Von Kottan zu Sherlock Holmes D Krimi. Sein Vater, Helmut Zenker, gab mit Kottan den Weg in Richtung Krimi vor. Nun schreibt Tibor Zenker Geschichten über den englischen Meisterdetektiv.
arf man das überhaupt? Nicht aus rechtlicher Sicht, denn die Figur Sherlock Holmes ist mehr als 90 Jahre nach dem Tod von Autor Sir Arthur Conan Doyle gemeinfrei, sondern künstlerisch. „Ich bin dann zum Schluss gekommen, dass man es darf“, sagt Tibor Zenker. Immerhin sei Holmes fast schon eine historische Figur wie Robin Hood oder Doktor Faustus. Also schrieb Zenker eben seine eigenen Geschichten über den englischen Meisterdetektiv und seinen Assistenten, Dr. Watson.
„Dazu kam es eher zufällig bis unfreiwillig.“Sein Bruder, Jan, betreibt einen Hörbuchverlag. „Er ist mit der Idee auf mich zugekommen.“Zunächst erschienen die Kurzgeschichten als Hörbücher, unter anderem auf Spotify. „Da hat sich gezeigt, dass es einen erstaunlichen Publikumsbedarf gibt.“An die 200.000 Mal wurde jeder der Kurzkrimis heruntergeladen. Und da der Erfolg so groß war, kam dann der Entschluss, die Geschichten auch als Buch herauszubringen.
Der Sarg von Karl Marx
„Sherlock Holmes und die ägyptische Mumie“, die erste Holmes-Geschichte, die Zenker schrieb, ist der Titel. Sechs Episoden gibt es in dem Buch, wie im Original aus der Sicht von Watson erzählt. Genau das sei ja die Übergeschichte, dass Watson Aufzeichnungen über Fälle macht, die er teils noch gar nicht veröffentlichen darf. „Stilistisch habe ich nicht versucht, etwas zu kopieren“, sagt Zenker, „aber natürlich geht es darum, eine Sprache anzudeuten, die irgendwie ins viktorianische England passen würde.“
„Meine Ideen sind um diese Zeit gekreist – was hat es da gegeben. Und da war dann plötzlich die Mumie als Eingebung.“In der Geschichte ver
schwindet kurz vor der Eröffnung einer Ausstellung eine Mumie aus einem ägyptischen Sarkophag. Ein Motiv, das sich in ähnlicher Form auch in einer weiteren Episode findet – nur, dass es hier um den Leichnam von Karl Marx geht, der kurz vor seiner Bestattung verschwindet. Vielleicht, meint Zenker, ist da ja das morbide Wienerische in ihm durchgekommen.
Dass tatsächlich in der damaligen Zeit lebende Figuren in den Geschichten vorkommen, ist übrigens Absicht. „In einem historischen Krimi kann man solche spaßigen Sachen machen“, meint der Autor. Und in einigen Passagen vermeint man auch Zenkers politische Einstellung als prononcierter Linker herauszulesen – wenn Holmes etwa das „Kapital“durchblättert und analysiert: „Wenn das stimmt, was da drinnen steht, dann verfügt unser gegenwärtiges Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in der Tat über keinerlei weitere Legitimation.“
War Sherlock Holmes womöglich selbst Sozialist? „Das war er keines
falls“, meint Zenker. Sehr wohl habe die Figur aber einen Zugang zur einfachen Bevölkerung gehabt und den Wunsch nach Gerechtigkeit für benachteiligte Menschen. „Aber letztlich ist Holmes kein politischer Mensch.“
Conan Doyles Figur sei aber schon damals zukunftsweisend gewesen, meint Zenker. Seine wissenschaftliche Ermittlungsmethode führte auch den Weg zu aktuellen Serien zu Kriminal
technik und Forensik. Und Holmes und Watson seien der Prototyp des Ermittlerduos, das sich bis in heutige Krimis weiterzieht – als Beispiel nennt er auch Kottan und Schrammel. Womit er auch das Werk seines Vaters ins Spiel bringt: Der 2003 verstorbene Helmut Zenker hat den Weg seiner Söhne in Richtung Krimi mitgeprägt.
Nach seinem Tod machten sie mit der legendären Figur des Major Adolf Kottan unter anderem Theaterstücke am Rabenhof, einen Kinofilm und ein Buch. Der Hörbuchverlag von Bruder Jan spezialisierte sich schließlich auf das Genre. „Dass man dann auf Holmes kommt, ist irgendwie aufgelegt. Obwohl ich gar nicht so der große Krimi-Fan bin“, meint Tibor Zenker.
„Reichlich unsympathisch“
Vater Helmut Zenker selbst mochte den Detektiv übrigens nicht – als „obergescheit“bezeichnete er ihn etwa in den 1990er-Jahren in seinem Text „Das ewige Duo“, und als „reichlich unsympathisch“. Und für den Kriminalroman hätten „Holmes und Conan Doyle mittlerweile ausgedient“.
Sein Sohn sieht das offenbar anders. Pro Monat entstehen ein bis zwei neue Geschichten als Hörbuchfassung. Und auch vom gedruckten Buch sind schon zwei weitere Bände angekündigt. Man darf also offenbar weiter Bücher über Sherlock Holmes schreiben – und Tibor Zenker macht es eben.