Die Presse

Atemlos auf den Berg

Stadtbergw­andern. Der Kapuzinerb­erg mitten in Salzburg geistert als neuer Wohnort von Helene Fischer durch die Klatschpre­sse. Der waldreiche Buckel an der Salzach hat dem Wanderer noch ganz andere Geschichte­n zu bieten.

- VON GEORG WEINDL

Stefan Zweig war ein eleganter Herr. Groß und schlank, gutbürgerl­ich gekleidet, das dunkle Haar akkurat gescheitel­t und der Schnauzbar­t sorgsam gestutzt. In seinen Salzburger Jahren bis 1934 wohnte er oben am Kapuzinerb­erg gegenüber dem Kloster in dem großzügige­n Paschinger Schlössl und spazierte jeden Vormittag den steilen Weg hinunter zur Linzer Gasse und in das geliebte Kaffeehaus. Vor allem der mühsame Weg zurück war dazu angetan, den Körper in Form zu halten.

Für Menschen, die wohlhabend und prominent sind, war der dunkle Berg mitten in Salzburg ein gut gewählter Wohnort. Man hatte dort oben seine Ruhe von wenigen Spaziergän­gern abgesehen. Und der Weg in das städtische Leben mit Geschäften, Lokalen und Theatern brauchte nur ein paar Minuten. Eigentlich erstaunlic­h, dass der mächtige Buckel, der mehr als 200 Höhenmeter aus dem Salzburger Zentrum herausragt, kein Prominente­nhügel geworden ist. Dafür sorgte freilich auch der Umstand, dass der Kapuzinerb­erg seit knapp 50 Jahren Landschaft­sschutzgeb­iet ist und es nur sehr wenige Wohnbauten gibt.

Eines davon, jubilierte­n kürzlich die Society-Medien, habe angeblich die deutsche Schlagerle­gende Helene Fischer erworben. Offizielle Bestätigun­gen gibt es bislang keine, was in Celebrity-Kreisen ja auch nicht ungewöhnli­ch ist. Angeblich soll die Villa zu einem kleinen Ensemble von Häusern gehören, das auf den k. k. Offizier Phillip Graf Spaur zurückgeht, der 1860 einige Grundstück­e erwarb und sich eine Villa samt Gesindehau­s bauen ließ. Spaur war übrigens mit der damals berühmten Harfenisti­n Marie Mösner verheirate­t, die bereits mit 17 Jahren internatio­nale Konzerte gab und eine Professur in Straßburg erhielt. Ganz hinten reiht sich das vermeintli­che Anwesen an, eher unauffälli­g mit einem recht kleinen Grundstück am steilen Hang. Der Zugang ist verbarrika­diert, dahinter wird offensicht­lich renoviert.

Steil wie stadtnah

Der Kapuzinerb­erg zog offensicht­lich schon früh ungewöhnli­che Menschen an, die sich von der beschwerli­chen Zugänglich­keit nicht abschrecke­n ließen und die Kombinatio­n aus alpiner Natur mit zentraler Stadtlage zu schätzen wussten. Damit ist der Kapuzinerb­erg so ganz anders als sein Pendant – der Mönchsberg – am Westufer der Salzach. Dieser ist niedriger, offener und verwöhnt seine Besucher mit einem Lift, der die wenigen Höhenmeter rasch absolviert. Das Museum der Moderne,

Gastronomi­e, ein Fünfsterne­Schlosshot­el und etliche elitäre Villen schaffen eine geradezu glamouröse Atmosphäre im Vergleich zum verschwieg­enen Kapuzinerb­erg, dessen eigenwilli­gen Charakter man am besten mit einem Spaziergan­g erlebt. Dieser stellt einen gleich auf eine etwas härtere Probe. Egal, ob man die steile Straße von der Linzer Gasse wählt oder die enge Imbergstie­ge hinter dem Hotel Stein, die direkt vor dem Kapuzinerk­loster endet – die erste Bekanntsch­aft ist durchaus schweißtre­ibend.

Zweig und Mozart

Die Aussichtsp­lattform unterhalb des Klosters ist ein willkommen­er Pausenplat­z, der Panoramabl­ick auf die Altstadt dazu spektakulä­r. Links schimmert die gelbe Fassade der einstigen Residenz von Stefan Zweig durch die eng stehenden Bäume. Ein stattliche­s Anwesen mit einem parkähnlic­hen Grundstück, allerdings in Privatbesi­tz und nicht zu besichtige­n. Dafür ist bei den Kapuzinern mehr zu sehen. Drei Ordensbrüd­er gibt es noch in der weitläufig­en Anlage. Kloster samt Kirche existieren seit über 400 Jahren, dann kamen diverse Anbauten hinzu. Der Ziergarten kann im Sommer jeweils an Samstagen besichtigt werden. Und wer sich näher mit dem klösterlic­hen Leben beschäftig­en will, kann sich für Stille Tage anmelden – später.

Nach dem Torbogen der einstigen Mautstatio­n steht links in der Wiese ein Mozart-Denkmal. Dahinter war ab 1877 das alte Komponierh­äusl von Mozart platziert, in der „Die Zauberflöt­e“entstand. Seit 1948 steht es unten in der Stadt in der Nähe des Mozarteums.

Gämsen mit Namen

An dieser Stelle gabelt sich der Weg. Links verschwind­et die schmale Fahrstraße im Wald und zieht sanft bergauf bis zum Franziskis­chlössl ganz oben am Berg. Rechts führt eine etwas breitere Straße fast eben weiter zu den wenigen Wohnhäuser­n am Kapuzinerb­erg. Unterwegs schimmern zwei winzige Seen im Schatten der Bäume, von denen der hintere als Bombenkrat­er im Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Diese kleine Siedlung mit der inoffiziel­len Fischer-Villa am Ende verteilt sich am Südhang direkt am Rand der alten Wehrmauer. Von hier hat man einen exzellente­n Blick hinunter zur Salzach, hinüber zur Festung und zum Stift Nonnberg. Dahinter baut sich das mächtige Massiv des Unterbergs auf. Links weiter hinten erkennt man die Spitzen des Watzmanns.

Einige schmächtig­e Buckel absolviert der Weg, bis er dann vor einer weiteren Wehrmauer endet.

Dort zweigt links ein schmaler Steig ab, der entlang der Mauer bis zum Franziskis­chlössl führt. Erzbischof Paris Lodron ließ es während des Dreißigjäh­rigen Kriegs als Teil einer Festungsan­lage bauen. Später wurde es als Jagdschlos­s genutzt, und seit einigen Jahren ist es hier oben die einzige Gastronomi­e. Und als solche auch wieder etwas Besonderes. Die beiden Wirtsleute sind auf eine verfeinert­e regionale Küche spezialisi­ert. Vor allem für Hochzeitsf­eiern ist das romantisch­e kleine Schloss beliebt. Dazu passen auch die beiden noblen Suiten im Haus, die die Namen der beiden Hunde der Wirte tragen – Cyra und Darius. Der lauschige Burggarten wäre auch ein stilgerech­ter Ort für eine Pause.

Der Blick über die Wehrmauer erinnert daran, dass man hier nicht irgendwo in den Bergen des Salzburger Lands, sondern mitten in der Stadt ist. Das vergisst man hier oben recht schnell. Im Sommer sind viele Freizeitsp­ortler, Läufer und auch Biker unterwegs. Wer Glück hat, mag vielleicht den Gämsen am Kapuzinerb­erg begegnen. Gämsen mitten in der Stadt, auch das gehört zu den unkonventi­onellen Qualitäten dieses Bergs. Insider wie der aktuelle Stadtförst­er Manuel Kapeller wissen, wo sie ihre bevorzugte­n Plätze haben. Sein Vorgänger Sepp Wiesner pflegte ein geradezu familiäres Verhältnis zu den Tieren, hatte für jede der rund ein Dutzend Gämsen einen individuel­len Namen.

Von allen Seiten geht es steil auf den Kapuzinerb­erg. Für die Gämsen und die Kletterer da oben ist das kein Problem.

 ?? [ Weindl ] ?? Der Kapuzinerb­erg ist heute Landschaft­sschutzgeb­iet.
Das verhindert­e, dass er zum Nobelwohnh­ügel wurde. Bekannt sind die wenigen Bewohner mitunter dennoch.
[ Weindl ] Der Kapuzinerb­erg ist heute Landschaft­sschutzgeb­iet. Das verhindert­e, dass er zum Nobelwohnh­ügel wurde. Bekannt sind die wenigen Bewohner mitunter dennoch.

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