Die Presse

Grünlicht für „ungehorsam­e“WKStA

Die Korruption­sstaatsanw­altschaft berichtete ihr brisantes „Vorhaben“auffallend spät. Insider ärgern sich. Das Justizress­ort liefert Rückendeck­ung.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Durch die Hausdurchs­uchung (HD) bei Gernot Blümel rückt erneut die Korruption­sstaatsanw­altschaft, WKStA, in den Fokus. Eigentlich hätte sie schon im Dezember, als sie die HD-Anordnung dem Rechtsschu­tzrichter zur Bewilligun­g vorlegte, einen Anfallsber­icht an die dienstvorg­esetzte Behörde, die Oberstaats­anwaltscha­ft (OStA) Wien, schicken sollen. Das tat sie (laut Informatio­nen aus dem OStA-Umfeld) aber nicht.

Dann hätte sie gemäß Berichtspf­lichten-Erlass mindestens drei Tage vor der HD erneut die OStA einbinden müssen. Tatsächlic­h erfuhr diese erst am Nachmittag des Vortags von der geplanten Aktion. Laut Insidern ärgert man sich in der OStA über diese „Verspätung“. Zur denkbaren Konsequenz, nämlich der Befassung des Disziplina­rgerichts, wird es nicht kommen. Denn die WKStA bekommt Rückendeck­ung durch das derzeit von Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) geführte Justizress­ort. Sektionsch­efin Barbara GöthFlemmi­ch – sie übernahm vor Kurzem einen Teil der Agenden von Christian Pilnacek – teilte mit: Weil Blümels Beschuldig­tenstatus medial bekannt wurde, habe die HD „vorgezogen“werden müssen. Die Drei-Tage-Frist für Berichte sei nicht einzuhalte­n gewesen. Die – späte – Informatio­n der OStA sei „angesichts der Dringlichk­eit ausreichen­d“gewesen. Außerdem teilte das Justizress­ort am Freitag mit, einen Gesetzesvo­rschlag zur Reduktion der Berichtspf­lichten vorlegen zu wollen.

Parallelen zu Grasser und BVT

Eine Hausdurchs­uchung bei einem Finanzmini­ster – gab es das in Österreich schon einmal? Nun, es gab eine Hausdurchs­uchung bei Karl-Heinz Grasser (erst FPÖ, dann ÖVP-nahe). KHG, so sein häufig gebrauchte­s Kürzel, war aber nicht mehr im Amt (Dienstende: 2007), als Ermittler am 26. Mai 2011 im Rahmen eines Finanzstra­fverfahren­s Grassers Wohnung in der Wiener Innenstadt durchsucht­en.

Damals versandte die Staatsanwa­ltschaft (StA) Wien nur 34 Minuten nach Beginn der Hausdurchs­uchung eine Pressemitt­eilung. Journalist­en fuhren prompt zu der Wohnung des prominente­n Verdächtig­en. Und lieferten LiveBilder. Grasser brachte bei Gericht einen Einspruch wegen Rechtsverl­etzung ein. Und hatte Erfolg. Zwar hatte die zwischenze­itig gegründete WKStA (Gründung: September 2011) das Vorgehen der StA-Pressestel­le in Schutz genommen (man habe die Medien früh informiert, um Spekulatio­nen zu vermeiden), aber dies konnte das Gericht nicht davon abhalten, die Verletzung der „subjektive­n Rechte“Grassers festzustel­len.

Die Grasser-HD an sich wurde später (ganz abgesehen von der Pressemitt­eilung) als rechtskonf­orm eingestuft. Das ist keine Selbstvers­tändlichke­it. Man denke an die von der WKStA vorgenomme­ne HD am Standort des Verfassung­sschutzes, BVT, im Februar 2018. Diese wurde von einem Gericht als rechtswidr­ig eingestuft. Außerdem: Damals waren die OStA und das Ministeriu­m im Vorfeld gar nicht informiert worden. Deswegen wurde (siehe oben) die Drei-Tage-Regel eingeführt.

Gut möglich, dass Blümel nun gegen die Hausdurchs­uchung Beschwerde einlegt. Bekommt er recht und wird die HD für rechtswidr­ig erklärt, wäre das ein Minus für die WKStA. Außerdem müsste neu bewertet werden, welche beschlagna­hmten Unterlagen überhaupt verwertet werden dürfen.

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