Filme über Theater, gesteckt in Miniaturbühnen und ausgestellt zwischen Gemälden von Rubens und Hieronymus Bosch im Wiener Theatermuseum.
Dort passen die kleinen Guckkästen, die aussehen wie Bühnenbild-Modelle, bestens hin. Und das, was in ihnen gezeigt wird, auch: „After the End And Before the Beginning“heißt die Videoinstallation, die (auf Englisch) imaginiert, was in den großen Helden der Theatergeschichte vor oder nach ihrer niedergeschriebenen Geschichte vorgegangen sein könnte. Der Museumsbesucher (der bei dieser Gelegenheit auch die Meisterwerke aus der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste bewundern kann, die zwischenzeitlich ins Theatermuseum übersiedelt wurden) tingelt von Guckkasten zu Guckkasten, stöpselt seine Kopfhörer an und kann auf Knopfdruck zwischen verschiedenen Charakteren wählen.
Vom Puppenheim in die Politik
Diese sind in ihren kurzen Filmchen allesamt auf dem Rücksitz eines Taxis zu erleben, gelenkt von Toxic-Dreams-Mastermind Yosi Wanunu. Sie sind gesprächige Fahrgäste, und am liebsten reden sie über sich. „Leb wohl“, hat Nora bei Ibsen zu ihrem Mann gesagt, 15 Jahre später haut sie (Anna Mendelssohn) Makronen mampfend die Autotür zu. Sie ist unterwegs zum ORF-Zentrum, um sich als Kandidatin für ein politisches Amt zu profilieren: Als privilegiert Aufgewachsene, die die Bequemlichkeit des Oberschichtslebens hinter sich gelassen hat, will sie sich die Stimmen der Abgehängten angeln, die sich von den Eliten ausgenutzt fühlen. Ihre Kinder vermisst sie immer noch.
Vor Hunger fast im Delirium ist Woyzeck (Florian Tröbinger). Vom Friedhof, wo er seine geliebte Marie begraben hat, will er in ein Restaurant fahren und alles bestellen außer Erbsen, nachdem er als wehrloses Versuchsobjekt des Doktors drei Monate lang nichts anderes gegessen hat. „Traue niemandem!“, rät er dem Fahrer.
Die „alte Dame“Claire Zachanassian ist unterwegs nach Capri, das Opfer ihrer Rache, Alfred Ill, liegt im Reisesarg. Sie will ihm ein „prächtiges Begräbnis“richten, aber lieber hätte sie ihren alten Geliebten lebend: Von Reue erzählen einige Geschichten, von alten Gewohnheiten andere: Lady Macbeth ist hier schon vor ihrem Auftritt bei Shakespeare eine begeisterte Killerin, die sich für jeden Mord neue Seidenhandschuhe kauft.
Theatermuseum. Täglich außer dienstags, 10–18 Uhr.