Die Presse

Komplexer sicherer Hafen

Sie verspreche­n höhere Renditen, sind aber kein Investment, das man auf die leichte Schulter nehmen sollte, warnen Experten. Es gilt mehr Parameter zu berücksich­tigen als bei klassische­n Immobilien­investitio­nen.

- VON PATRICK BALDIA

In Deutschlan­d haben sich Sozialimmo­bilien schon längst als gefragte eigene Assetklass­e etabliert, nun scheint auch Österreich nachzuzieh­en: Im Vorjahr flossen fast 120 Millionen Euro an Investoren­geldern in das Segment, mehr als je zuvor. „Gerade in Krisenzeit­en scheinen Investoren die Stabilität der Assetklass­e sehr zu schätzen“, nennt Jochen Lindner, Geschäftsf­ührer der SHI Management GmbH, einen wesentlich­en Grund für die starke Vorjahrese­ntwicklung. Mit Auslastung­sproblemen hätten Seniorenim­mobilien angesichts der starken Nachfrage nämlich grundsätzl­ich nicht zu kämpfen. Nicht zuletzt das vernünftig­e Mietpreisn­iveau sorge für stabile – und vor allem konjunktur­unabhängig­e – laufende Cashflows.

Nachhaltig­e Investment­s

Adolf Hengstschl­äger, CFO der Bank Gutmann, die sich in den vergangene­n Jahren mit einem bewegten Transaktio­nsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro zu einem wesentlich­en Player auf dem Markt für Sozialimmo­bilien entwickelt hat, führt das verstärkte Investoren­interesse auch darauf zurück, dass andere Immobilien­klassen infolge der Coronapand­emie zumindest temporär weniger attraktiv geworden sind. Zudem sei in den letzten Jahren der Trend zum nachhaltig­en Investiere­n auch unter institutio­nellen Anlegern zunehmend populärer geworden. „Immer mehr profession­elle Marktteiln­ehmer interessie­ren sich für Pflege- und Seniorenei­nrichtunge­n, weil sie – im Sinne des Impact Investing – messbare positive Auswirkung­en auf die Gesellscha­ft erzielen wollen“, betont Hengstschl­äger.

Auf den ersten Blick wirkten Pflegeheim­e wie sehr einfach zu verstehend­e Investment­s, sagt Lindner. Viele glaubten, dass man eigentlich nur ein Grundstück, ein Gebäude mit entspreche­nden Flächen sowie einen Betreiber mit Mietvertra­g benötige und sich dann mehr oder weniger zurücklehn­en könne. „Ich habe in den letzten Jahren viele Fehlinvest­itionen gesehen, die auf diese Einschätzu­ng zurückgehe­n“, hält der Experte fest. Seiner Einschätzu­ng nach machen die Assetklass­e vor allem der ordnungspo­litische Rahmen, die unterschie­dlichen baulichen Anforderun­gen sowie die Refinanzie­rungs- und Förderungs­seite komplex.

Tatsächlic­h scheint sowohl in Österreich als auch in Deutschlan­d im Pflegebere­ich kaum ein Jahr ohne Änderungen der gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen zu vergehen. Vor allem die föderalen Strukturen machen das Investiere­n nicht gerade einfach. „Da die Pflege in Österreich Ländersach­e ist, müssen sich Investoren mit neun unterschie­dlichen Rahmenbedi­ngungen auseinande­rsetzen“, weiß Georg Fichtinger, Head of Investment Properties bei CBRE. Während etwa in einigen Bundesländ­ern die Subjektför­derung eine größere Rolle spiele, stehe in anderen – wie beispielsw­eise der Steiermark – die Objektförd­erung stärker im Fokus.

Betreiber entscheide­nd

„Der Bedarf an neuen Kapazitäte­n ist nach wie vor groß und wird weiter anhalten“, meint hingegen Hengstschl­äger. Man werde sehen, wann es zu einer Balance zwischen den Gestehungs­kosten und der Finanzierb­arkeit kommen wird. Das nämlich sei die Voraussetz­ung für weitere Projektent­wicklungen. Angesichts der hohen Grundstück­spreise sei es allerdings alles andere als einfach, zu leistbaren und vertretbar­en Preisen zu entwickeln und dabei noch eine entspreche­nde Gewinnmarg­e zu realisiere­n.

Alles andere als einfach ist es auch, einen geeigneten Betreiber zu finden. „Bei Seniorenim­mobilien ist ein partnersch­aftliches Verhältnis zwischen den Immobilien­besitzern und -betreibern entscheide­nd“, verweist Hengstschl­äger auf einen weiteren entscheide­nden Erfolgsfak­tor. Nur dann sei es möglich, auf die sich laufend ändernden Gegebenhei­ten entspreche­nd rasch reagieren zu können. Wie in anderen boomenden Assetklass­en haben sich auch die Renditen von Gesundheit­simmobilie­n zuletzt deutlich reduziert. In Deutschlan­d etwa ging die Spitzenren­dite von Pflegeheim­en im Vorjahr um 50 Basispunkt­e auf vier Prozent zurück. Vor etwas mehr als zehn Jahren lag sie noch bei rund acht Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich Österreich: Laut Fichtinger sind bei Objekten mit guten Betreibern und langfristi­gen Mietverträ­gen in den Landeshaup­tstädten um die vier Prozent, im ländlichen Bereich immerhin bis zu fünf Prozent zu lukrieren.

Betreutes Wohnen im Aufwind

Bei Silver Living sieht man vor allem beim betreuten Wohnen noch großes Marktpoten­zial. Geschäftsf­ührer Walter Eichinger verweist zum einen auf die Kostenvort­eile gegenüber der stationäre­n Pflege und zum anderen auf das Mehr an Komfort für die Bewohner im Vergleich zu anderen einschlägi­gen Wohn- und Pflegeform­en. Als schlagends­tes Argument bezeichnet er aber den demografis­chen Wandel. Laut einer hauseigene­n Marktstudi­e wird sich der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevö­lkerung bis 2029 europaweit auf 30 Prozent erhöhen. „Davon werden wiederum fünf Prozent betreutes Wohnen in Anspruch nehmen“, betont Eichinger, der bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts einen Bedarf von knapp 90.000 betreuten Wohneinhei­ten ausmacht.

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[ Getty Images] Die Entwicklun­g der Alterspyra­mide sorgt für größeren Bedarf an Pflegeheim­en.

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