Der Höhepunkt einer türkisen Personalmisere
Rücktritt der Arbeitsministerin, Druck auf den Innenminister und die Wirtschaftsministerin, Hausdurchsuchung beim Finanzminister. Steht der ÖVP ein schwarzes Jahr bevor? In der Koalition jedenfalls wird es langsam ungemütlich.
Es lief schon einmal besser für Sebastian Kurz und die ÖVP, nicht nur der Pandemie wegen. Kündigt sich gerade ein schwarzes Jahr für die Türkisen an? Die Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel wegen des Verdachts, er könnte 2017 einen Deal mit Novomatic – Parteispende für Amtshandlung – ausgehandelt haben, war der vorläufige Höhepunkt einer Personalmisere. Die eigentlich schon Ende 2020 begonnen hatte. Mit dem Rücktritt von Arbeitsministerin Christine Aschbacher nämlich, die über eine Plagiatsaffäre gestolpert war.
Bis dahin hatte es im Kabinett Kurz II nur einen Wechsel gegeben, und das auf grüner Seite: Die glücklose Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek hatte im Mai für Andrea Mayer Platz machen müssen. Nun aber sind gleich mehrere ÖVP-Minister in Bedrängnis geraten – Innenminister Karl Nehammer sogar auf mehreren Ebenen. Die Abschiebungen von drei gut integrierten Mädchen samt ihrer Familien nach Armenien bzw. Georgien polarisierten auch innerhalb der ÖVP und stürzten TürkisGrün in die bisher größte Krise.
Das Gutachten der ZerbesKommission zum Terroranschlag in Wien wiederum, veröffentlicht am Mittwoch, dokumentierte die ohnehin schon vermuteten Versäumnisse des Verfassungsschutzes. Nehammers Reformversprechen kommen nach Meinung der Opposition zu spät, sie fordert geschlossen seinen Rücktritt.
Durchschlagender Misserfolg
Und dann musste diese Woche auch noch Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck für den durchschlagenden Misserfolg des „Kaufhaus Österreich“geradestehen. Ob sie die Initiative bereue? Nein, sagte Schramböck: „Wenn man nichts tut, kann auch nichts kritisiert werden.“Das „Kaufhaus Österreich“, dem ursprünglichen Konzept nach eine Suchmaschine für den Onlinehandel, verschlang allerdings über eine Million Euro
Steuergeld – was die SPÖ dazu veranlasste, über eine Ministeranklage nachzudenken. Die Neos wollen Schramböcks Rücktritt.
Im Fall Gernot Blümel herrscht dafür oppositionelle Einigkeit: Der Finanzminister sei untragbar geworden, weil er die Oberaufsicht über die Glücksspielbranche habe. Und nebenher gibt es ja auch noch
Ermittlungen gegen das ÖVP-nahe Alois Mock Institut, in dessen Publikationen Novomatic inseriert hat. Wolfgang Sobotka, Präsident des Nationalrats und des Mock Instituts, außerdem Vorsitzender des U-Ausschusses zu den Casinos, bestreitet, dass über diese Schiene Geld an die ÖVP geflossen ist.
Was das alles für die türkis-grüne Zusammenarbeit bedeutet? Minister Blümel habe nur Spenden an die Bundes-ÖVP und an die Wiener Landespartei ausgeschlossen, aber nicht an ÖVP-nahe Vereine, sagte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer am Freitag. Dem kam Blümel später jedoch nach, indem er eidesstattlich erklärte, dass auch an parteinahe Vereine kein Geld geflossen sei. Über Blümels Zukunft als Finanzminister wollten sich die Grünen zunächst nicht äußern.
Vizekanzler Werner Kogler, in Vertretung der karenzierten Alma Zadic´ derzeit auch Justizminister, kommentierte die Ermittlungen gar nicht. Nur so viel sagte er im ORF-Radio zur Koalition: Man habe mit der Bekämpfung der Pandemie ohnehin genug zu tun. Da funktioniere die Zusammenarbeit auch außerordentlich gut.
Schmaler grüner Grat
Wobei der Grat für die Grünen, die neben der Klima- und der Menschenrechtspolitik auch die Korruptionsbekämpfung im Portfolio haben, schmäler wird. Den oppositionellen Misstrauensantrag im Nationalrat gegen den Innenminister lehnte die grüne Fraktion zuletzt naserümpfend ab, aus Koalitionsräson. Man darf gespannt sein, ob sich das im Fall Gernot Blümel wiederholt. Und was die grüne Parteibasis dann dazu sagt.
Die ÖVP erinnerte die Republik einstweilen an die Unschuldsvermutung. Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, eine ehemalige Richterin, wurde vorgeschickt, um den Finanzminister in Schutz zu nehmen: „Ein Vorwurf ist kein Schuldnachweis.“