Eine Hausdurchsuchung macht noch keinen Korrupten
Soziale Medien. Die ÖVP will Leute klagen, die Minister Blümel diskreditieren. Wie viel Kritik an Politikern ist erlaubt, was droht bei Überschreitung?
Wien. „Korruptes A . . .“, „korrupte Partei“oder „Blümel, du Verbrecher“. Wegen solcher in sozialen Netzwerken geposteter Texte prüfe man Klagen, heißt es aus der ÖVP. Auch das Innenministerium erwägt nach dem verbalen Angriff eines Twitter-Users rechtliche Schritte. Aber wie viel Kritik müssen sich Politiker gefallen lassen? Und was droht jenen, die die Grenze überschreiten?
Gerade in der politischen Auseinandersetzung erlauben Gerichte viel. Doch es gebe Grenzen, wie Thomas Höhne, Wiener Rechtsanwalt und Experte für Persönlichkeitsrechte, gegenüber der „Presse“betont: „Verbrecher kann man jemanden erst nennen, wenn er wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.“Selbst wenn ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel von der Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt werde, reiche das also für diesen Vorwurf nicht aus. Ebenso wenig dürfe man ihn wegen der Hausdurchsuchung als „korrupt“bezeichnen.
Den Verfassern solcher Postings drohen strafrechtliche Konsequenzen wegen übler Nachrede (Tagessätze oder Haft), zivilrechtliche (Kosten einer Unterlassungsklage) und medienrechtliche. Was viele nicht wissen: Wer sich mit seinem Twitter- oder Facebook-Account an einen größeren Kreis wendet, ist bereits Medieninhaber. Und dann können bei Verstößen schon „einige Tausend Euro“fällig werden, wie Höhne sagt.
Sehr wohl darf man Politiker zum Rücktritt auffordern und sie auch sonst scharf kritisieren. „Ein Politiker muss mehr aushalten als eine Privatperson. Aber dass er sich beschimpfen lassen muss, steht auch nicht im Ernennungsdekret“, drückt es Höhne aus. Manche Gerichtsentscheidungen zeigen, wie weit die Kritik gehen kann. So durfte einst ein FPÖStadtrat (Hilmar Kabas) eine grüne Wiener Gemeinderätin (Susanne Jerusalem) per Zwischenruf als „Süchtlerin“titulieren. Sie hatte zuvor erklärt, dass das Strafrecht keine Drogenprobleme löse. Der Oberste Gerichtshof (OGH) befand, dass der Zwischenruf für parteipolitische Auseinandersetzungen noch üblich sei.
Viel künstlerische Freiheit
Die besten Chancen, mit Beleidigungen durchzukommen, hat man grundsätzlich, wenn man sie in künstlerischer Weise vorträgt. So musste sich der einstige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als „Arsch mit Ohren“karikieren lassen. KarlHeinz Grasser scheiterte (lang vor seiner – nicht rechtskräftigen – erstinstanzlichen Verurteilung) mit dem Versuch, gegen das Spiel „KHG“vorzugehen. Das Kürzel bedeutet laut den Autoren des Spiels freilich nur „Korrupte haben Geld“, der OGH billigte ihnen Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit zu.
Bedeutsam war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der der heimischen Judikatur widersprach. So durfte der Herausgeber einer Zeitschrift doch noch Jörg Haider einen „Trottel“nennen. Der Autor hatte bezugnehmend auf Haiders Ulrichsberg-Rede argumentiert, warum der Politiker ein Trottel sei. Auch als „politischer Ziehvater und Ideologe des rechtsextremen Terrorismus“durfte Haider einst vom Grünen-Politiker Peter Pilz bezeichnet werden, nachdem Brandsätze auf ein Asylheim geflogen waren. Nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt war die Äußerung eines Vertreters von Asyl in Not über die zu Silvester 2006 verstorbene ÖVP-Innenministerin. „Die gute Meldung zum Jahresbeginn: Liese Prokop, Bundesministerin für Folter und Deportation, ist tot“, hatte der Mann gemeint.
Momentan prüft das Innenministerium rechtliche Schritte gegen einen auf Twitter aktiven PR-Berater. Er hatte über die auf Twitter als @LPDWien präsente Landespolizeidirektion Wien geschrieben: „Da die @LPDWien besser darin ist, unbescholtene Jugendliche zu verprügeln, als Maskenpflicht durchzusetzen, sind nun Polizeihunde im Einsatz. Die sind wahrscheinlich auch intelligenter als der Durchschnittsmitarbeiter der @LPDWien. Was sollen die Hunde tun? Masken kontrollieren?“
Keine Behörden beleidigen
Hat der Autor Konsequenzen zu befürchten? „Das würde ich nicht ausschließen“, sagt Höhne. Laut dem Strafrecht sei es verboten, eine Behörde zu beleidigen. Die LPD Wien könnte man als Behörde werten. Beschimpfe man in einem Tweet hingegen nur ganz allgemein Polizisten, würden keine Konsequenzen drohen.