Wie Saharastaub Schadstoffe unter den Grenzwert drückt
Kritik an Bund, Land und Stadt Graz, weil die Schadstoffbelastung in der Steiermark hoch ist, insbesondere durch den Straßenverkehr. Zwei der Empfehlungen des Rechnungshofs haken hier ein: Tempolimits und Citymaut seien zu prüfen.
Wien. 34 Empfehlungen gibt der Rechnungshof (RH) in dem Bericht „Luftverschmutzung durch Verkehr – ausgewählte Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität“ab, der die Umweltbelastung in der „außeralpinen“Steiermark (südlich der Mur-Mürz-Furche, mit dem Schwerpunkt auf dem Grazer Becken) in den Jahren 2014 bis 2019 zum Gegenstand hat. Die Prüfer legen der Landesregierung 25 Maßnahmen nahe, das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sieht sich mit 13 Empfehlungen konfrontiert, die Stadt Graz mit drei.
Der RH räumt zwar ein, dass der Schadstoffausstoß von Stickstoffverbindungen und Feinstaub im langfristigen Trend abnehme, dass etwa beim Feinstaub im Prüfungszeitraum aber eine Zunahme zu registrieren sei. Bei den Stickstoffen gibt es eine Abnahme. Aber: An diese Messdaten knüpfen die RH-Prüfer einige Fragen grundsätzlicher Natur.
Davon wird gleich später die Rede sein, wenden wir uns erst den Empfehlungen zu. An den Bund richtet der RH die Aufforderung, Tempolimits zu prüfen, die gesetzlichen Grundlagen zu erweitern (insbesondere das Immissionsschutzgesetz Luft) und die Förderpolitik von Elektro- und Hybridautos zu überdenken. Letzteres deshalb, weil E-Autos im Betrieb zwar emissionsfrei seien, aber durch Reifenabrieb und Bremsen zur Feinstaubbelastung beitragen. Außerdem sei die Ausnahme von Tempobeschränkungen auf 100 km/h für E-Autos aus Perspektive der Verkehrssicherheit fragwürdig. Das Land Steiermark wird vor allem aufgefordert, das steirische Luftreinhalteprogramm „unmissverständlich verbindlich“in Kraft zu setzen – und umzusetzen. Der Stadt Graz wiederum wird nahegelegt, „verkehrsbeschränkende Maßnahmen“zu erwägen und sanfte Mobilität (öffentlicher Verkehr, Radverkehr) zu forcieren, etwa durch eine Citymaut.
Nun zu den Messstellen: Mit ihnen haben sich die Prüfer eingehend beschäftigt. In der Steiermark gibt es 41, davon sind in Graz sechs über das Stadtgebiet verteilt. Bisher wurde zentrale Bedeutung in der Murmetropole vor allem einer beigemessen: der Station Don Bosco, gelegen an einer der bedeutendsten Verkehrstangenten in Graz. Diese Messstelle galt insgesamt als Indikator für die Luftqualität der Stadt – Motto: „Wenn es hier keine Überschreitungen gibt, dann gibt es sie in ganz Graz nicht.“Nun muss dieses Mantra bezweifelt werden: Denn der RH deckt auf, dass sich bei Vergleichsmessungen höhere Werte gezeigt hätten.
Bei tiefer schürfenden Recherchen stellt sich zudem heraus, dass es bei der Messung ganz legal Schlupflöcher gibt: Denn Aufwirbelungen durch den Streudienst (Salz und Splitt) können aus den Messergebnissen herausgerechnet werden. Das gilt auch, wenn es Sand aus der Sahara in unsere Breiten weht. Für Passanten wird die Luft deshalb nicht gesünder, für die Statistik schon.
„EU-Grenzwerte eingehalten“
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) will inhaltlich zum RH-Bericht insgesamt, zur Empfehlung, Tempolimits zu erwägen und Gesetze nachzujustieren, kein Statement abgeben. Gerhard Semmelrock, zuständiger Spitzenbeamter im Amt der Steiermärkischen Landesregierung, gibt sich zurückhaltend. Freilich werde man die Wahrnehmungen des Rechnungshofs thematisieren und sich damit „selbstverständlich eingehend“auseinandersetzen. Schließlich kommt doch ein wenig Kritik durch: „Schade, dass es jetzt so aussieht, als wenn hier gar nichts geschieht“, so Semmelrock, das Gegenteil treffe zu. Ursula Lackner, für Umwelt zuständige Landesrätin (SPÖ), sagt: „Ich blicke nicht nur auf den Zeitraum, den die RH-Prüfung abdeckt. Schauen wir auf 2019 und 2020. Da zeigt sich: Wir haben die EUGrenzwerte eingehalten.“Maßnahmen bewährten sich. Tempolimits stehe sie noch reserviert gegenüber. Die Grazer Umweltstadträtin, Judith Schwentner (Grüne), ist erleichtert. „Ich bin dankbar und froh, dass es diesen Rechnungshofbericht gibt. Er hält fest, was geschehen muss. Am Zug ist in erster Linie das Land.“