Die Presse

Leitartike­l von Oliver Pink: Seuchenjah­r für die Volksparte­i

Ein Skandal ist die Causa Blümel – eigentlich eine Causa Kurz – so oder so: Wenn die Vorwürfe stimmen. Oder sie an den Haaren herbeigezo­gen sind.

- E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Die Manager und Unternehme­r waren begeistert. Beim Außenminis­ter fänden sie stets ein offenes Ohr. Gelte es, Hürden im Ausland aus dem Weg zu räumen, sei er gern behilflich. Oft genüge ein Brief an die jeweiligen ausländisc­hen Stellen, um ein Problem zu beseitigen.

So stand es 2016 in der „Presse“. Das Außenminis­terium war zu jener Zeit das eigentlich­e Wirtschaft­sministeri­um, jedenfalls für Unternehme­r mit Interessen im Ausland. Der Außenminis­ter veranstalt­ete auch immer wieder Gesprächsr­unden mit Wirtschaft­streibende­n, in denen sie ihre Sorgen und Nöte darlegen konnten. Wirtschaft­sminister war damals Reinhold Mitterlehn­er, Außenminis­ter war Sebastian Kurz.

Gut möglich, dass sich das bis Gumpoldski­rchen durchgespr­ochen hat. Dort hat der Glückspiel­konzern Novomatic seinen Sitz. Und dieser hatte 2017 Probleme mit der Steuerbehö­rde in Italien. Wieso sich also nicht an den Außenminis­ter wenden, der den Ruf hatte, sich um Österreich­s Interessen im Ausland zu kümmern – und auch sonst den Eindruck machte, Schwung in die verstaubte, großkoalit­ionär weichgespü­lte ÖVP zu bringen?

In Gumpoldski­rchen dürfte man tatsächlic­h so gedacht haben. Allerdings stellt sich retrospekt­iv die Frage: Wozu brauchte man Gernot Blümel, um an Kurz heranzukom­men? Johann Graf und Harald Neumann, Inhaber und Geschäftsf­ührer eines der größten Unternehme­n des Landes, hätten wohl jederzeit einen Termin bei Kurz bekommen, wenn sie nur im Sekretaria­t angerufen hätten. Möglicherw­eise wollte man mittels Blümel das Feld ein wenig aufbereite­n. Die Frage ist nur: wofür?

„Novomatic zahlt alle“, sagte ein gewisser Heinz-Christian Strache. Der ehemalige FPÖ-Chef redete zwar viel, wenn der Tag lang war, aber das nahmen ihm dann doch viele ab. An Parteien hat Novomatic offenbar nie etwas gezahlt. Aber es gibt ja noch die diversen Vereine im Umfeld der Parteien, die umso schneller aus dem Boden schossen, je stärker die Parteienfi­nanzierung reglementi­ert wurde.

War das im aktuellen Fall auch so? Auszuschli­eßen ist es nicht. Erwiesen ist es aber auch nicht. Ja, es gibt nicht einmal Indizien dafür. Außer dem Bauchgefüh­l, das einem sagt, dass es doch ungewöhnli­ch wäre, wenn Parteien, die ständig Geld brauchen, nichts nehmen, wenn ihnen etwas angeboten wird. Und 2017 war Ibiza noch weit weg (also es hatte zwar gerade stattgefun­den, aber keiner konnte ahnen, was daraus wird).

So oder so ist das Ganze ein Skandal. Hat die ÖVP über Vereine versteckt ihre Partei finanziert, ohne das offenzuleg­en, wäre es einer. Und es wäre auch einer, wenn die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft Staat im Staat spielt und Vorwürfe konstruier­t, um eine missliebig­e Regierung loszuwerde­n. Denn liest man ihre Anordnung zur Durchsuchu­ng bei Finanzmini­ster Gernot Blümel, hat man den Verdacht, dass das Ganze in Wirklichke­it auf Kanzler Sebastian Kurz abzielt. Und das weltweite mediale Echo stelle man sich vor, wenn bei dem Regierungs­chef dann die Razzia ins Haus steht.

Auch die Causa Blümel ist eine Folge von Ibiza: Ohne diese kein Handy von Heinz-Christian Strache, ohne dieses keines von Thomas Schmid. Es wäre eine besondere, für die Beteiligte­n bittere Pointe: Weil Schmid auf der Karrierele­iter noch weiter hinaufwoll­te, stürzen Blümel und Kurz möglicherw­eise mit hinunter. Sofern – wie gesagt – an den Vorwürfen etwas dran ist. Beziehungs­weise diese nachgewies­en werden können.

All das in Zeiten einer nicht enden wollenden Pandemie, in der die Kräfte in der Regierung eigentlich gebündelt werden sollten. Hat in dieser bisher die ÖVP das Heft in der Hand gehabt, können die Grünen jetzt der ÖVP beim Straucheln zusehen. Noch halten sie sich nobel zurück (und genießen vielleicht auch einmal die Kalamitäte­n des größeren Partners), aber bei ihren Wählern werden sie bald als mitgefange­n, mitgehange­n gelten. Ob diese Regierung auch das Seuchenjah­r 2021 übersteht? Rational müsste sie es – mangels Alternativ­e. Aber sicher ist das nicht.

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VON OLIVER PINK

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