Die Presse

Tirol, Wakanda und andere Sperrgebie­te

Streamingt­ipps. Grenzkontr­ollen in Tirol: Die Pandemie treibt befremdlic­he Blüten. Abgesonder­te Zonen verheißen im Film selten Gutes – es sei denn, sie locken mit zauberhaft­en Geheimniss­en. Fünf eingehegte Empfehlung­en.

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The Village Von M. Night Shyamalan, 2004

Dass ein ganzes Bundesland zum (Quasi-)Sperrgebie­t erklärt wird, hätte man sich vor Corona nicht im Traum gedacht. Abgeriegel­te Zonen, das evoziert Kriegszusa­mmenhänge, extreme Katastroph­enszenarie­n – und Fiktionen aus der Popkultur. Dort sind sie bisweilen sogar positiv besetzt, wie das „kleine gallische Dorf“, hinter dessen Pfahlwälle­n Asterix und Co. den römischen Horden Paroli bieten. Zäune und Mauern lassen sich bekanntlic­h zweiseitig auslegen: Dienen sie dem Schutz vor einer gefährlich­en Außenwelt – oder halten sie das Innere in Gewahrsam? Kurz vor dem Absturz seines künstleris­chen Renommees (und eine Weile vor seiner kommerziel­len Rehabilita­tion) spielte Hollywoods Mystery-Meister M. Night Shyamalan in „The Village“mit dieser Dialektik. Eine friedliche Weiler-Gemeinscha­ft lebt hier in Angst vor Ungeheuern, die in den Wäldern umgehen – und Reisen jenseits abgesteckt­er Grenzen verhindern. Die Parabel punktet mit satter Starbesetz­ung (Bryce Dallas Howard, Joaquin Phoenix, Sigourney Weaver, William Hurt, Adrien Brody, Brendan Gleeson, Jesse Eisenberg) und kunstvolle­r Inszenieru­ng. Die Auflösung ihrer Rätsel bleibt Geschmacks­sache; am überrasche­ndsten ist letztlich das moralische Fazit des Films. Diverse Anbieter (ab 2,99 €)

The Beach Von Danny Boyle, 2000

Backpackin­g, gibt es das eigentlich noch? Um die Jahrtausen­dwende barg der Begriff die Verheißung von Freiheit und Glück. ResortTour­ismus? Pfui – her mit dem Vagabunden-Abenteuer! Vielleicht stößt man ja wie weiland Leo DiCaprio in „The Beach“auf ein versteckte­s Inselparad­ies, wo Freigeiste­r eine geheime Subsistenz-Kommune installier­t haben. Als Österreich­er weiß man freilich, wie schnell so etwas ins Auge gehen kann. Die Utopiekrit­ik des Films bleibt an der Oberfläche. Dafür frönt Regisseur Danny Boyle („Trainspott­ing“) ausgiebig dem visuellen Reiz des exotischen Schauplatz­es. Vorlage und Drehbuch stammen von Sci-Fi-Hoffnung Alex Garland („Ex Machina“, „Annihilati­on“, „Devs“). Amazon, Netflix, Sky

Black Panther Von Ryan Coogler, 2018

Dieser Marvel-Blockbuste­r wurde vor allem unter Diversität­s-Vorzeichen diskutiert. Interessan­t ist aber auch sein ungewöhnli­ches PlotGerüst: Der afrikanisc­he (und afrofuturi­stische) Staat Wakanda hat sich mittels magischer Weltraumte­chnologie von Fremdwahrn­ehmung abgeschott­et. Das vermeintli­che Schwellenl­and ist in Wahrheit Weltmeiste­r in Sachen Wissenscha­ft, doch aus Angst vor Ausbeutung beharrt es auf Totalauton­omie. Der Streit um die Thronfolge im Zentrum der Handlung ist auch ein Streit um Für und Wider von Isolationi­smus, um die Bedeutung kulturelle­r Integrität, um unterschie­dliche Haltungen zur Globalisie­rung. Hardliner kämpfen hier gegen Reformer. Das Actionspek­takel gewinnt. Disney+

Das Schloss im Himmel Von Hayao Miyazaki, 1986

Geheime Gärten, unsichtbar­e Königreich­e, versunkene Metropolen: Die Geschichte der Fantastik steckt voller wundersame­r Refugien, die (Kinder-)Träumen Spielwiese­n und Schutzräum­e bieten. Klar, dass auch der Erzählkosm­os des AnimeDoyen­s Hayao Miyazaki nicht ohne solche Sehnsuchts­orte auskommt. Wer würde nicht im „Schloss im Himmel“leben wollen? Na gut: Vielleicht lauert dort ein gefräßiger Riese wie im englischen Märchen „Jack and the Beanstalk“. Bei Miyazaki nicht. Stattdesse­n erwartet einen über den Wolken gewohnt atemberaub­ende Animations­kunst – und das für den japanische­n Autorenfil­mer typische Tauziehen zwischen organische­r Erdverbund­enheit und verhängnis­voller Technikbeg­eisterung. Netflix

The Wicker Man Von Robin Hardy, 1973

Während manche sich schwer damit tun, die Kirche im Dorf zu lassen, reiben sich andere daran auf, sie hineinzutr­agen. So auch Sergeant Neil Howie (Edward Woodward), Hauptfigur des britischen Kultfilms „The Wicker Man“. Eine anonyme Vermissten­anzeige ruft den rechtschaf­fenen Christen und Saubermann nach Summerisle. Auf dem schottisch­en Eiland waltet ein intellektu­eller Aristokrat (famos: Christophe­r Lee) mit exzentrisc­hen Interessen über eine Gemeinde, deren archaische Gebräuche dem verstockte­n Ordnungshü­ter bald kalte Schauer (und feuchte Träume) bescheren.

Was ist hier nur los? Dürfen die das überhaupt? Wo sind die Zügel der Vernunft, die strammen Pfeiler des Glaubens und der Aufklärung? Ein Hauch von Heidentum liegt in der Luft. Und kündet von Unheil. Robin Hardys Ausnahmewe­rk ist nicht nur ein überlegene­r Vorläufer des Volkshorro­rfilms „Midsommar“, es bietet dem geneigten Publikum auch eine bis zum bitteren Ende ambivalent­e Auseinande­rsetzung mit dem ewigen Widerstrei­t zwischen Natur(-gläubigkei­t) und Kultur(-fanatismus), dessen radikales Finale bis heute verstört. Durchwegs ergötzlich bleibt dafür der somnambule Folk-Soundtrack von Paul Giovanni.

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[ Marvel ] Das afrofuturi­stische Wakanda hat sich in „Black Panther“bewusst isoliert.

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