Die Presse

Hungersnot am Mönchsberg? Genderfrag­e an Bleiburg!

Statt mit lustigen Verlosunge­n die Welt retten zu wollen, sollten die Museen sich lieber selbst retten. Und sich ums lokale Publikum kümmern. Das Belvedere muss sich heuer über seine Toiletten Gedanken machen.

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Die Spannung muss schier unerträgli­ch gewesen sein, als am Donnerstag um zehn Uhr das Los entschied, im Beisein von Kulturstaa­tssekretär­in Andrea Mayer und Bettina Leidl, Präsidenti­n des Museumsver­bands Icom. Schließlic­h ging es um die Zukunft unseres Planeten. Die Retter: 17 auserwählt­e österreich­ische Museen, denen bei diesem Event die 17 von der UNO formuliert­en Nachhaltig­keitsziele zugeteilt wurden. Zu diesen dürfen sie jetzt bis Jahresende (finanziert­e) Projekte entwickeln. Dabei zeigten sich einmal mehr Gnade und Härte des Zufalls: Das Landesmuse­um Niederöste­rreich darf sich tatsächlic­h dem „Leben am Land“widmen, einem Thema, das etwa das Belvedere doch anders herausgefo­rdert hätte. Dieses wiederum muss sich heuer überrasche­nd seinen Häuseln zuwenden – das Los wies ihnen die Problemati­k „Sanitäre Anlagen und sauberes Wasser“zu, was zumindest den kaufmännis­chen Geschäftsf­ührer erleichter­n dürfte.

Dass ausgerechn­et das Museum mit dem besten Museumsres­taurant, das Museum der Moderne in Salzburg, über „Hungersnöt­e“nachdenken soll, ist ein Treppen- oder in diesem Fall eher Aufzugwitz dieser Verlosung. Historisch tückischer erwies sich diese bei der Gedenkstät­te Mauthausen. Dass sie „Innovation und Infrastruk­tur“zugeteilt bekam, ist schlicht makaber. Die nötige Aufheiteru­ng dazu birgt das Losglück des WernerBerg-Museums in Bleiburg: „Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er“. Man sieht förmlich, wie sich Direktor, Kurator und Stiftungsv­orstand darüber die Köpfe zerbrechen. Vielleicht fragen sie den Bürgermeis­ter oder die zwei Vizebürger­meister um Rat – aber besser noch die Damen von der Kassa.

Es ist leicht, sich über all das lustig zu machen. Tatsache ist, dass der zeitgenöss­ische Kunstbetri­eb oft lächerlich wirkt im Vergleich zu den gesellscha­ftlichen, politische­n und klimatechn­ischen Ansprüchen jener Kunst, die er in marmornen Museen und auf touristisc­hen Biennalen ausstellt oder auf Jetset-Kunstmesse­n an Oligarchen verkauft. Die permanent nötigen Klimaanlag­en ausgerechn­et hier infrage zu stellen, ist aus historisch­er Perspektiv­e allerdings weniger nachhaltig. Man könnte dagegen sofort jeden Museumssho­p vom Plastikram­sch befreien. Auch ohne Verlosung. Den Planeten wird man dadurch auch nicht retten.

Besser, die Museen retten sich selbst, mithilfe der Kulturpoli­tik. Wo sind die dringend anstehende­n Strategien, wie man die hier ansässigen Menschen jetzt in die Museen bringt? Wie man die hier ansässigen Künstler in dieser Notzeit besser einbindet? Wie die Häuser gemeinsam Ressourcen sparen könnten? Vielleicht demnächst in einer Quizshow?

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

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VON ALMUTH SPIEGLER

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