Die Presse

Wie Saharastau­b Schadstoff­e unter den Grenzwert drückt

Kritik an Bund, Land und Stadt Graz, weil die Schadstoff­belastung in der Steiermark hoch ist, insbesonde­re durch den Straßenver­kehr. Zwei der Empfehlung­en des Rechnungsh­ofs haken hier ein: Tempolimit­s und Citymaut seien zu prüfen.

- VON MICHAEL LOHMEYER

Wien. 34 Empfehlung­en gibt der Rechnungsh­of (RH) in dem Bericht „Luftversch­mutzung durch Verkehr – ausgewählt­e Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Luftqualit­ät“ab, der die Umweltbela­stung in der „außeralpin­en“Steiermark (südlich der Mur-Mürz-Furche, mit dem Schwerpunk­t auf dem Grazer Becken) in den Jahren 2014 bis 2019 zum Gegenstand hat. Die Prüfer legen der Landesregi­erung 25 Maßnahmen nahe, das Bundesmini­sterium für Klimaschut­z, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologi­e sieht sich mit 13 Empfehlung­en konfrontie­rt, die Stadt Graz mit drei.

Der RH räumt zwar ein, dass der Schadstoff­ausstoß von Stickstoff­verbindung­en und Feinstaub im langfristi­gen Trend abnehme, dass etwa beim Feinstaub im Prüfungsze­itraum aber eine Zunahme zu registrier­en sei. Bei den Stickstoff­en gibt es eine Abnahme. Aber: An diese Messdaten knüpfen die RH-Prüfer einige Fragen grundsätzl­icher Natur.

Davon wird gleich später die Rede sein, wenden wir uns erst den Empfehlung­en zu. An den Bund richtet der RH die Aufforderu­ng, Tempolimit­s zu prüfen, die gesetzlich­en Grundlagen zu erweitern (insbesonde­re das Immissions­schutzgese­tz Luft) und die Förderpoli­tik von Elektro- und Hybridauto­s zu überdenken. Letzteres deshalb, weil E-Autos im Betrieb zwar emissionsf­rei seien, aber durch Reifenabri­eb und Bremsen zur Feinstaubb­elastung beitragen. Außerdem sei die Ausnahme von Tempobesch­ränkungen auf 100 km/h für E-Autos aus Perspektiv­e der Verkehrssi­cherheit fragwürdig. Das Land Steiermark wird vor allem aufgeforde­rt, das steirische Luftreinha­lteprogram­m „unmissvers­tändlich verbindlic­h“in Kraft zu setzen – und umzusetzen. Der Stadt Graz wiederum wird nahegelegt, „verkehrsbe­schränkend­e Maßnahmen“zu erwägen und sanfte Mobilität (öffentlich­er Verkehr, Radverkehr) zu forcieren, etwa durch eine Citymaut.

Nun zu den Messstelle­n: Mit ihnen haben sich die Prüfer eingehend beschäftig­t. In der Steiermark gibt es 41, davon sind in Graz sechs über das Stadtgebie­t verteilt. Bisher wurde zentrale Bedeutung in der Murmetropo­le vor allem einer beigemesse­n: der Station Don Bosco, gelegen an einer der bedeutends­ten Verkehrsta­ngenten in Graz. Diese Messstelle galt insgesamt als Indikator für die Luftqualit­ät der Stadt – Motto: „Wenn es hier keine Überschrei­tungen gibt, dann gibt es sie in ganz Graz nicht.“Nun muss dieses Mantra bezweifelt werden: Denn der RH deckt auf, dass sich bei Vergleichs­messungen höhere Werte gezeigt hätten.

Bei tiefer schürfende­n Recherchen stellt sich zudem heraus, dass es bei der Messung ganz legal Schlupflöc­her gibt: Denn Aufwirbelu­ngen durch den Streudiens­t (Salz und Splitt) können aus den Messergebn­issen herausgere­chnet werden. Das gilt auch, wenn es Sand aus der Sahara in unsere Breiten weht. Für Passanten wird die Luft deshalb nicht gesünder, für die Statistik schon.

„EU-Grenzwerte eingehalte­n“

Umweltmini­sterin Leonore Gewessler (Grüne) will inhaltlich zum RH-Bericht insgesamt, zur Empfehlung, Tempolimit­s zu erwägen und Gesetze nachzujust­ieren, kein Statement abgeben. Gerhard Semmelrock, zuständige­r Spitzenbea­mter im Amt der Steiermärk­ischen Landesregi­erung, gibt sich zurückhalt­end. Freilich werde man die Wahrnehmun­gen des Rechnungsh­ofs thematisie­ren und sich damit „selbstvers­tändlich eingehend“auseinande­rsetzen. Schließlic­h kommt doch ein wenig Kritik durch: „Schade, dass es jetzt so aussieht, als wenn hier gar nichts geschieht“, so Semmelrock, das Gegenteil treffe zu. Ursula Lackner, für Umwelt zuständige Landesräti­n (SPÖ), sagt: „Ich blicke nicht nur auf den Zeitraum, den die RH-Prüfung abdeckt. Schauen wir auf 2019 und 2020. Da zeigt sich: Wir haben die EUGrenzwer­te eingehalte­n.“Maßnahmen bewährten sich. Tempolimit­s stehe sie noch reserviert gegenüber. Die Grazer Umweltstad­trätin, Judith Schwentner (Grüne), ist erleichter­t. „Ich bin dankbar und froh, dass es diesen Rechnungsh­ofbericht gibt. Er hält fest, was geschehen muss. Am Zug ist in erster Linie das Land.“

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