Wie öffentliches Geld an private Verleger fließt
Koste es, was sie wollen: Wenige Wissenschaftsverlage haben den Markt für Fachzeitschriften fest im Griff. Eine Studie zeigt, wie Forschungsgelder in den Prozess des Publizierens wandern. Vieles bleibt im Verborgenen.
Wer heute forschen will, muss einiges können. Neben exzellenten fachlichen Kenntnissen, Geschick bei Förderanträgen und Empathie in der Lehre sind vor allem Publikationen gefragt. Neue Erkenntnisse müssen schließlich verbreitet und die Leistung der Forscher sichtbar werden. Dabei verdienen die Verlagshäuser der Fachzeitschriften kräftig mit: Bibliotheken und Universitäten zahlen für teure Abonnements, um Zugriff auf deren Datenbanken zu erhalten.
Wie viel Geld in die Veröffentlichung akademischer Erkenntnis fließt, fragte sich ein Team am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (ICAE) an der Uni Linz. Das Ergebnis ihrer Fallstudie in den Sozialwissenschaften: Bis zu 100 Millionen Euro gehen für das Publizieren drauf. Wie kommt die Summe zustande?
„Publizieren ist nur das Ende eines langen Prozesses“, so Stephan Pühringer vom ICAE, „deswegen haben wir uns zunächst gefragt, wo überhaupt Kosten dafür entstehen.“Heraus kam ein Modell mit vier verschiedenen Geldströmen. „Zum einen gibt es die Möglichkeit, Veröffentlichungen von vornherein frei zugänglich zu machen. Bei den meisten Verlagen fällt für diese ,Open Access‘-Option jedoch eine Gebühr von einigen Tausend Euro an“, erklärt der Ökonom. Subskriptionsgebühren machten den zweiten Kostenanteil aus – nur fünf große Verlage teilen sich drei Viertel aller Zahlungen von europäischen Bibliotheken auf. Wie hoch diese genau sind, bleibt jedoch vertraulich, weswegen sich das Team anhand der Uni-Budgets annäherte.
Unbezahlte Qualitätskontrolle
Posten drei und vier schätzten Pühringer und seine beiden CoAutorinnen auf Basis der geleisteten Arbeitsstunden und Durchschnittsgehälter: „Wir fragten 150 Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler, wie viel Zeit sie für das Verfassen und die Rezension von Artikeln aufwenden.“
Neben der eigenen Schreibarbeit beteiligen sich Forscher auch als „Reviewer“bei den Zeitschriften und verbringen viel, meist unbezahlte Zeit mit der Kritik der Einsendungen. „Die Qualitätskontrolle ist angewiesen auf diese Reviews“, sagt Pühringer: „Auch deswegen ist es bemerkenswert, dass die Autoren oder Universitäten für den Zugang zu den Journalen bezahlen müssen.“
Etwa ein Viertel der 360 Millionen Euro, die im Jahr 2017 über verschiedene öffentliche Geldgeber in Österreich in die Sozialwissenschaften flossen, wird über die vier Kanäle dafür aufgewendet. Das Ergebnis überraschte selbst das Team am ICAE. „Die Frage drängt sich auf, warum dieses System funktioniert. Universitäten finanzieren das Angebot und kommen für die Nachfrage akademischer Journale auf“, so Pühringer. Seine Theorie: Motivierte Wissenschaftler treffen auf eine spezielle Marktsituation. „Das Oligopol von fünf großen Verlagen sorgt für sehr hohe Profite in der Industrie, schätzungsweise 40
Prozent des Umsatzes sind Gewinne“, erklärt der Studienleiter.
Eine alternative Art der Forschungskommunikation müsse bei der Beschneidung der Privaten beginnen, meint Pühringer, dessen Projekt Space vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wurde. Die Preise für Open Access und Abos könnten europaweit reglementiert werden. Grundsätzlich sei auch eine Welt ohne private Verlage denkbar, so der Ökonom: „Dann müssten andere Institutionen die Intermediär-Funktion übernehmen, etwa Universitätspressen oder Fördergeber wie der FWF.“So blieben Gewinne innerhalb des Systems.