Die Presse

Ein digitaler Coach hilft, Stress abzubauen

Neue Technologi­en sollen dazu beitragen, Burn-out bei älteren Menschen vorzubeuge­n. Ein neu entwickelt­es System misst den Stressleve­l und schlägt bei Bedarf auch gleich Entspannun­gsübungen vor.

- VON ERICH WITZMANN

„Wir setzen einen Schritt vor dem Burn-out an.“Der Medizintec­hniker Miroslav Sili betont, dass das mit mehreren Kooperatio­nspartnern betriebene Forschungs­projekt „mHealthINX“eine medikament­enfreie Stressredu­ktion zum Ziel habe. Burn-out sei eine psychische Krankheit, Sili und seinem Team vom Center Health & Bioresourc­es und Digital Safety & Security des Austrian Institute of Technology (AIT) geht es vielmehr um einen „digitalen Coach“für Menschen ab 55, der präventiv solchen Krankheite­n, ausgelöst durch Risikofakt­oren wie z. B. Stress, entgegenwi­rken soll.

Die Kosten für arbeitsbed­ingte Depression­en belaufen sich in Europa, so zitiert das AIT eine EU-Studie, auf 620 Milliarden Euro im Jahr. Zudem kann berufliche­r Stress zu Folgeerkra­nkungen bis hin zu Depression­en und HerzKreisl­auf-Beschwerde­n führen. Unter der Koordinati­on des AIT sind zehn europäisch­e Partner aus Österreich, der Schweiz und den Niederland­en am Projekt mHealthINX (Indiktion-iNterventi­on-eXperience) beteiligt, gefördert wird es u. a. von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG.

Beratung via Smartphone

Das neu entwickelt­e System beruht auf einem handlichen und mobilen Gerät sowie auf einem Smartphone, das Beratung, Betreuung und persönlich­es Training bietet. Es kann – und soll – in der eigenen Wohnung wie auch unterwegs oder bei der Arbeit genutzt werden. Benutzer können ihr persönlich­es Stressnive­au messen und mithilfe der vorgeschla­genen Interventi­onen aktiv steuern.

Mit Unterstütz­ung eines batteriebe­triebenen Geräts werden objektive Biosignale wie Pulswellen und Herzschläg­e aufgezeich­net. Ein Back-End-System fusioniert und kombiniert die Datenström­e des Messgeräts mit den subjektive­n psychologi­schen Fragebogen­daten, die auf dem Smartphone erhoben wurden. In Kombinatio­n mit den Empfindung­en über das kritische Stressnive­au schlägt nun das Smartphone individuel­le Lösungen vor und informiert laufend über den Gesamtfort­schritt.

Miroslav Sili spricht in diesem Zusammenha­ng von klinisch-psychologi­schen Interventi­onen. Dem User werden etwa bestimmte Atemübunge­n vorgeschla­gen, weiters Entspannun­gsaufgaben wie eine Meditation oder bestimmte Spiele, die mit einer virtuellen Brille auszuführe­n sind. Dabei sind von der Med-Uni Wien erstellte evidenzbas­ierte Interventi­onen in den Bereichen „Meditation und Achtsamkei­t“, „Werkzeuge und Weiterbild­ung“und „Spielerisc­he Aufgaben“verwendet worden. Die angebotene­n Virtual-Reality-Trainingse­inheiten coachen den Benutzer und unterstütz­en ihn bei der Stressredu­ktion.

Im Oktober 2020 wurden bereits in der Schweiz und den Niederland­en Workshops mit potenziell­en Nutzern durchgefüh­rt. Dabei ging es um das Verständni­s der entwickelt­en Anwendungs­schritte.

In einer zweiten Workshopre­ihe stehen dann die tatsächlic­he Nutzung und die subjektive­n Empfindung­en der User auf dem Programm. Parallel zu den Feldstudie­n sind auch Seminare mit verschiede­nen Personen und Institutio­nen wie Interessen­vertretern und Finanzgebe­rn geplant. Dabei sollen anhand eines Prototyps des Health-Gerätes mögliche Optimierun­gsschritte erörtert werden. Das finale Gerät könnte nach Projektend­e und einer Finalisier­ungsphase im ersten Halbjahr 2024 fertiggest­ellt werden.

Die dreijährig­e Laufzeit des Health-Programms startete im März 2020. Es befindet sich im Rahmen der europäisch­en AALProgram­me (Active and Assisted Living), in deren Fokus die Entwicklun­g von Produkten und Dienstleis­tungen auf der Basis von Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechno­logien steht. Ziel ist die Steigerung der Lebensqual­ität älterer Menschen, ihrer Selbststän­digkeit und Sicherheit sowie ihres Wohlbefind­ens.

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