Hausdurchsuchungen, so schonend wie ein Nasenbohrer-Test
Wenn ein Minister daheim Besuch von Staatsanwälten bekommt, klingt das nach einem spektakulären Event. Aber das muss es nicht sein. Das Haus war finster, die Fenster waren so leer wie die Augen eines toten Mannes.
Der abgebrühte Lesekreis Thriller mit Niveau im Keller des Gegengifts ist schockiert: eine Hausdurchsuchung! Beim Finanzminister! Wenn das üblich wird, ist bald niemand mehr vor Ordnungshütern sicher, die in Österreich die Wirtschaft schützen und die Korruption bekämpfen – oder umgekehrt. Dann könnte es sogar sein, dass strenge BeamtInnen in Präsidenten-Villen auftauchen, um Illegales zu suchen. Oder dass in mehr oder weniger bescheidenen Appartements von Bundeskanzlern gewühlt wird. Nicht einmal Heimstätten der
Wiener Bürgermeister, die ja auch gelegentlich mit Ökonomie und Misswirtschaft zu tun haben, wären tabu. Wien bliebe nicht mehr ganz Wien.
Wir haben präventiv reagiert und unsere Krimi-Bibliothek gesichtet, um Bücher auszusortieren, die nur geborgt waren, dann aber mit nachlässiger Gebärde in die zweite Reihe der Regale gestellt und schlicht vergessen wurden (ehrlich, die bibliophile Ausgabe der Werke Raymond Chandlers ist bereits auf dem Postweg zurück!).
Nach dieser Säuberung fühlten wir uns fast sicher vor der WKStA. Um alle Zweifel zu beseitigen, haben wir noch den Rat einer Institution gesucht, der wir in prekären Grauzonen blind vertrauen. Was sagen die Wirtschaftskammern Österreichs zu solchen Aktionen? Ein Blick auf die
Homepage wko.at klärt die Situation. Dort werden unter dem Eintrag „Die Hausdurchsuchung“die Rechte und Pflichten des Betroffenen ausführlich aufgelistet. Wir machen es kurz, kommen zum Punkt: Liebe Volksvertreter, solch ein oppositionell wie medial begleiteter Event ist nicht so schlimm, vergleichbar mit einem Covid-Nasenbohrer-Test. Laut WKO muss nämlich Folgendes beachtet werden:
· Hausdurchsuchungen sind möglichst schonend vorzunehmen, unnötiges Aufsehen, Belästigungen und Störungen sind zu vermeiden.
· Dem Betroffenen ist vor Beginn der Durchsuchung Gelegenheit zu geben, das Gesuchte herauszugeben oder sonst die Gründe für die Durchsuchung zu beseitigen. Dies gilt nicht, wenn Gefahr im Verzug ist.
Ehrlich, liebe Hausbesitzer und Hausbesetzer, Wohnungseigentümer und Gemeindebauherren: Wann ist in diesen Breiten jemals Gefahr im Verzug? Wir sind hier ja nicht in den USA, sondern in der sichersten, schönsten und lebenswertesten Stadt der Welt.
In Los Angeles geht es manchmal nicht ganz so gemütlich zu. Wir schlagen nach in unserer Handbibliothek. Wenn zum Beispiel Detective Hieronymus Bosch prüfend einschreiten muss, kann das so klingen: „Das Haus in Silver Lake war finster, seine Fenster waren so leer wie die Augen eines toten Mannes.“Wer dächte da nicht schaudernd und mitfühlend an jene geplagten Beamten, denen eine Hausdurchsuchung zugemutet wird?
E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com