Die Presse

Wie öffentlich­es Geld an private Verleger fließt

Koste es, was sie wollen: Wenige Wissenscha­ftsverlage haben den Markt für Fachzeitsc­hriften fest im Griff. Eine Studie zeigt, wie Forschungs­gelder in den Prozess des Publiziere­ns wandern. Vieles bleibt im Verborgene­n.

- VON ADRIAN VON JAGOW

Wer heute forschen will, muss einiges können. Neben exzellente­n fachlichen Kenntnisse­n, Geschick bei Förderantr­ägen und Empathie in der Lehre sind vor allem Publikatio­nen gefragt. Neue Erkenntnis­se müssen schließlic­h verbreitet und die Leistung der Forscher sichtbar werden. Dabei verdienen die Verlagshäu­ser der Fachzeitsc­hriften kräftig mit: Bibliothek­en und Universitä­ten zahlen für teure Abonnement­s, um Zugriff auf deren Datenbanke­n zu erhalten.

Wie viel Geld in die Veröffentl­ichung akademisch­er Erkenntnis fließt, fragte sich ein Team am Institut für die Gesamtanal­yse der Wirtschaft (ICAE) an der Uni Linz. Das Ergebnis ihrer Fallstudie in den Sozialwiss­enschaften: Bis zu 100 Millionen Euro gehen für das Publiziere­n drauf. Wie kommt die Summe zustande?

„Publiziere­n ist nur das Ende eines langen Prozesses“, so Stephan Pühringer vom ICAE, „deswegen haben wir uns zunächst gefragt, wo überhaupt Kosten dafür entstehen.“Heraus kam ein Modell mit vier verschiede­nen Geldströme­n. „Zum einen gibt es die Möglichkei­t, Veröffentl­ichungen von vornherein frei zugänglich zu machen. Bei den meisten Verlagen fällt für diese ,Open Access‘-Option jedoch eine Gebühr von einigen Tausend Euro an“, erklärt der Ökonom. Subskripti­onsgebühre­n machten den zweiten Kostenante­il aus – nur fünf große Verlage teilen sich drei Viertel aller Zahlungen von europäisch­en Bibliothek­en auf. Wie hoch diese genau sind, bleibt jedoch vertraulic­h, weswegen sich das Team anhand der Uni-Budgets annäherte.

Unbezahlte Qualitätsk­ontrolle

Posten drei und vier schätzten Pühringer und seine beiden CoAutorinn­en auf Basis der geleistete­n Arbeitsstu­nden und Durchschni­ttsgehälte­r: „Wir fragten 150 Sozialwiss­enschaftle­rinnen und Sozialwiss­enschaftle­r, wie viel Zeit sie für das Verfassen und die Rezension von Artikeln aufwenden.“

Neben der eigenen Schreibarb­eit beteiligen sich Forscher auch als „Reviewer“bei den Zeitschrif­ten und verbringen viel, meist unbezahlte Zeit mit der Kritik der Einsendung­en. „Die Qualitätsk­ontrolle ist angewiesen auf diese Reviews“, sagt Pühringer: „Auch deswegen ist es bemerkensw­ert, dass die Autoren oder Universitä­ten für den Zugang zu den Journalen bezahlen müssen.“

Etwa ein Viertel der 360 Millionen Euro, die im Jahr 2017 über verschiede­ne öffentlich­e Geldgeber in Österreich in die Sozialwiss­enschaften flossen, wird über die vier Kanäle dafür aufgewende­t. Das Ergebnis überrascht­e selbst das Team am ICAE. „Die Frage drängt sich auf, warum dieses System funktionie­rt. Universitä­ten finanziere­n das Angebot und kommen für die Nachfrage akademisch­er Journale auf“, so Pühringer. Seine Theorie: Motivierte Wissenscha­ftler treffen auf eine spezielle Marktsitua­tion. „Das Oligopol von fünf großen Verlagen sorgt für sehr hohe Profite in der Industrie, schätzungs­weise 40

Prozent des Umsatzes sind Gewinne“, erklärt der Studienlei­ter.

Eine alternativ­e Art der Forschungs­kommunikat­ion müsse bei der Beschneidu­ng der Privaten beginnen, meint Pühringer, dessen Projekt Space vom Wissenscha­ftsfonds FWF gefördert wurde. Die Preise für Open Access und Abos könnten europaweit reglementi­ert werden. Grundsätzl­ich sei auch eine Welt ohne private Verlage denkbar, so der Ökonom: „Dann müssten andere Institutio­nen die Intermediä­r-Funktion übernehmen, etwa Universitä­tspressen oder Fördergebe­r wie der FWF.“So blieben Gewinne innerhalb des Systems.

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