Warten auf den Aufschwung
Aufgrund der Coronavirus-Mutanten und verlängerten Lockdowns senkt die EU-Kommission ihre Prognose für 2021. Besonders stark fällt die Reduktion für Österreich aus, das heuer das zweitniedrigste Wachstum haben soll.
Die EU-Kommission senkt die Prognose für die Konjunktur – besonders stark für Österreich.
Wien. „Die Situation bleibt herausfordernd.“Mit diesem gern verwendeten Euphemismus für besonders schlechte Zeiten fasste EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Donnerstag die Winterprognose der Kommission zusammen. Gab es bei der jüngsten Prognose im Herbst in vielen Ländern geringe Infektionszahlen und einen Aufholeffekt nach dem ersten Lockdown im Frühjahr, hat sich die Situation drastisch gewandelt. Viele Länder haben aufgrund der zweiten Infektionswelle wieder Lockdowns eingeführt. „Diese sind zwar notwendig, sie beeinflussen aber die wirtschaftliche Entwicklung“, so Gentiloni.
Die Prognose
Konkret bedeutet das, dass die EUKommission ihre Erwartungen für das diesjährige Wachstum zurückschraubt. Ging sie im Herbst noch von einem Plus von 4,1 Prozent für die gesamte Union aus, sind es nun nur noch 3,7 Prozent. In beinahe jedem EU-Land wurde die Prognose um einige Zehntelprozentpunkte zurückgeschraubt – mit einer Ausnahme: Österreich. Für Österreich kam es seit Herbst sogar zu einer Halbierung des für 2021 erwarteten Wirtschaftwachstums, von 4,1 Prozent im Herbst auf 2,0 Prozent in der aktuellen Prognose (siehe Grafik).
Die Republik würde damit nach den Niederlanden heuer nur das zweitschwächste Wachstum innerhalb der EU aufweisen. Und während bei Ländern wie Spanien oder Italien, die 2020 besonders stark unter der Krise litten, der Aufholprozess schon aus mathematischen Gründen etwas stärker ausfällt, zeigt der Vergleich mit Deutschland, dass die Krise hierzulande deutlich tiefer geht. Denn Österreichs wichtigster Handelspartner hatte 2020 mit minus fünf Prozent nicht nur eine viel schwächere Rezession, sondern wird heuer mit 3,5 Prozent auch wieder wesentlich stärker wachsen.
Als Hauptgrund für diese stärkere Verwundbarkeit Österreichs wird von Ökonomen die stärkere Bedeutung des Tourismus genannt. Und auch hierzu liefert die EU-Prognose eindrucksvolle Zahlen. Zwar sind die Nächtigungen im Vorjahr in Österreich mit einem Minus von 39 Prozent viel geringer zurückgegangen als etwa in Spanien (minus 69 Prozent) oder Griechenland (minus 73 Prozent). Ein Vergleich der absoluten Zahlen zeigt jedoch, welche Bedeutung der Fremdenverkehr in Österreich hat. So lag die Zahl der Nächtigungen mit 79 Mio. bei mehr als der Hälfte von Spanien (145 Mio.) und fast 40 Prozent von Italien (200 Mio.). Beides stark touristische und wesentlich größere Länder.
2021 ist jedoch – anders als 2020 – auch die wichtige Wintersaison von den Schließungen betroffen. Laut Zahlungsverkehrsdaten der Nationalbank fallen die mit Abstand stärksten fünf Urlaubswochen des Jahres in den Dezember und Februar. Österreich rutscht laut EU-Prognose daher mit einem Minus von 1,4 Prozent im ersten Quartal auch tief in eine Rezession, die nur in Irland und Portugal noch stärker ausfällt.
Die Auswirkungen
Die Arbeitslosigkeit hat durch die Krise naturgemäß in allen EU-Ländern zugenommen. Im Vergleich mit früheren Rezessionen sei die Zunahme europaweit jedoch geringer ausgefallen, so Gentiloni. Das ist jedoch nicht automatisch eine gute Nachricht. Denn Grund dafür sind laut der Prognose einerseits die staatlichen Maßnahmen wie Kurzarbeit. Andererseits aber auch eine Verhaltensveränderung bei vielen Menschen: Sie würden gar keine Arbeit mehr suchen, sondern sich beispielsweise auf die
Kinderbetreuung zurückziehen. Dies könnte vor allem die Einkommenssituation bei Frauen nachhaltig verschlechtern.
Auch die Inflation ist 2020 mit 0,4 Prozent in der EU sehr niedrig ausgefallen und lag in mehreren Ländern zu Jahresende sogar im negativen Bereich. Auch hier ist Österreich – bereits traditionell – ein Ausreißer nach oben und verzeichnete 1,4 Prozent. Die Geldund Fiskalpolitik müsse jedoch locker bleiben, so Gentiloni an die EU-Finanzminister und EZB-Chef Christine Lagarde gerichtet.
Die Risken
Im zweiten Halbjahr soll das Wachstum wieder stärker werden. Voraussetzung dafür ist die geplante Durchimpfungsrate von 70 Prozent. Und hier liege auch das größte Risiko, so Gentiloni. Gäbe es erneut Probleme bei der Impfstoffversorgung oder sorgten Mutanten für eine geringere Wirksamkeit, könnte sich die Erholung erneut verzögern. Im Gegenzug könnte es aber auch schneller laufen, so Gentiloni hoffnungsfroh. Und auch der 750 Mrd. Euro schwere EU-Coronafonds könnte sich positiv bemerkbar machen. Die daraus angestoßenen Investitionen sollen zusätzliches Wachstum von zwei Prozent pro Jahr bringen.