Die Presse

Der Rücktritt eines Chauvinist­en soll Olympia in Tokio retten

Yoshiro Mori, Ex-Premier und Olympia-Organisati­onschef, stolpert über sexistisch­e Äußerungen. Die Japaner sind gegen die „Corona-Spiele“.

- Von unserer Korrespond­entin ANGELA KÖHLER

Tokio. Als ob die Macher der Olympische­n Spiele in Tokio nicht ohnehin schon genug Probleme hätten – acht von zehn Japanern wollen wegen der Coronapand­emie und der gigantisch­en Kosten das Sportspekt­akel nicht oder jedenfalls nicht in diesem Jahr. Nun trifft das Organisati­onskomitee der nächste Schlag: Chef Yoshiro Mori gab seinen Rücktritt gekannt.

Ein Eklat der Sonderklas­se, kein halbes Jahr vor der geplanten Eröffnung am 23. Juli. Und ein Skandal, wie ihn das an Chauvinism­us gewohnte Japan nur selten erlebt. Bei einer Videokonfe­renz des Olympische­n Komitees sollte es darum gehen, den Frauenante­il im Vorstand von 20 auf 40 Prozent zu verdoppeln. Mori war dagegen. Anwesende zitieren ihn so: „Frauen haben ein ausgeprägt­es Verlangen nach Konkurrenz. Jede will die andere überbieten. Deshalb sprechen dann alle.“Und weiter: „Wenn man die Zahl der weiblichen Mitglieder im Gremium erhöht und deren Redezeit nicht limitiert, kommen sie nur schwer zum Ende, was nervig ist.“

Es brach ein Sturm der Empörung los. Vor allem in den sozialen

Netzwerken, wo viele unter dem Hashtag | Moriresign ihrem Unmut Luft machten und eine Petition unterzeich­neten. Nach einer Umfrage der japanische­n Nachrichte­nagentur Kyodo verlangten 60 Prozent der Japaner den sofortigen Rücktritt. Auch wichtige Sponsoren wie der Autokonzer­n Toyota wandten sich von Mori ab.

Imageschad­en

Unter dem Druck der Öffentlich­keit sah sich der 83-Jährige, der auch schon in seiner kurzen Zeit als Regierungs­chef in jedes erdenklich­e Fettnäpfch­en getreten war, erst einmal zu einer Entschuldi­gung veranlasst und nannte seine diskrimini­erende Aussage „gedankenlo­s“. Es sei aber nur ein „privater Kommentar“gewesen.

Olympiamin­isterin Seiko Hashimoto, die in der Regierung auch für die Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er zuständig ist, verlangte eine Demission. Mori war dazu bereit. Doch Mitglieder des Olympia-Komitees hätten ihn laut seiner Darstellun­g regelrecht bedrängt, im Amt zu bleiben. Vorstandsc­hef Toshiro Muto habe ihn sogar angefleht: „Wenn Sie als Präsident zurücktret­en, was wird dann aus dieser Organisati­on von 5000 Leuten?“

Das Image der Spiele ist erneut schwer beschädigt. Daran wird auch die designiert­e Mori-Nachfolger­in, Olympiamin­isterin Hashimoto, auf die Schnelle nur wenig ändern können. Selbst japanische Topsportle­r zweifeln am Sinn einer Veranstalt­ung, bei der rund 11.000 Athleten – und anschließe­nd 4400 Teilnehmer der Paralympic­s – ihre Wettkämpfe quasi unter Zwangsquar­antäne austragen müssen. Noch immer ist unklar, ob überhaupt ausländisc­he Touristen einreisen dürfen. In japanische­n Medien ist deshalb die Rede davon, dass Mori vielleicht der letzte Sargnagel der Spiele sei.

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