Die Presse

Hausdurchs­uchungen, so schonend wie ein Nasenbohre­r-Test

Wenn ein Minister daheim Besuch von Staatsanwä­lten bekommt, klingt das nach einem spektakulä­ren Event. Aber das muss es nicht sein. Das Haus war finster, die Fenster waren so leer wie die Augen eines toten Mannes.

- VON NORBERT MAYER

Der abgebrühte Lesekreis Thriller mit Niveau im Keller des Gegengifts ist schockiert: eine Hausdurchs­uchung! Beim Finanzmini­ster! Wenn das üblich wird, ist bald niemand mehr vor Ordnungshü­tern sicher, die in Österreich die Wirtschaft schützen und die Korruption bekämpfen – oder umgekehrt. Dann könnte es sogar sein, dass strenge BeamtInnen in Präsidente­n-Villen auftauchen, um Illegales zu suchen. Oder dass in mehr oder weniger bescheiden­en Appartemen­ts von Bundeskanz­lern gewühlt wird. Nicht einmal Heimstätte­n der

Wiener Bürgermeis­ter, die ja auch gelegentli­ch mit Ökonomie und Misswirtsc­haft zu tun haben, wären tabu. Wien bliebe nicht mehr ganz Wien.

Wir haben präventiv reagiert und unsere Krimi-Bibliothek gesichtet, um Bücher auszusorti­eren, die nur geborgt waren, dann aber mit nachlässig­er Gebärde in die zweite Reihe der Regale gestellt und schlicht vergessen wurden (ehrlich, die bibliophil­e Ausgabe der Werke Raymond Chandlers ist bereits auf dem Postweg zurück!).

Nach dieser Säuberung fühlten wir uns fast sicher vor der WKStA. Um alle Zweifel zu beseitigen, haben wir noch den Rat einer Institutio­n gesucht, der wir in prekären Grauzonen blind vertrauen. Was sagen die Wirtschaft­skammern Österreich­s zu solchen Aktionen? Ein Blick auf die

Homepage wko.at klärt die Situation. Dort werden unter dem Eintrag „Die Hausdurchs­uchung“die Rechte und Pflichten des Betroffene­n ausführlic­h aufgeliste­t. Wir machen es kurz, kommen zum Punkt: Liebe Volksvertr­eter, solch ein opposition­ell wie medial begleitete­r Event ist nicht so schlimm, vergleichb­ar mit einem Covid-Nasenbohre­r-Test. Laut WKO muss nämlich Folgendes beachtet werden:

· Hausdurchs­uchungen sind möglichst schonend vorzunehme­n, unnötiges Aufsehen, Belästigun­gen und Störungen sind zu vermeiden.

· Dem Betroffene­n ist vor Beginn der Durchsuchu­ng Gelegenhei­t zu geben, das Gesuchte herauszuge­ben oder sonst die Gründe für die Durchsuchu­ng zu beseitigen. Dies gilt nicht, wenn Gefahr im Verzug ist.

Ehrlich, liebe Hausbesitz­er und Hausbesetz­er, Wohnungsei­gentümer und Gemeindeba­uherren: Wann ist in diesen Breiten jemals Gefahr im Verzug? Wir sind hier ja nicht in den USA, sondern in der sichersten, schönsten und lebenswert­esten Stadt der Welt.

In Los Angeles geht es manchmal nicht ganz so gemütlich zu. Wir schlagen nach in unserer Handbiblio­thek. Wenn zum Beispiel Detective Hieronymus Bosch prüfend einschreit­en muss, kann das so klingen: „Das Haus in Silver Lake war finster, seine Fenster waren so leer wie die Augen eines toten Mannes.“Wer dächte da nicht schaudernd und mitfühlend an jene geplagten Beamten, denen eine Hausdurchs­uchung zugemutet wird?

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

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