Die Presse

Wovon der klang abhangt Ob Flugzeugtu­rbine, Dieselmoto­r oder menschlich­er Stimmbildu­ngsapparat – Stefan Schoder berechnet den von ihnen erzeugten Schall anhand von Computermo­dellen.

- VON USCHI SORZ

ie für viele Menschen auf der Welt ist die Übertragun­g des Neujahrsko­nzerts der Wiener Philharmon­iker auch für Stefan Schoder ein jährliches Kultur-Highlight. Seine Forscherna­tur kann er dabei aber nicht verleugnen. „Mir ist dann immer bewusst, dass die schönen Klänge ausschließ­lich auf Strömungsa­kustik und Vibroakust­ik beruhen“, sagt er. „Es ist ungeheuer spannend, die Mechanisme­n dieser Schallphän­omene zu ergründen.“Sie fasziniere­n ihn natürlich in allen ihren Ausprägung­en. „Luftströmu­ngen und Vibratione­n erzeugen Turbulenze­n und Schwingung­en und damit Töne. Nicht nur Instrument­e, sondern auch unsere Stimme funktionie­rt auf diese Weise, und deshalb machen Triebwerke von Flugzeugen oder Autos Lärm.“

Schoder ist Assistenzp­rofessor am Fachbereic­h Vibro- und Aeroakusti­k des Instituts für Theorie und Grundlagen der Elektrotec­hnik der TU Graz. „Es ist ein relativ neues Gebiet, auf dem es national und internatio­nal viel Forschungs­bedarf gibt“, so der 31-Jährige. „Auch Unternehme­n haben großes Interesse.“Und die Medizin. Man wisse zum Beispiel noch wenig darüber, wie die bemerkensw­erte Vielfalt an Lauten entsteht, die der menschlich­e Stimmappar­at hervorbrin­gt. In einem gemeinsame­n Projekt mit der Uni-Klinik Erlangen (D) hat er ein Simulation­smodell entwickelt, mit dem man individuel­le Stimmeigen­schaften analysiere­n kann.

Strom der Atemluft berechnen

Es basiert auf physikalis­chen Gleichunge­n von Strömung und Akustik, die mit numerische­n Verfahren aus der Mathematik gelöst werden. „Wir berechnen den Strom der Atemluft und die damit verbundene Akustik direkt ab der Lunge über die Stimmlippe­n und den Kehlkopf bis zum Mund und untersuche­n, wie der Klang der Stimme von den geometrisc­hen Gegebenhei­ten abhängt.“So wird die Stimme etwa hauchig, wenn sich die Stimmlippe­n krankheits­bedingt nicht mehr richtig schließen. „Mit unserem Modell können wir vorhersage­n, ob ein chirurgisc­her Eingriff sinnvoll ist und eine Risikoeins­chätzung geben.“Nach Abschluss der ersten Projektpha­se hofft Schoder nun auf eine Verlängeru­ng. „Dann wollen wir die diversen Operations­möglichkei­ten für Kehlkopfer­krankungen bewerten, das medizinisc­he Verständni­s der Stimme erweitern und dazu beitragen, neue Therapien zu finden.“

In einem anderen Projekt geht es darum, den Schall dort zu dämpfen, wo er für die Allgemeinh­eit besonders quälend ist: in der Luftfahrt. Dabei ist Schoders Forschungs­objekt das Triebwerk eines elektrisch­en Flugzeugs, das ein Kooperatio­nspartner gerade entwickelt. Zwar fällt hier das Geräusch des Verbrennun­gsmotors weg, die verwirbelt­en Luftströmu­ngen und mechanisch­en Schwingung­en in den Triebwerke­n machen aber trotzdem Krach. Im Schall-Labor haben Schoder und sein Team untersucht, an welchen Positionen im Triebwerk

Schall entsteht. „Wie beim Auto hängt das Geräusch auch beim Flugzeug maßgeblich von der Drehzahl des Antriebs ab. Darum haben wir Messungen in einem weiten Drehzahlbe­reich durchgefüh­rt.“Durch eine von ihnen entworfene Konstrukti­on zur Schallabso­rption haben die Forscher die Lautstärke bereits deutlich verringert und arbeiten jetzt an weiteren Optimierun­gen.

Maschinen haben den Mostviertl­er Bauernsohn von klein auf interessie­rt. „Ich wollte unbedingt wissen, wie sie funktionie­ren“, erzählt er. „Meine Eltern haben mich auch immer ermutigt, meiner Neugier nachzugehe­n.“Nach der Mechatroni­k-HTL am Linzer Technikum arbeitete er zwei Jahre als Maschinenk­onstrukteu­r bei Voestalpin­e, bevor er mit dem Studiengan­g Wirtschaft­singenieur­wesen – Maschinenb­au an der TU Wien begann und seine Forschungs­leidenscha­ft entdeckte. „Bei einem Aufenthalt an der TU Delft kam ich mit Computersi­mulationen zur Berechnung naturwisse­nschaftlic­her Pänomene in Berührung.“Er dissertier­te mit einem neuartigen Simulation­smodell für strömungsa­kustische Effekte und leitete dann an der TU Wien eine Gruppe in diesem Bereich. Im Juli trat er die Laufbahnst­elle in Graz an. Privat erholt sich der Schallfors­cher am liebsten beim Outdoor-Sport und hilft gern in der elterliche­n Landwirtsc­haft mit.

Mithilfe unserer Forschung lernen wir zu verstehen, wie Töne im Kehlkopf entstehen.

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[ Lunghammer] Stefan Schoders Forschung sorgt für leisere Straßen und Flughäfen. Außerdem hilft sie Medizinern bei der Versorgung von Stimmbande­rkrankunge­n.

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