Saudis öffnen Gefängnistore auf Druck von Biden
Menschenrechte. Die Freilassung der Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul soll bei der Regierung in Washington Stimmung machen. Für Kronprinz Mohammed bin Salman ist die schützende Hand in den USA weggefallen.
Istanbul/Riad. Loujain al-Hathloul geht Saudiarabien schon seit Langem auf die Nerven. 2014 setzte sich die damals 24-Jährige ins Auto und versuchte, von den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Grenze in ihr Heimatland zu fahren – und wurde prompt festgenommen, weil Frauen in Saudiarabien damals noch nicht Auto fahren durften. Vor drei Jahren kam sie wieder ins Gefängnis, diesmal wegen des Vorwurfs staatsfeindlicher Aktivitäten. In der Haft wurde sie nach eigenen Angaben geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert und sexuell missbraucht.
Jetzt wurde Hathloul überraschend freigelassen – offenbar ein Versuch der saudischen Führung, die neue US-Regierung zu beeindrucken. Menschenrechtler begrüßen die Haftentlassung, befürchten aber, dass Hathloul und andere Kritiker des Regimes leicht wieder festgenommen werden könnten. Hathloul darf das Land nicht verlassen, zudem ist ihre Strafe nur auf Bewährung aufgehoben.
„Kein Blankoscheck“
Frauenrechtlerinnen wie Hathloul protestieren seit Jahren auch gegen das Vormundsystem, das saudische Frauen in vielen Lebensbereichen von ihren Männern und Vätern abhängig und zu Bürgern zweiter Klasse macht. Per Dekret hatte die Monarchie im Vorjahr das Vormundsystem gelockert. Frauen dürfen seitdem ohne Zustimmung eines männlichen Vormunds einen Pass beantragen und allein reisen.
US-Präsident Joe Biden begrüßte die Haftentlassung Hathlouls als richtige Entscheidung. Er hat angekündigt, das Thema Menschenrechte wieder stärker in den Fokus zu rücken. Unter Donald Trump hatte Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) bei der Verfolgung von Regimekritikern freie Hand und wurde selbst nach dem Mord an dem Dissidenten Jamal Khashoggi von US-Sanktionen verschont. Biden will Riad keinen „Blankoscheck“für Menschenrechtsverletzungen ausstellen.
Hathlouls Entlassung ist eine von mehreren Gesten, mit denen MbS der US-Kritik den Wind aus den Segeln nehmen will. Seine Regierung hat den langjährigen Streit mit dem arabischen Nachbarn Katar beigelegt und spricht mit Bidens Regierung über Wege zur Beendigung des Krieges im Jemen. Kurz vor Hathlouls Entlassung waren schon zwei saudisch-amerikanische Doppelstaatsbürger freigekommen. Die USA sind für Saudiarabien als politischer und militärischer Partner unersetzlich. MbS ist deshalb auf ein gutes Verhältnis zur Biden-Regierung angewiesen.
Menschenrechtler bleiben skeptisch. Hathloul könne ins Gefängnis zurückgebracht werden, wenn sie nicht zu den Zuständen in Saudiarabien schweige, erklärte Human Rights Watch. Sarah Leah Whitson, Chefin der Menschenrechtsorganisation Dawn, schrieb auf Twitter, Hathlouls Freilassung sei – wie ihre Festnahme – ein Akt der Willkür. Der britische Menschenrechtsaktivist Daniel Wickham warnte vor einem „PR-Sieg“für das saudische Regime.