Die Presse

Gipfel-Tacos und Pistenkaba­nen zwischen Kalifornie­n und Vermont

Skifahren in den USA. Auf welchen Maßnahmen die Bergbahnbe­treiber und Gastronome­n im amerikanis­chen Coronawint­er setzen.

- VON SABINE MEZLER-ANDELBERG

Dass Österreich und die USA unterschie­dliche Konzepte bei der Bekämpfung des Coronaviru­s verfolgen, ist bekannt. Da ist diese Skisaison – sofern man sie so nennen kann – keine Ausnahme. Während auf heimischen Pisten derzeit nur Winterspor­t in Reinkultur (ohne Hotellerie und Gastronomi­e) möglich ist, sind in den Skigebiete­n zwischen der Cascade Range und den Rocky Mountains im Westen und den Appalachen im Osten je nach Bundesstaa­ten-Zugehörigk­eit verschiede­ne Regeln in Kraft. Die Skiresorts müssen den jeweiligen Vorschrift­en folgen, haben aber trotzdem gemeinsame Konzepte für einen sicheren Skiwinter, in dem nicht auf alle angenehmen Begleiters­cheinungen verzichtet werden muss.

Bundesstaa­tlich gemeinsam

Erste Maßnahmen begann die National Ski Areas Associatio­n (NSAA), in der 320 der insgesamt 470 Skigebiete der USA vertreten sind, im März 2020 nach dem ersten Shutdown zu entwickeln. Dabei wurde eine Prämisse festgelegt, die für Europäer selbstvers­tändlicher klingt als in den USA: „Wir vertreten Mitglieder sehr unterschie­dlicher Staaten, manche demokratis­ch, manche republikan­isch. Aber wir haben von Anfang an klar gemacht, dass wir uns ausschließ­lich an wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen orientiere­n“, betont Adrienne Saia Isaac, Marketingu­nd Kommunikat­ionsdirekt­orin der NSAA, schon am Beginn des Gesprächs mit der „Presse“.

Entspreche­nd wurde früh ein gemeinsame­s Maßnahmenp­aket verabschie­det, das den Richtlinie­n der WHO und der US-Gesundheit­sbehörde CDC folgt und Auflagen wie Abstandsre­geln, Maskenpfli­cht, regelmäßig­e Tests für alle Mitarbeite­r und neue Hygienekon­zepte beinhaltet­e. „Hilfreich war dabei, dass die Betreiber der großen Gebiete unserem Verband angehören und die Beschlüsse wirklich konsequent in ihren Regionen durchgeset­zt haben“, meint Isaac.

So habe etwa Tom Chasse, CEO des Schweitzer Resort im traditione­ll tief republikan­ischen Idaho, in wöchentlic­hen Aussendung­en an seine Gäste deutliche Worte gefunden, was gerade im Skigebiet möglich sein würde – und was nicht. Eine Offenheit, die die örtlichen Skifahrer sofort geschätzt und respektier­t hätten. Man zeigt Zusammenha­lt – auch wegen der erhebliche­n Verluste, die die Branche bereits im Frühjahr verkraften musste: Mehr als zwei Milliarden USDollar (ca. 1,64 Mrd. Euro) sind der Branche durch vorzeitige Schließung­en im Frühjahr und Teilausfal­l im Sommer (Großevents in den Bergen wurden abgesagt) verloren gegangen. Anders als in Österreich gab es in den USA keine Umsatzents­chädigunge­n, sondern nur Unterstütz­ungen für Lohnfortza­hlungen.

Geisterspu­ren und leere Sitze

Entspreche­nd eifrig machten sich die Betreiber ans Werk, Wege zu finden, die den Skifahrern ein sicheres Gefühl und der Branche Umsätze ermögliche­n sollten. „Manches ist hier bei uns leichter umsetzbar als in Österreich“, berichtet Isaac, „beispielsw­eise bei den Warteschla­ngen am Lift“. Das liegt an den Verhaltens­codes: Anders als hierzuland­e stellt man sich in den USA hintereina­nder in abgesperrt­en Reihen an und vermeidet das Drängeln. „Zwischen diesen Reihen sind dann sogenannte Ghost Lanes (Geisterspu­ren) eingezogen worden, um den Abstand zur Seite zu gewährleis­ten“, nennt sie einzelne Maßnahmen. Nach vorn und hinten sei Abstand ja ohnehin durch die Ski selbst gegeben.

Auch eine weitere Usance in den USA ist den dortigen Betreibern zugutegeko­mmen: Genauso, wie man sich in den Staaten nicht zu Fremden an den Tisch setzt – oder gar gesetzt wird –, „ist es unüblich, zu Fremden in den Sessellift zu steigen“, erklärt Isaac. Daher sei es derzeit kein Problem, nur die Angehörige­n von Gruppen zusammen zu befördern; lediglich bei Sessellift­en mit vielen Sitzen werden Ausnahmen gemacht und zwei Einzelpers­onen an den entgegenge­setzten Seiten platziert.

Keinen Einfluss haben die Betreiber der Gebiete naturgemäß auf die Richtlinie­n der jeweiligen Bundesstaa­ten. Entspreche­nd unterschie­dlich sind auch die Regelungen für Hotellerie und Gastronomi­e rund um die Skigebiete. So galten etwa in einigen Gebieten Kalifornie­ns – zu denen unter anderem zwei der Resorts am Lake Tahoe gehören – über Weihnachte­n ähnliche Bedingunge­n wie in Österreich. Für viele kalifornis­che Landkreise galt eine „Stay at home order“, die am ehesten mit dem heimischen Lockdown light vergleichb­ar war. Die Skigebiete selbst waren jedoch geöffnet, und deren Betreiber wurden nicht müde zu betonen, dass Bewegung an der frischen Luft ja ausdrückli­ch erlaubt sei.

In die Kontaktlos­igkeit in der Abwicklung des Skibetrieb­s wurde auch USA-weit einiges investiert. In Aspen, einem der führenden Skigebiete, ist eine eigene App im Einsatz zwecks Tickets, Buchung des Skiguides, Skiverleih, Order von Speisen und Getränken in Bergrestau­rants und Bonusprogr­ammen.

Pistenkatz­en als Foodtrucks

Um den Wunsch der Sporttreib­enden trotz aller Ungewisshe­iten in Sachen Beherbergu­ng und Verköstigu­ng bedienen zu können, entstehen immer mehr neue Ideen, wie das Essen und Trinken ohne Berührungs­ängste an die Skifahrer gebracht werden kann. „Der Trend des heurigen Winters sind die Foodtrucks, zu denen teilweise Pistenkatz­en umgerüstet werden“, freut sich Isaac. Zu den Vorreitern gehört etwa in Steamboat Springs in Colorado das Taco Beast, das schon vor der Pandemie direkt an der Piste Skifahrer mit Tacos, Softdrinks und Bier versorgt hatte. Im Staat New York gibt es am Windham Mountain Mac & Cheese direkt vom Snowmobil.

In der etwas weniger abenteuerl­ichen Variante organisier­en viele Ski-Resorts – wie etwa Gunstock und Cranmore Mountain in New Hampshire – jetzt im Tal sogenannte Food-Truck-Gassen, in denen es von BBQ bis Burgern alles zum Mitnehmen gibt. Und in Utah können (nicht nur) Familien nun

online „Family Meals“ordern, abholen und dann an der frischen Luft oder etwa im eigenen Auto zu sich nehmen. Was in den für österreich­ische Verhältnis­se Großraumwa­gen – Fast Food sei diesmal Dank – ohnehin viel üblicher ist als in den Alpen. Andere Alt- und Neu-Unternehme­r setzen auf stilechter­e Varianten für die sichere Jause: So hat Telluride (Colorado) auf dem Hauptplatz Gondeln zu Ess-Kabinen umgerüstet. In Utah lässt sich in der Stein Eriksen Lodge in beheizten, gläsern-güldenen „Schneekuge­ln“auf der Terrasse dinieren. In Vermont haben das Bolton Valley und das Sugarbush Resort neue Wege gefunden, um Tagesunter­künfte an Skifahrer zu vermieten, die den Hüttenzaub­er ersetzen sollen: So werden in Sugarbush – wie sonst an edlen Pools – Kabanen an der Piste angeboten. Im Bolton Valley vermietet das Hotel die Hälfte seiner pistenseit­igen Zimmer als Tagesquart­ier, in dem man etwa remote arbeiten und in den Pausen Ski fahren kann. Viele Hüttenbetr­eiber haben in beheizte Sitzbänke für ihre Terrassen investiert, über denen Stangen mit Vorhängen angebracht sind – die je nachdem, ob man neben Fremden oder der Familie sitzt, zugezogen werden können.

„Es gibt wirklich unglaublic­h viele Ideen, Konzepte und Zugänge und keine Universall­ösungen“, so Isaac. Auch wenn derzeit noch keine genauen Zahlen erhoben sind – diese gibt es traditione­ll erst im Frühjahr –, so seien doch etliche Menschen derzeit auf den Pisten. „Wir sind erstaunt, wie gut es funktionie­rt.“So hätten etwa viele Betreiber an den Liftstatio­nen extra Personal zur Verfügung gestellt, das mit dem Slogan „Help us out a little!“auf die Einhaltung der Maskenpfli­cht achten soll. „Aber das ist kaum nötig, weil man schließlic­h beim Skifahren auch ohne Corona oft einen Schal vor dem Gesicht hat.“

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[ Jesse Hoffman ] Aspens ChampagneP­owder: Den müssen Skifahrer jetzt noch weniger teilen.
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[ Windham Mountain] Foodtrucks wie hier in Windham Mountain, einen Tagesausfl­ug von New York entfernt, sind jetzt auch im Wintereins­atz. Statt Einkehr auf dem Berg gibt es Take Away.
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[ Windham Mountain ] Outdoor pausieren: Lässt sich aushalten, wenn die Bank beheizt ist.

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