„Jetzt sagt keiner mehr Danke“
Marketing. Wie erlebten zwei junge Medienprofis das Umbruchsjahr 2020? Ihre Eindrücke erzählen die Geschichte der Pandemie aus Werbesicht.
Erst der Digitalhype, dann Corona – dass muss Spuren in Österreichs Werbeszene hinterlassen haben. Wie erlebten es die Jungen, die Wilden und Unkonventionellen? Lisa Riepl und Christoph Brenner (beide 27) sind Teamleads bei den Marketing Natives, dem „Netzwerk für Marketing-Enthusiasten“. Beide arbeiten hauptberuflich in Mediaagenturen. Hier sind ihre Gedanken zu 2020.
Klassische Medien zuerst . . .
„TV war stark“, fällt Riepl sofort ein. Die Menschen verfolgten den Ausbruch der Pandemie gebannt in den ORF-Nachrichten. Entsprechend eifrig wurde rundherum geworben. „Anfangs dankten alle Firmen ihren Mitarbeitern“, erinnert sie sich. Das lief sich rasch tot. „Heute sagt keiner mehr Danke.“
Den nächsten prägenden Eindruck hinterließ die Abkehr von fixen Jahresbudgets und vorgebuchten Kampagnen. „Es wusste ja keiner, wann der Handel aufsperren darf.“Für Agenturen hieß das, schneller, flexibler, improvisierter zu sein: „Ein Radiosprecher steckte im Ausland fest. Also wurde sein Spot aus früheren Aufnahmen zusammengeschnitten.“Niemand merkte es. Und Kampagnenverantwortliche standen vor schweren Entscheidungen: Kurzfristig buchen und womöglich keinen Slot mehr ergattern? Oder langfristig reservieren, lockdownbedingt absagen und Storno zahlen? Beeindruckt zeigt sich Brenner vom Weg des Möbelhandels. „Die haben es gut gemacht. Durchgehend Imagewerbung, und mit jeder Öffnung stürmten die Leute die Geschäfte.“
Neu am Horizont sieht er „Adressable TV“, wobei junge Familien andere Spots eingespielt bekommen als 50-plus-Haushalte. „Die Privatsender werden das machen.“Ähnliches erwartet er für digitale Außenwerbung, Out of Home genannt. „Am Bahnhof ein Spot über Speiseeis, wenn es heiß ist. Wenn es schüttet, über Regenschirme.“Out of Home war 2020 der große Verlierer: Niemand wollte draußen werben.
. . . doch digital ist King
Die Boommedien 2020 waren natürlich digital – und datengetrieben. Jeder Händler wollte plötzlich einen Webshop. Das geschmähte „Kaufhaus Österreich“ist für Brenner „ein Mahnmal, wie man am Konsumenten vorbeiplant“. Kleine Händler beruhigt er: „Ein guter Webshop kostet viel weniger.“
Je größer Unternehmen und Budget, desto aufwendiger sind die Algorithmen im Hintergrund. „Der Lebensmittelhandel fährt Preisaktionen wie immer. Zu welchem Zeitpunkt er sie aber digital ausspielt, das ist datengesteuert.“Idealerweise über das Smartphone (immer dabei) und kurz bevor der Konsument zum Wocheneinkauf aufbricht. Keine Illusion: Man weiß genau, wann er den erledigt.
Brenners Job ist, anhand von Nutzerdaten das Optimum aus Startseiten, Social Media, Google Ads und E-Mail-Marketing herauszuholen. Zielgruppen über Personae zu beschreiben ist Standard, Menschen personalisiert anzusprechen das große Ziel. Das kann schon jetzt, wer im Besitz kompletter Datensätze ist. Etwa der Elektromarkt, bei dem ein Konsument ein Notebook kauft und seine Daten nennt. Zwei Jahre später bekommt er wie zufällig Infos zum Nachfolgemodell. Rückt er seine Daten nicht heraus, wird er anonym Retargeting unterzogen. Die Windelkäuferin bekommt dann Anzeigen für Strampler auf GMX; der Jogger, der im Onlineshop Laufschuhe anschaut, aber nicht kauft, sieht sie plötzlich auf Instagram. Cookies sind omnipräsent, meint Riepl. Sie heißt es nicht gut: „Würden sich die User durchlesen, wo sie da zustimmen – sie würden es nicht tun.“