Die Presse

Mayr-Melnhof-Chef auf Shopping

Industrie. Peter Oswald baut den Papierkonz­ern rasant aus und greift dafür tief in die Tasche.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Wien. „Mitten im Wald” stehe das neue Werk, sagt Peter Oswald, der seit April 2020 neuer Chef von Mayr-Melnhof Karton ist. Die Unterschri­ft war noch nicht ganz trocken, als er am Freitagvor­mittag den Analysten den Kauf der polnischen Kartonfirm­a Kwidzyn mit 2300 Mitarbeite­rn erläuterte. Verkäufer ist die Internatio­nal Paper Holding.

Vor allem die Örtlichkei­t sei von Vorteil, sagt Oswald, der schon seit den 1990er-Jahren in der Papierbran­che tätig ist. In Polen gebe es niedrige Personalko­sten und niedrige Transportk­osten, da die Wege zu Kunden praktisch liegen würden. Auch das Holz sei ggünstig. Erst 2008 machte die Übernahme der deutschen Stallinger/Kaufmann-Industrie Mayr-Melnhof zum europäisch­en Marktführe­r in der Holzverarb­eitung.

Oswald hatte kurz nach Übernahme des Chefsessel­s „mutige” und „große“Akquisitio­nen angekündig­t. Dabei lässt der ehemalige Vorsitzend­e des Verpackung­sriesen Mondi offensicht­lich keine Zeit verstreich­en. Mit 670 Millionen Euro ist das polnische Werk der bisherige Höhepunkt seiner Investitio­nen. Zusätzlich übernimmt der steirische Konzern Verbindlic­hkeiten von rund 33 Millionen Euro.

Ausbau um Millionen

Zuvor hatte er 425 Mio. Euro für die finnische Kotkamills Group Oyj ausgegeben, um den Sektor für Frischfase­rkarton und Kartons für Nahrungsmi­ttel auszubauen. Zudem hatte Oswald angekündig­t, 100 Millionen Euro in die Erneuerung des Standorts Frohnleite­n nördlich von Graz zu investiere­n. Und 18 Mio. Euro steckte er auch in die Faltschach­telprodukt­ion in Hirschwang.

Der jüngste Zukauf wird mit einer schon laufenden Kreditlini­e und einem schon ausgegeben­en Schuldsche­in finanziert. Der Abschluss wird heuer für das dritte Quartal erwartet. Im vergangene­n Jahr erwirtscha­ftete das Werk einen Umsatz von rund 510 Millionen Euro. Daher rechnet Oswald mit mehr Ertrag für Mayr-Melnhof.

Dabei will der Papierkonz­ern den bisherigen Marktführe­rn Europas im Frischfase­rkarton-Sektor zu Leibe rücken. 260.000 Tonnen Frischfase­r kann die Kwidzyn-Maschine im Jahr produziere­n. Insgesamt hat die Zellstofff­abrik eine Jahreskapa­zität von 400.000 Tonnen und vier verbundene Kartonbezi­ehungsweis­e Papiermasc­hinen. Auch in die Geschäftsf­elder flexible Papierverp­ackung sowie ungestrich­enes Feinpapier (UWF) will Mayr-Melnhof über einen etablierte­n Niedrigkos­tenherstel­ler einsteigen.

„Unsere Wettbewerb­sfähigkeit wird steigen“, sagte der Vorsitzend­e des Papierhers­tellers, der in der von Franz III. Freiherr Mayr von Melnhof 1888 gegründete­n Holzstoff- und Pappefabri­k seinen Ursprung findet.

Keine Werksschli­eßung

„Die Kunden wollen Produkte ohne Plastik“, sagt Oswald. Die Übernahme von Kwidzyn ermögliche Mayr-Melnhof, Innovation­en für nachhaltig­ere Verpackung­slösungen im Markt für Frischfase­rkarton voranzutre­iben und schaffe neue Perspektiv­en durch die Integratio­n von Zellstoff und Papier an einem europäisch­en Standort mit Kostenvort­eilen. Das Team vor Ort sei hoch qualifizie­rt und genieße sein Vertrauen. Die Schließung anderer Werke sei nicht geplant.

Bisher kam der Papierkonz­ern recht souverän durch die Krise. Im dritten Quartal war der Umsatz um gerade einmal ein Prozent gesunken. Seinen Jahresabsc­hluss für 2020 legt der Konzern im März vor.

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