Wie man Tirol noch verlassen darf
Regeln. Wer nur auf der Durchreise ist, braucht keinen Test. Die Verordnung hat aber auch noch Lücken. Die Polizei will engmaschig kontrollieren, mit Staus ist zu rechnen.
VON PHILIPP AICHINGER UND MARTIN FRITZL
Wien. Mit dem heutigen Freitag gelten die neuen Regeln für Tirol. Nur wer einen negativen Covidtest vorweisen kann, darf das Bundesland verlassen. Aber wie wird das kontrolliert, welche Schlupflöcher bleiben, und wie steht es um die weiteren für Tirol angedachten Regeln?
1 Wer muss einen Test vorweisen und welche Ausnahmen existieren?
Die Verordnung von Gesundheitsminister Rudolf Anschober betrifft Personen, die sich in einem Tiroler Gebiet (Ausnahme Osttirol) befinden und von dort aus nach Restösterreich kommen wollen. Wer aus der umgekehrten Richtung (also nach Tirol kommend) fährt, muss keinen Test vorweisen.
Der Test für die Ausreise darf zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung nicht älter als 48 Stunden sein. Von der Testpflicht befreit sind Kinder unter zehn Jahren, aber auch Transitpassagiere. Also Leute, die zum Beispiel von Salzburg aus nach Vorarlberg fahren wollen. Sie müssen dies bei Kontrollen glaubhaft machen. Dies kann zum Beispiel durch Zugtickets geschehen oder auch im Straßenverkehr durch die Arlberg-Tunnel-Maut, Auftragsbestätigungen oder Frachtpapiere. Wer von Italien nach Deutschland fährt oder umgekehrt, bekommt zum Nachweis eine Einreisebestätigung. Durchreisende dürfen auf Tiroler Gebiet nur für „unerlässliche Unterbrechungen“anhalten. Das sind bei Zugfahrten etwa Stopps an Bahnhöfen. Pkw-Fahrer dürfen laut der Regierung auch anhalten, um aufs WC zu gehen. Und wenn man hungrig wird? Es werde auch erlaubt sein, sich eine Verpflegung zu holen, analysiert Verwaltungsrechtsprofessor Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck. Und ein Lkw-Fahrer dürfe seine Ruhepause in Tirol verbringen.
2 Welche Schlupflöcher bzw. Sinnwidrigkeiten hat die Regelung?
Auch wer erst im Tiroler St. Anton einsteigt, könnte sein Zugticket mit dem Abfahrtsort Bludenz kaufen und dann bei einer Kontrolle in Salzburg behaupten, er komme ja aus Vorarlberg. Überdies steht nirgends in der Verordnung, dass man den Test in Tirol gemacht haben muss. So könnte man sich als Salzburger noch zu Hause testen lassen, dann 47 Stunden in Tirol verbringen und danach mit dem Salzburger Test wieder Tirol verlassen. Das sei legal, erklärt Jurist Bußjäger. Auch wenn es die Idee, die Ausbreitung des in Tirol verbreiteten Virus zu unterbinden, ad absurdum führt.
3 Welche rechtlichen Probleme stellen sich bei der Verordnung sonst noch?
Sie stützt sich auf eine Regelung im Epidemiegesetz, die „Verkehrsbeschränkungen für die Bewohner bestimmter Ortschaften“vorschreibt. Kann man den Begriff „bestimmte Ortschaften“so weit ziehen, dass man gleich für den Großteil eines Bundeslands Verkehrsbeschränkungen vorschreibt? „Mit kreativer Auslegung“des Gesetzes, so meint Bußjäger, könne das gelingen. Aber man wisse natürlich noch nicht, wie der VfGH das im Falle einer Anfechtung sieht.
4 Wer wird kontrollieren? Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer Kontrolle?
600 Polizisten und 600 Soldaten sind im Einsatz, mit dem Ziel, eine lückenlose Kontrolle aller Ausreisenden durchzuführen. Hotspot wird wohl der Autobahn-Grenzübergang Kufstein sein, wo mit gröberen Staus zu rechnen ist: Dort muss nämlich auf den zwei Fahrspuren kontrolliert werden, Parkplatz steht keiner zur Verfügung. Eine Fahrspur ist dabei für den Lkw-Transitverkehr reserviert, der von den Bestimmungen ausgenommen ist, die zweite Spur für zu kontrollierende Pkw und Lkw, die aus Tirol kommen. Kontrolliert werden aber auch kleinere Grenzübergänge oder die Landesstraßen nach Salzburg und Vorarlberg sowie die Züge. Die ÖBB selbst wird die Tests nicht kontrollieren. Da sich die Verordnung auf das Epidemiegesetz (und nicht wie bei Friseuren auf das Covid-19-Maßnahmengesetz) stützt, wäre es laut Bußjäger auch kaum möglich, Schaffner zu Kontrollen der Tests zu verpflichten. Im Covid-Gesetz ist hingegen vorgesehen, dass auch Betriebsinhaber verpflichtet sein können, Tests zu kontrollieren.
5 Bekommt Tirol zusätzlichen Impfstoff, der gegen die Mutation wirkt?
Die Wirkung des AstraZeneca-Impfstoffs gegen die Südafrika-Variante ist unsicher, aus Tirol gibt es Forderungen, das Bundesland deshalb verstärkt mit anderem Impfstoff zu beliefern. Dieser Wunsch dürfte sich allerdings nicht erfüllen. Für Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist das „überhaupt kein Thema“. Und andere Bundesländer wehren sich vehement dagegen, bei einer Umschichtung Richtung Tirol mitzuspielen.