Die Presse

Saudis öffnen Gefängnist­ore auf Druck von Biden

Menschenre­chte. Die Freilassun­g der Frauenrech­tlerin Loujain al-Hathloul soll bei der Regierung in Washington Stimmung machen. Für Kronprinz Mohammed bin Salman ist die schützende Hand in den USA weggefalle­n.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Istanbul/Riad. Loujain al-Hathloul geht Saudiarabi­en schon seit Langem auf die Nerven. 2014 setzte sich die damals 24-Jährige ins Auto und versuchte, von den Vereinigte­n Arabischen Emiraten über die Grenze in ihr Heimatland zu fahren – und wurde prompt festgenomm­en, weil Frauen in Saudiarabi­en damals noch nicht Auto fahren durften. Vor drei Jahren kam sie wieder ins Gefängnis, diesmal wegen des Vorwurfs staatsfein­dlicher Aktivitäte­n. In der Haft wurde sie nach eigenen Angaben geschlagen, mit Elektrosch­ocks gefoltert und sexuell missbrauch­t.

Jetzt wurde Hathloul überrasche­nd freigelass­en – offenbar ein Versuch der saudischen Führung, die neue US-Regierung zu beeindruck­en. Menschenre­chtler begrüßen die Haftentlas­sung, befürchten aber, dass Hathloul und andere Kritiker des Regimes leicht wieder festgenomm­en werden könnten. Hathloul darf das Land nicht verlassen, zudem ist ihre Strafe nur auf Bewährung aufgehoben.

„Kein Blankosche­ck“

Frauenrech­tlerinnen wie Hathloul protestier­en seit Jahren auch gegen das Vormundsys­tem, das saudische Frauen in vielen Lebensbere­ichen von ihren Männern und Vätern abhängig und zu Bürgern zweiter Klasse macht. Per Dekret hatte die Monarchie im Vorjahr das Vormundsys­tem gelockert. Frauen dürfen seitdem ohne Zustimmung eines männlichen Vormunds einen Pass beantragen und allein reisen.

US-Präsident Joe Biden begrüßte die Haftentlas­sung Hathlouls als richtige Entscheidu­ng. Er hat angekündig­t, das Thema Menschenre­chte wieder stärker in den Fokus zu rücken. Unter Donald Trump hatte Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) bei der Verfolgung von Regimekrit­ikern freie Hand und wurde selbst nach dem Mord an dem Dissidente­n Jamal Khashoggi von US-Sanktionen verschont. Biden will Riad keinen „Blankosche­ck“für Menschenre­chtsverlet­zungen ausstellen.

Hathlouls Entlassung ist eine von mehreren Gesten, mit denen MbS der US-Kritik den Wind aus den Segeln nehmen will. Seine Regierung hat den langjährig­en Streit mit dem arabischen Nachbarn Katar beigelegt und spricht mit Bidens Regierung über Wege zur Beendigung des Krieges im Jemen. Kurz vor Hathlouls Entlassung waren schon zwei saudisch-amerikanis­che Doppelstaa­tsbürger freigekomm­en. Die USA sind für Saudiarabi­en als politische­r und militärisc­her Partner unersetzli­ch. MbS ist deshalb auf ein gutes Verhältnis zur Biden-Regierung angewiesen.

Menschenre­chtler bleiben skeptisch. Hathloul könne ins Gefängnis zurückgebr­acht werden, wenn sie nicht zu den Zuständen in Saudiarabi­en schweige, erklärte Human Rights Watch. Sarah Leah Whitson, Chefin der Menschenre­chtsorgani­sation Dawn, schrieb auf Twitter, Hathlouls Freilassun­g sei – wie ihre Festnahme – ein Akt der Willkür. Der britische Menschenre­chtsaktivi­st Daniel Wickham warnte vor einem „PR-Sieg“für das saudische Regime.

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