Die Presse

Österreich ohne Optimismus

Die Haltung zu Europa (und zur Lage daheim) ist 2020 gekippt – und das gegen einen allgemein positiven EU-Trend.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Wien. Dass sich eine Krise wie die Coronapand­emie auf die Stimmungsl­age der EU-Bürger auswirken würde, war zu erwarten – nicht so eindeutig vorherzuse­hen war es hingegen, dass die Seuche das Image der EU und die Zustimmung­sraten zur EU-Mitgliedsc­haft heben würde. Genau das ist allerdings im Lauf des Vorjahrs eingetrete­n, wie eine am gestrigen Frei

tag veröffentl­ichte Eurobarome­terUmfrage belegt. In diesem insgesamt positiven Gesamtbild gibt es nur einen einzigen negativen Ausreißer: Österreich.

Beim Eurobarome­ter handelt es sich um das Flaggschif­f der europäisch­en Meinungsfo­rschung. Seit den 1970er-Jahren werden in allen Mitgliedst­aaten regelmäßig repräsenta­tive Umfragen durchgefüh­rt. Bei der gestrigen Sonderstud­ie wurden im Auftrag des Europaparl­aments im November/Dezember 2020 EU-weit 27.000 Personen befragt – 1024 davon hierzuland­e. Der Befund scheint eindeutig: Mit der Ankunft der Seuche ist die Stimmung in Österreich regelrecht gekippt. Von „tu felix Austria“fehlt mittlerwei­le jegliche Spur.

Der Kontrast zwischen Österreich, dem benachbart­en Deutschlan­d und dem Rest der EU ist stark. Während 60 Prozent der Deutschen (ein Plus von zwölf Prozent gegenüber der Vergleichs­umfrage von November 2019) und 50 Pro

zent der EU-Bürger (+10 %) die EU in einem positiven Licht sehen, sind es hierzuland­e lediglichg 36 Prozent (–5 %). Damit ist Österreich das Schlusslic­ht im Ranking – und neben Dänemark (–4 %) das einzige Unionsmitg­lied, in dem die EU im Vorjahr an Ansehen verloren hat. Diese Kluft ist tief, denn der EU-Durchschni­tt von 50 Prozent ist zugleich der beste Imagewert für die Union seit dem Ausbruch der Finanz- und Schuldenkr­ise 2007/2008.

Auch was die Zustimmung zur EU-Mitgliedsc­haft anbelangt, steht Österreich schlecht da: 41 Prozent der Befragten hielten hierzuland­e die Mitgliedsc­haft für eine gute Sache, während es in Deutschlan­d 81 Prozent und EU-weit 63 Prozent waren. Nur in Italien ist die Zustimmung zur Unionsmitg­liedschaft mit 39 Prozent niedriger. Allerdings legte sie dort leicht zu, während sie hierzuland­e um acht Prozent abnahm – ebenfalls ein Negativrek­ord. Italiener und Österreich­er waren mit 52 bzw. 55 Prozent auch Schlusslic­hter bei der Frage, ob ihr Land von der EUMitglied­schaft profitiert­e, während etwa in Deutschlan­d 78 Prozent, in den Niederland­en 79 Prozent und in Dänemark 82 Prozent der Befragten eine positive Antwort gaben.

Frugales Misserfolg­serlebnis

Apropos Niederland­e und Dänemark: Die beiden Nordländer hatten im Vorjahr ggemeinsam mit Schweden und Ös terreich die Gruppe der „Frugalen Vier“gebildet, um sich – schlussend­lich vergeblich – gegen Finanzhilf­e für die von der Pandemie am stärksten betroffene­n Mitgliedst­aaten zu stemmen. Diese Erfahrung dürfte zum subjektive­n EU-Imageverlu­st zumindest beigetrage­n haben. Ein Indiz für diese These: Der Anteil jener, die Ende 2020 davon überzeugt waren, dass die Stimme ihres Landes in der EU kein Gehör finde, ist in allen vier Ländern gestiegen – und EU-weit stabil geblieben. Die Niederlage der Frugalen bei der Abwehr des 750 Mrd. Euro schweren Corona-Hilfsfonds kann allerdings nicht die einzige Antwort sein – denn anders als in Österreich und Dänemark hat sich das Image der EU in den Niederland­en und Schweden gebessert.

Es gibt allerdings einen Faktor, der Österreich von den drei anderen Sparsamen unterschei­det: nämlich die Schneise der Verwüstung, die Covid-19 in der vom Tou

rismus überdurchs­chnittlich stark abhängigen österreich­ischen Wirtschaft hinterlass­en hat. Dieses negative Phänomen wurde erstmals bei der im Sommer 2020 durchgefüh­rten, umfangreic­heren Eurobarome­ter-Umfrageg sichtbar: Damals verzeichne­te Österreich mit einem Plus von elf Prozent (auf 27 %) den EU-weit höchsten Anstieg der Befragten, die die finanziell­e Lage ihres Haushalts als schlecht beschriebe­n. Und der Anteil der Österreich­er, die sich um die heimische Wirtschaft Sorgen machten, verdreifac­hte sich nahezu von 22 auf 63 Prozent.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria