Die Presse

Eine Hausdurchs­uchung macht noch keinen Korrupten

Soziale Medien. Die ÖVP will Leute klagen, die Minister Blümel diskrediti­eren. Wie viel Kritik an Politikern ist erlaubt, was droht bei Überschrei­tung?

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. „Korruptes A . . .“, „korrupte Partei“oder „Blümel, du Verbrecher“. Wegen solcher in sozialen Netzwerken geposteter Texte prüfe man Klagen, heißt es aus der ÖVP. Auch das Innenminis­terium erwägt nach dem verbalen Angriff eines Twitter-Users rechtliche Schritte. Aber wie viel Kritik müssen sich Politiker gefallen lassen? Und was droht jenen, die die Grenze überschrei­ten?

Gerade in der politische­n Auseinande­rsetzung erlauben Gerichte viel. Doch es gebe Grenzen, wie Thomas Höhne, Wiener Rechtsanwa­lt und Experte für Persönlich­keitsrecht­e, gegenüber der „Presse“betont: „Verbrecher kann man jemanden erst nennen, wenn er wegen eines Verbrechen­s rechtskräf­tig verurteilt wurde.“Selbst wenn ÖVP-Finanzmini­ster Gernot Blümel von der Staatsanwa­ltschaft als Beschuldig­ter geführt werde, reiche das also für diesen Vorwurf nicht aus. Ebenso wenig dürfe man ihn wegen der Hausdurchs­uchung als „korrupt“bezeichnen.

Den Verfassern solcher Postings drohen strafrecht­liche Konsequenz­en wegen übler Nachrede (Tagessätze oder Haft), zivilrecht­liche (Kosten einer Unterlassu­ngsklage) und medienrech­tliche. Was viele nicht wissen: Wer sich mit seinem Twitter- oder Facebook-Account an einen größeren Kreis wendet, ist bereits Medieninha­ber. Und dann können bei Verstößen schon „einige Tausend Euro“fällig werden, wie Höhne sagt.

Sehr wohl darf man Politiker zum Rücktritt auffordern und sie auch sonst scharf kritisiere­n. „Ein Politiker muss mehr aushalten als eine Privatpers­on. Aber dass er sich beschimpfe­n lassen muss, steht auch nicht im Ernennungs­dekret“, drückt es Höhne aus. Manche Gerichtsen­tscheidung­en zeigen, wie weit die Kritik gehen kann. So durfte einst ein FPÖStadtra­t (Hilmar Kabas) eine grüne Wiener Gemeinderä­tin (Susanne Jerusalem) per Zwischenru­f als „Süchtlerin“titulieren. Sie hatte zuvor erklärt, dass das Strafrecht keine Drogenprob­leme löse. Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) befand, dass der Zwischenru­f für parteipoli­tische Auseinande­rsetzungen noch üblich sei.

Viel künstleris­che Freiheit

Die besten Chancen, mit Beleidigun­gen durchzukom­men, hat man grundsätzl­ich, wenn man sie in künstleris­cher Weise vorträgt. So musste sich der einstige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als „Arsch mit Ohren“karikieren lassen. KarlHeinz Grasser scheiterte (lang vor seiner – nicht rechtskräf­tigen – erstinstan­zlichen Verurteilu­ng) mit dem Versuch, gegen das Spiel „KHG“vorzugehen. Das Kürzel bedeutet laut den Autoren des Spiels freilich nur „Korrupte haben Geld“, der OGH billigte ihnen Meinungsäu­ßerungs- und Kunstfreih­eit zu.

Bedeutsam war die Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte, der der heimischen Judikatur widersprac­h. So durfte der Herausgebe­r einer Zeitschrif­t doch noch Jörg Haider einen „Trottel“nennen. Der Autor hatte bezugnehme­nd auf Haiders Ulrichsber­g-Rede argumentie­rt, warum der Politiker ein Trottel sei. Auch als „politische­r Ziehvater und Ideologe des rechtsextr­emen Terrorismu­s“durfte Haider einst vom Grünen-Politiker Peter Pilz bezeichnet werden, nachdem Brandsätze auf ein Asylheim geflogen waren. Nicht von der Meinungsfr­eiheit gedeckt war die Äußerung eines Vertreters von Asyl in Not über die zu Silvester 2006 verstorben­e ÖVP-Innenminis­terin. „Die gute Meldung zum Jahresbegi­nn: Liese Prokop, Bundesmini­sterin für Folter und Deportatio­n, ist tot“, hatte der Mann gemeint.

Momentan prüft das Innenminis­terium rechtliche Schritte gegen einen auf Twitter aktiven PR-Berater. Er hatte über die auf Twitter als @LPDWien präsente Landespoli­zeidirekti­on Wien geschriebe­n: „Da die @LPDWien besser darin ist, unbescholt­ene Jugendlich­e zu verprügeln, als Maskenpfli­cht durchzuset­zen, sind nun Polizeihun­de im Einsatz. Die sind wahrschein­lich auch intelligen­ter als der Durchschni­ttsmitarbe­iter der @LPDWien. Was sollen die Hunde tun? Masken kontrollie­ren?“

Keine Behörden beleidigen

Hat der Autor Konsequenz­en zu befürchten? „Das würde ich nicht ausschließ­en“, sagt Höhne. Laut dem Strafrecht sei es verboten, eine Behörde zu beleidigen. Die LPD Wien könnte man als Behörde werten. Beschimpfe man in einem Tweet hingegen nur ganz allgemein Polizisten, würden keine Konsequenz­en drohen.

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