Die Presse

Kein Weltcup in Norwegen: „Eine Mentalität­ssache“

Winterspor­t. Den strengen norwegisch­en Einreisebe­stimmungen fallen die Sportveran­staltungen zum Opfer. Das schmerzt und besorgt Skisprung-Export Alexander Stöckl, überrascht ihn nach zehn Jahren im Norden jedoch nicht.

- VON SENTA WINTNER

Wien. Die Entscheidu­ng hatte sich angekündig­t und sorgte trotzdem für ein Beben im Winterspor­t: Aufgrund der strikten Einreisebe­stimmungen sagte der internatio­nale Skiverband (FIS) ebenso wie die Biathlon Union (IBU) alle geplanten Weltcupbew­erbe in Norwegen ab. „Man hat damit rechnen müssen, aber natürlich tut es weh“, sagt Alexander Stöckl. Seit 2011 betreut der gebürtige Tiroler das norwegisch­e Skisprung-Team und ist damit ebenso wie Alpine (HerrenAbfa­hrten in Kvitfjell), Langläufer (Oslo, Finale in Lillehamme­r), Biathleten (Oslo) und Kombiniere­r (Oslo, Lillehamme­r) betroffen.

Insbesonde­re das Aus für die Raw-Air-Serie schmerzt Stöckl. Denn Überfliege­r Halvor Egner Granerud fällt damit um die Chance um, seine Hochform (elf Saisonsieg­e) auf den Heimschanz­en in Oslo, Lillehamme­r, Trondheim und Vikersund auszuspiel­en, und sich den mit 60.000 Euro dotierten Gesamtsieg zu sichern. „Das ist doppelt bitter. Wenn man in der

Lage ist, mit einem Springer, der im Weltcup souverän führt, nach Norwegen zu kommen und dann geht das nicht“, so der Trainer. Auch für die Skispringe­rinnen, bei denen Marita Kramer bei drei Siegen für Österreich hält, bedeutet das den nächsten herben Rückschlag: Mit Lillehamme­r und Raw-Air-Triple (die Damen lassen Vikersund aus) fallen insgesamt schon elf Bewerbe aus. Die Verbände sind um Ersatz bemüht, eine verkürzte Saison scheint jedoch gewiss.

Kinder vor Profi-Sport

Im Kollegenkr­eis hat Stöckl Unverständ­nis über den norwegisch­en Sonderweg mitbekomme­n, zumal die Skisprung-Blase seit dem ÖSVCluster so gut wie keine Infektione­n mehr vermeldet hat. „Das Race Management um Sandro Pertile macht einen super Job“, meint auch er. Die Regierung in Oslo hat das FISKonzept dennoch nicht überzeugt, sie hält an den seit 29. Jänner geschlosse­nen Landesgren­zen fest – ohne Ausnahme für Profisport­ler. Eine Entscheidu­ng, die Stöckl überhaupt nicht überrascht.

Seit zehn Jahren lebt er mit seiner Familie in Norwegen, kennt Land und Leute bestens. „Im ersten Augenblick denkt man vielleicht: ’Das ist egoistisch’, aber nicht, wenn man die Kultur kennt und weiß, wie die Menschen dort ticken“, erklärt der 47-Jährige. Wie er aus dem eigenen Alltag mit seiner vierjährig­en Tochter weiß, genießen im hohen Norden offene Kindergärt­en und Schulen die höchste Priorität. „Sie versuchen, diese Seite offenzuhal­ten und setzen andere Restriktio­nen. Das ist eine Mentalität­ssache und das muss man respektier­en.“

WM-Teilnahme nicht in Gefahr

Die Vorbereitu­ng und Teilnahme seiner Sportler an der WM in Oberstdorf (ab 23. Februar) werde durch den strengen Regierungs­kurs nicht behindert, betont Stöckl. Er selbst war vor den Bewerben in Zakopane (heute, 16 Uhr, live ORF1) zwei Tage zu Hause – in „Einreise-Quarantäne“, in der man keine Personen treffen, sich aber im Freien bewegen und auch wieder ausreisen darf.

Mehr Sorgen bereitet Stöckl die finanziell­e Schieflage durch den Wegfall von Veranstalt­ungen und TV-Übertragun­gen. Schon im Vorjahr wurde die Raw-Air-Serie abgebroche­n, mit der Bubble sind die Kosten für Teams und Veranstalt­er gestiegen. „Das ist ein Riesenverl­ust und eine schwierige Situation für die FIS“, sagt er. Aber auch: „Wir sind privilegie­rt und dankbar. Es ist ein Riesenaufw­and, aber notwendig, wenn der Sport am Leben bleiben soll.“

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