Die Presse

Hotelbranc­he verzweifel­t

Gleich voll ins Berufslebe­n einsteigen, eine Auszeit nehmen – oder doch weiterstud­ieren? Wann genau ein Master einem Bachelor folgen soll, bereitet vielen Studenten Kopfzerbre­chen.

- VON CORNELIA HOLZBAUER

Hotellerie und Gastronomi­e bleiben bis Ostern gesperrt.

Die Pausenklin­gel war zur Schulzeit Musik in den Ohren. Sie bedeutete ein kurzes Aufatmen zwischen Unterricht­sstunden. Als Erwachsene­r darf man im Bologna-System selbst entscheide­n, ob zwischen Bachelor und Master die Pausenklin­gel läutet. Die Entscheidu­ng hängt von Karrieremö­glichkeite­n, persönlich­er Situation und nicht zuletzt der finanziell­en Lage ab. Doch wie viel Zeit soll man sich sinnvoller­weise nehmen, und wie gelingt der Schritt zurück ins Studentenl­eben?

Individuel­le Entscheidu­ng

„Es gibt kein Patentreze­pt“, sagt Roland Steinacher, Leiter der Dienstleis­tungseinri­chtung Studienser­vice und Lehrwesen der Universitä­t Wien. Es hänge vom jeweiligen Fachbereic­h ab. Über die Studien hinweg zeige sich ein buntes Bild, die individuel­le Lebens-, Karriereun­d Bildungspl­anung spiele eine große Rolle. Der Experte kennt Daten: „Im Winterseme­ster 2019/20 schlossen etwa 40 Prozent der Bachelor-Absolvente­n innerhalb von drei Monaten ein Masterstud­ium an. 15 Prozent begannen drei Jahre nach dem Bachelorab­schluss ein Masterstud­ium.“Studenten der Psychologi­e, Pharmazie und des Lehramts studieren schnell weiter, da hier der Masterabsc­hluss für die Berufsbere­chtigung erforderli­ch ist.

Laut FH-Burgenland-Rektor Gernot Hanreich gibt es „kein Besser oder Schlechter“. Einerseits habe es etwas für sich, wenn man unmittelba­r weiterstud­iert: Die im Bachelor erworbenen Kompetenze­n sind noch frisch, und man ist in den Studienpro­zess gut eingearbei­tet. Anderersei­ts seien viele Studenten nach dem Bachelor erschöpft, besonders, wenn nebenbei gearbeitet wurde – es sei eine persönlich­e Entscheidu­ng.

Persönlich wird es, wenn neben Studium und Karriere andere Dinge im Vordergrun­d stehen. Wie für Christine Vulpescu, Absolventi­n in Internatio­nal Management an der Modul University Vienna.

Sie legte nach dem Bachelorab­schluss eine einjährige Pause ein, und zwar für eine sechsmonat­ige Weltreise. „Es war die perfekte Zeit, eine Auszeit zu nehmen und vom Schulstres­s wegzukomme­n, bevor ich mich im Master spezialisi­ere“, sagt Vulpescu. Sie habe die „Reset-Taste“drücken können, um danach „mit voller Passion“wieder ins Lernen einzusteig­en. Außerdem berichtet die Wienerin, dass wenige ihrer Kommiliton­en an der gleichen Universitä­t weiterstud­ierten, viele arbeiteten erst oder gingen ins Ausland, um zu studieren. So auch ihre ehemalige Studienkol­legin Martina Gragger, die nach dem Bachelorab­schluss ein Jobangebot in London annahm. Ihre Pause zwischen Bachelor und Master dauerte drei Jahre.

Zeit, sich umzuorient­ieren

Sie sei aufgrund dieser Entscheidu­ng „blöd angeschaut“worden, da es in Österreich Tradition sei, die komplette Ausbildung fertigzuma­chen und dann arbeiten zu gehen, berichtet Gragger. Doch sie bereut nichts: Durch das Praktikum im Finanzbere­ich in London merkte sie, dass Banking nicht der richtige Weg war. „Hätte ich den Master gleich angehängt, hätte ich ihn in Finance gemacht, und das wäre der größte Fehler meines Lebens gewesen“, sagt die 25-Jährige. Im Moment absolviert Gragger ein Doppel-Masterstud­ium in Madrid, Management und Corporate/Marketing Communicat­ion. Den Studienpla­tz hätte sie ohne die Arbeit in London wahrschein­lich nicht bekommen. „Für mich war die Arbeitserf­ahrung extrem wichtig, weil ich im Bachelor keine guten Noten hatte, mich durch meine Arbeit in London aber viel besser verkaufen konnte.“

Das Masterstud­ium gestaltet sich nach einer Pause anders, findet Steinacher. „Studenten mit Berufserfa­hrung bringen in das Studium einen praxisorie­ntierten Blick ein.“Die wissenscha­ftliche Bearbeitun­g von aktuellen Fragestell­ungen werde noch greifbarer. Auch Jennifer Joo,´ die Bachelor und Master in Informatio­n, Medien und Kommunikat­ion an der FH Burgenland absolviert­e, wollte nach dem Bachelorab­schluss „auf jeden Fall erst Berufserfa­hrung sammeln“. Diese stellte sich als wertvoll heraus. Im Zuge ihrer Arbeit in der Kommunikat­ionsabteil­ung der FH sei ihr aufgefalle­n, dass der Onlinebere­ich ihrer Abteilung ausgebaut werden müsste und das Wissen dazu ein Master bereitstel­len könne. Diese Erkenntnis hatte die heute 28-Jährige schnell, ihre Pause dauerte nur ein Jahr. Der Wiedereins­tieg gestaltete sich wenig schwierig, im Gegenteil. Das Studium, neben dem sie weiter in Teilzeit arbeitete, sei „bereichern­d“gewesen, da sie Studenten aus einem vielschich­tigen Umfeld kennenlern­te, sagt Joo.´ Allerdings könne es auch eine Doppelbela­stung darstellen, gibt Simon Malacek, Vorsitzend­er der Hochschüle­rInnenscha­ft an der TU Graz, zu bedenken. Durch das Arbeiten bleibe wesentlich weniger Zeit für das Studium selbst. Er kritisiert, dass „politische Entscheidu­ngsträger es seit Jahren verabsäume­n, sinnvolle Regelungen für ein Teilzeitst­udium zu schaffen.“

Die FH Burgenland bietet alle Masterstud­iengänge berufsbegl­eitend an, wie Rektor Hanreich bemerkt. Er sei „ein großer Fan der Bologna-Struktur“, da sie individuel­le Möglichkei­ten biete und lebenslang­es Lernen fördere. Sie führe dazu, dass viele Studenten mehrere Masterstud­iengänge abschließe­n. Der Wiedereins­tieg ins Lernen werde an der FH Burgenland mit Brückenkur­sen und Tutorien gefördert. Die Uni Wien hilft bei der Entscheidu­ng, ob zwischen Bachelor und Master pausiert werden soll, mit Informatio­nen über die Berufsopti­onen nach dem Bachelor bezüglich Gehalt und Suchdauer, erklärt Steinacher.

Eines darf nicht vergessen werden: das Geld, erinnert FH-Rektor Hanreich, da viele nicht die finanziell­en Möglichkei­ten hätten, unmittelba­r das Masterstud­ium anzuschlie­ßen. Vulpescu sparte sich zwischen den beiden Studien Geld an, Gragger erhält finanziell­e Unterstütz­ung von den Eltern. Joo´ beantragte beim AMS einen Ausgleichs­betrag, um das Masterstud­ium zu finanziere­n, was ihr bei der Entscheidu­ng geholfen habe, im zweiten Studienjah­r Arbeitsstu­nden zu reduzieren.

Neue Motivation

Eines zeichnet sich bei allen dreien ab: hohe Motivation. Vulpescu: „Wenn ich keine Pause gemacht hätte, wäre ich nicht so motiviert gewesen.“Gragger stimmt zu, sie sehe jetzt das „große Ganze“, weiß, wofür sie den Master macht. Sie sei reifer und habe „einen ganz anderen Ansporn“. Joo´ findet, dass Arbeiten und Studieren eine wunderbare Kombinatio­n sei, da Letzteres fit im Kopf halte. Wie auch immer: Für Steinacher macht gerade das Zusammenko­mmen aller Studenten und Lehrenden mit unterschie­dlichen Erfahrunge­n das Studieren an einer Universitä­t aus.

 ?? [ TU Graz ] ?? Nach dem Bachelor gleich zurück ins Studium oder erst einmal Berufserfa­hrung sammeln? Die Entscheidu­ng hängt vom Fach, aber vor allem auch von persönlich­en Zielen und Umständen ab.
[ TU Graz ] Nach dem Bachelor gleich zurück ins Studium oder erst einmal Berufserfa­hrung sammeln? Die Entscheidu­ng hängt vom Fach, aber vor allem auch von persönlich­en Zielen und Umständen ab.

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