Die grüne Revolution im Nanobereich
Ob Hologramme auf Geldscheinen, Beschichtungen von Windrädern oder Displays von E-Readern – steirische Forscher setzen bei der Herstellung mikroskopisch dünner Folien auf Biomaterialien.
Kunststoffe haben unsere Welt verändert, und das bekanntlich nicht nur zum Guten. Die Habenseite ist lang: Plastik ist flexibel formbar, kann günstig hergestellt werden, es hat wenig Gewicht – das macht es perfekt, um Lebensmittel zu verpacken und haltbar zu machen. Darüber hinaus ist Kunststoff sauber und kann mit Eigenschaften wie Antibakterialität und Hitzebzw. Kältebeständigkeit versehen werden, ideal für Anwendungen in der Medizin oder Luftfahrt.
All das wiegt die Nachteile längst nicht mehr auf – Plastik verschmutzt Gewässer, Mikroplastik bedroht unsere Gesundheit und die CO2-intensive Produktion heizt den Klimawandel an. Nichtsdestoweniger werden weltweit jährlich 360 Millionen Tonnen produziert. „Nur etwa ein Prozent davon fußt auf biobasierten Rohstoffen, da ist noch Luft nach oben“, sagt Barbara Stadlober vom Materials-Institut für Oberflächentechnologien und Photonik der Joanneum Research Forschungsgesellschaft im steirischen Weiz. Sie beschäftigt sich mit den Potenzialen von recycelbaren, biobasierten und biologisch abbaubaren Materialien für die Herstellung von funktionellen flexiblen Plastikfolien.
Ein Hauch von Plastik
Biobasiertes Plastik wird nicht aus Erdöl, sondern auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen, meist stärke- und zellulosereiche Pflanzen, produziert. Zum Einsatz können neben Futter- und Lebensmitteln wie Soja, Mais, Zuckerrohr auch Algen sowie Lebensmittel- und Agrarabfälle kommen. Letztere haben den großen Vorteil, beim Anbau nicht erneut Ressourcen zu verbrauchen oder gar die Ernährungssicherheit zu gefährden. Viele biobasierte Kunststoffe, wie die uns im Alltag ständig begegnenden Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP), können in den etablierten Kreisläufen recycelt werden. Sie sind aber nicht biologisch abbaubar. Für abbaubares Bioplastik wie Folien aus Polymilchsäure (PLA) wiederum ist in der Regel eine industrielle Kompostierung nötig.
Mit ihrem knapp 30-köpfigen Team ist Stadlober Teil eines europäischen Konsortiums von 19 Partnern, dessen Ziel es ist, die nachhaltige Produktion eines Plastikproduktes zu verbessern sowie Recyclingmöglichkeiten und biologische Abbaubarkeit am Ende des Lebenszyklus zu forcieren. Das Projekt „FlexFunction2Sustain“hat ein Gesamtvolumen von 16 Millionen Euro und läuft noch bis 2024. Der Fokus der Physikerin liegt dabei auf minimalen Beschichtungen im Nanometerbereich, die benötigt werden, um bestimmte Produkteigenschaften wie hohe Sauerstoff- und Feuchtigkeitsbarriere zu gewährleisten. Zusätzlich können optische Effekte, Lichtschutz und sogar antivirale oder antibakterielle Funktionalitäten hinzugefügt werden. Wegen ihrer extrem geringen Dicke fallen solche Schichten beim Recyceln sprichwörtlich nicht ins Gewicht. Das löst das Problem der Auftrennbarkeit, das man sonst bei vielen Multimaterial-Kunststoffen hat, was wiederum deren Wiederverwertung erschwert oder verunmöglicht.
Ein Beispiel für solche am Materials-Institut in Kooperation mit Firmen entwickelte Folien sind schillernde Hologramme, die als Sicherheitsmerkmale auf Etiketten oder Banknoten dienen. „Das Hologramm ist kein Farbstoff“, erklärt Materials-Chefchemiker Dieter Nees. „Eine Rauigkeit ergibt die Schillereffekte. Wir nehmen eine klassische Plastikfolie, bringen einen UV-Lack, also einen lichthärtenden Lack, auf, prägen
in diesen das Rauigkeitsprofil, härten ihn aus und heraus kommt ein Hologramm.“
Um diese Hologrammschichten nachhaltiger zu gestalten, braucht es neue „Rezepte“für Bio-UV-Lacke. Eine erste, auf pflanzlichen Ölen basierende Formulierung wurden vor Kurzem fertiggestellt und auf eine recycelte PET-Folie geprägt. In Zusammenarbeit mit einem französischen Spezialisten für Lebenszyklusanalyse von Plastikund Kompositprodukten (IPC) wird nun geprüft, ob die Ökobilanz stimmt. Dazu wird die Folie einem mechanischen Recycling unterzogen. „Am Ende soll ein hinreichend sauberes Recyclat stehen, das wieder zu hochwertigem PET verarbeitet werden kann, um es im Kreislauf zu halten“, so Stadlober. Es gilt, für jedes Produkt der beteiligten Firmenpartner die perfekte Bio-Rezeptur herauszufinden. In etwa einem Jahr soll dieses Forschungsservice dann auch anderen Unternehmen gefördert zur Verfügung stehen.
Grüne Elektronik und Forschungsabfall
Für den Druck der Lacke auf die Folien nutzt die steirische Forschungsgruppe das sogenannte Nanoprägen und ein Rolle-zu-RolleVerfahren. Dabei kommt erst der Lack auf die Folie. Über Rollen wird das Ganze in die Prägeeinheit transportiert. Dort prägt eine weitere Rolle mit Oberflächenprofil die flüssige Schicht, die anschließend mit UV-Licht gehärtet wird. Das Verfahren eignet sich ganz generell zur Herstellung von Mikround Nanostrukturen auf Foliensubstraten aller Art. „Wir verwenden das Nanoprägen auch für Mikrooptiken, die in der Unterhaltungselektronik genutzt werden“, sagt Stadlober. Ein Beispiel dafür sind E-Reader, also die tragbaren Lesegeräte für digitale Versionen von Büchern. „Diese haben auf der Oberseite eine Folie mit mikroskopisch kleinen Strukturen, die das Licht, das von den Seiten kommt, gleichmäßig verteilt und einen homogenen Beleuchtungseindruck erzeugt.“Auch für große Fotovoltaikzellen werden ähnliche Mikrooptik-Strukturen verwendet, um das Sonnenlicht gezielt in die aktiven Bereiche zu lenken.
„Die Prägung der Lackstrukturen erfolgt bei Raumtemperatur, ihre Aushärtung mit energiesparendem LED-Licht“, betont die
Forscherin. „Insgesamt ist bei dieser Herstellungsart der Energieverbrauch vor allem wegen der wegfallenden Heizung weit geringer als beispielsweise bei der Mikroelektronikproduktion. Auch wird kein Wasser zur Kühlung benötigt.“Nicht umsonst nennt man mit Rolle-zu-Rolle-Verfahren hergestellte elektronische Schaltungen „Green Electronics“. In Weiz wird die gesamte Anwendungspalette der Technologie erforscht – für Sicherheitsetiketten, Designfolien im Wohnbereich, Mikrooptikfolien und gedruckte Elektronik, für die Herstellung von Folien, die den Strömungswiderstand etwa bei Rotorblättern von Windrädern verringern können, und für Lab-on-a-Chip-Systeme, wie derzeit im Fall von Diagnostikchips für Covid-19.
Stadlober plant, künftig gänzlich auf klassische Polymerfolien zu verzichten und auf aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellte Substrate umzusteigen, die recycelt oder kompostiert werden können: „Wir wollen die Ersten sein, die in der NanoimprintLithografie rein biobasierte Materialien verwenden.“Damit soll auch die eigene Forschung nachhaltiger werden. Immerhin läppert sich Einiges zusammen, derzeit pro Monat 1500 Meter Plastikfolie: „Da geht es auch um unsere Glaubwürdigkeit. Wir wollen nicht Wasser predigen und Wein trinken.“