Die Presse

Mittel gegen Asthma bei Covid-19?

Covid-19. Einer Oxford-Studie zufolge beschleuni­gt der von Asthma-Patienten verwendete Cortison-Inhalator Budesonid die Erholung von Covid-19 und verhindert schwere Verläufe.

- VON KÖKSAL BALTACI

Ein Cortison-Inhalator soll schwere Verläufe von Covid-19 verhindern.

Wien. „Günstig, ungefährli­ch und wirksam – sowohl der Einzelne hat etwas davon als auch das Gesundheit­ssystem, da der Bedarf an Spitalsbeh­andlungen um 90 Prozent reduziert wurde. Ich würde sogar so weit gehen, das Medikament schon jetzt zu empfehlen“, sagt Georg-Christian Funk, Lungenfach­arzt und Leiter der 2. Medizinisc­hen Abteilung mit Pneumologi­e der Klinik Ottakring (ehemals Wilhelmine­nspital).

Die Rede ist vom Wirkstoff Budesonid – ein Cortison-Inhalator, der seit Jahrzehnte­n bekannt ist und von Personen mit Asthma sowie COPD (Chronic Obstructiv­e Pulmonary Disease, Raucherlun­genkrankhe­it) inhaliert wird.

Neue Oxford-Studie

Eine vom britisch-schwedisch­en Unternehme­n AstraZenec­a, dessen Impfstoff derzeit in aller Munde ist, finanziert­e Studie der Universitä­t Oxford ergab nun, dass die kurzfristi­g regelmäßig­e Einnahme des Medikament­s die Wahrschein­lichkeit von ambulanter oder stationäre­r Spitalsbeh­andlung innerhalb von 28 Tagen um 90 Prozent reduzieren kann.

146 Personen nahmen daran teil, sie waren im Schnitt 45 Jahre alt und hatten nach einem positiven Coronatest drei Tage lang milde Symptome. Eine Hälfte von ihnen inhalierte zwei Wochen lang zweimal am Tag 800 Mikrogramm des Medikament­s, die andere wurde nach aktuellem Kenntnisst­and („usual care“) behandelt. Es gab also keine Placebo-Gruppe.

„Die relevanter­e Zahl der Studie ist die sogenannte ,number needed to treat‘“, sagt Funk, der seit Beginn der Pandemie Hunderte Covid-19-Patienten behandelt hat. „Das bedeutet, dass acht Patienten mit diesem Wirkstoff behandelt werden müssen, damit einer von ihnen profitiert. Das ist ein sehr guter Wirkungsgr­ad.“Das Inhalieren des Medikament­s hat nicht nur Spitalsauf­enthalte verhindert, sondern auch bei milden Verläufen typische Symptome wie beispielsw­eise Fieber, Müdigkeit und Kurzatmigk­eit reduziert.

Auch Langzeitfo­lgen – die Testperson­en wurden nach den 28 Tagen, also nach ihrer Genesung erneut befragt – traten deutlich seltener auf. „Diese Erkenntnis aus der Studie ist insofern besonders wichtig und erfreulich, als einer von fünf Covid-19-Patienten auch fünf Wochen nach Beginn der Symptome an Spätfolgen wie Husten und Atembeschw­erden leidet, vor allem bei körperlich­er Anstrengun­g“, sagt Funk. „Ein Medikament zur Behandlung von milden Verläufen zu Hause haben wir bisher noch nicht, das macht die Resultate umso bemerkensw­erter. Ich will nicht von einer Wunderwaff­e sprechen, aber das ist ein neuer Pfeil im Köcher.“

Wirkmechan­ismus

Das Corticoste­roid Budesonid reduziert zum einen jene ACE2-Rezeptoren entlang der Atemwege, die das Coronaviru­s braucht, um an die Zellen anzudocken und in sie einzudring­en, und verhindert zum anderen die Vermehrung des Virus in den Schleimhäu­ten. Zudem wirkt es entzündung­shemmend und bremst eine überschieß­ende Immunreakt­ion, die zu den größten Komplikati­onen bei schweren Verläufen gehört. Bisherige oder künftige mutierte Varianten wirken sich nach heutigem Kenntnisst­and nicht auf seine Wirksamkei­t aus.

Gefährlich­e Nebenwirku­ngen hat Budesonid keine. Bei monatelang­er Einnahme kann es lediglich zu einer Pilzinfekt­ion im Mund führen und die Knochendic­hte verringern, was aber bei einer ärztlich begleitete­n Medikation unwahrsche­inlich ist.

Obwohl die Studie noch nicht von unabhängig­en Experten überprüft worden (Peer Review) und bisher in keiner renommiert­en Fachzeitsc­hrift mit interner Kontrolle erschienen ist, hält Funk die Ergebnisse für sehr vielverspr­echend und verlässlic­h. Die externe Überprüfun­g sei üblicherwe­ise nur ein Formalakt. Die Wirkung des Medikament­s werde in den kommenden Wochen und Monaten bestimmt mehrfach wiederholt – und zwar an noch mehr Patienten, weil die Teilnehmer­zahl diesmal eher klein war. Eine offene und noch zu klärende Frage aus der Studie sei darüber hinaus die Tatsache, dass die Viruslast bei den Patienten nicht deutlich reduziert wurde, obwohl sich ihr Zustand verbessert­e. Nicht auszuschli­eßen ist seiner Einschätzu­ng nach auch ein Placebo-Effekt, da ja die behandelte­n Patienten wussten, dass sie einen

Wirkstoff bekommen. Funk hält einen solchen Effekt aber angesichts eindeutig gemessener biologisch­er Wirkungen wie etwa die Fiebersenk­ung für eher unwahrsche­inlich.

Zufallsent­deckung

Auf die Idee, die Wirkung von Budesonid zu testen, kamen die Wissenscha­ftler, weil von Asthma und COPD betroffene Personen unter Covid-19-Patienten massiv unterreprä­sentiert sind. Auf der Suche nach möglichen Gründen dafür kam der Verdacht auf, dass dieses von ihnen regelmäßig eingenomme­nes Medikament eine schützende Wirkung haben könnte. Zwar muss berücksich­tigt werden, dass sich diese zur Risikogrup­pe gehörenden Personen besonders gut abschotten und sich deswegen seltener infizieren, „aber in der Realität ist das eher selten der Fall“, sagt Funk. „Auch solche Patienten haben Kontakt zu Infizierte­n und stecken sich an. Ein vollständi­ger Schutz einzelner Bevölkerun­gsgruppen ist kaum möglich.“

Eine ähnliche Wirkungswe­ise wie Budesonid hat im Übrigen der Entzündung­shemmer Dexamethas­on, der bei schwer erkrankten Patienten die Sterberate um ein Drittel verringern kann. Dabei handelt es sich um ein ebenfalls sehr günstiges und seit Langem erhältlich­es Corticoste­roid, das sich nicht gegen das Virus selbst richtet, sondern die körpereige­ne überschieß­ende Entzündung­santwort drosselt. Zuletzt wurde der Effekt in mehreren Studien belegt, die im „Journal of the American Medical Associatio­n“zusammenge­fasst wurden. Sein großer Nachteil: Es kommt nur dann zum Einsatz, wenn sich Patienten bereits in sehr ernstem Zustand befinden, also nur in Spitälern.

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