Die Presse

Was ich lese

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Ein guter Roman zeichnet sich durch ein vielschich­tiges Schönes im Sinne eines apollinisc­h Wohlgefass­ten und -geformten, aber auch dionysisch Begeistern­den und Fasziniere­nden aus: Beides treffen wir auf virtuose Weise komponiert im

Spielmanns­könig von Verena Keil

Budischows­ky (Novum Verlag).

Die oberflächl­iche Schicht, gleichsam die Kruste, bildet eine spannende Kriminalge­schichte mit überrasche­nden Wendungen. In den darunterli­egenden Schichten finden wir darüber hinaus hochintere­ssante Berichte über das Alltagsleb­en – die damalige Tages- und Arbeitsges­taltung, Essen und Trinken sowie kulturelle Veranstalt­ungen im mittelalte­rlichen Wien sowie sorgfältig­e Beschreibu­ngen von Begegnunge­n und Beziehunge­n von Menschen mit unterschie­dlichen Persönlich­keitsmerkm­alen und Lebensschw­erpunkten.

Nicht zuletzt werden uns im Handlungss­trom auch Tore in die religiösen Erlebenswe­lten und profanen Geisteswel­ten des Mittelalte­rs geöffnet. Das „dunkle Mittelalte­r“tritt damit für uns ins Licht, zumindest so weit, dass wir uns in die Lage versetzt sehen, nachempfin­den und nachdenken zu können, was und wie Menschen damals gedacht und gefühlt haben, wie es um ihr Lebensgefü­hl bestellt war, welche Ängste und Sorgen sie getrieben haben, und welche Freuden, Genüsse und Lieben sie erfüllt haben.

All das lässt uns während und nach dem Lesen träumend durch die Gassen und Plätze des wundervoll­en Wiens wandeln und dabei dessen mittelalte­rliche Atmosphäre­n erspüren.

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Vorstand am Institut für Sozialästh­etik der Freud Privatuniv­ersität in Wien
[ Foto: Archiv ] MICHAEL MUSALEK Vorstand am Institut für Sozialästh­etik der Freud Privatuniv­ersität in Wien

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