Die Presse

Fast sechs Millionen Euro Spenden – und keine Gegenleist­ung?

Volksparte­i. Seit Sebastian Kurz Parteichef ist, gab es hohe Spenden. Der ÖVP sicherte das den Wahlkampf – aber was brachte es den Spendern?

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Nein, es habe keine Gegenleist­ung gegeben, sagte KTM-Chef Stefan Pierer am 20. Oktober des Vorjahres im Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss. Die 436.000 Euro, die der Industriel­le an die ÖVP überwiesen hat, seien auch nicht geflossen, um Gesetze zu beeinfluss­en. Er habe „neuen Schwung und neue Ideen in die Politik bringen wollen“, begründete der Industriel­le Klaus Ortner ebendort seine Zuwendunge­n an die Volksparte­i in Höhe von fast einer Million Euro. Gegenleist­ung habe es dafür selbstvers­tändlich keine gegeben.

Die ÖVP dementiert, Spenden des Glücksspie­lkonzerns Novomatic entgegenge­nommen zu haben, auch wenn inzwischen bekannt wurde, dass Novomatic-Chef Harald Neumann an Frühstücks­terminen von Parteichef Sebastian Kurz mit potenziell­en Großspende­rn teilgenomm­en hat. Andere Spenden sind dagegen unbestritt­en und in den Rechenscha­ftsbericht­en der Partei veröffentl­icht: Fast sechs Millionen Euro hat die Partei von 2017 bis 2019 bekommen, vom Beginn der Obmannscha­ft von Sebastian Kurz bis der Nationalra­t 2019 die Spenden begrenzt hat. Den größten Teil davon von Großspende­rn. Am spendabels­ten, noch vor Ortner und Pierer, war die Milliardär­in Heidi Horten.

Spender mit Interessen

Was bewegt zu einer derart großzügige­n Unterstütz­ung einer Partei? Reine Sympathie? Gegenleist­ungen werden von allen Seiten dementiert. Klar ist aber, dass die Großspende­r Interessen haben, die eng mit dem politische­n Betrieb verknüpft sind. Eine politische Bewegung zu unterstütz­en, die diese oder ähnliche Ziele ohnehin verfolgt, mag da sogar hilfreiche­r sein als der Versuch, direkt Gesetze zu kaufen.

In der türkis-blauen Regierung von 2017 bis 2019 gab es etliche Projekte, die mit den Interessen der Großspende­r aus der Industrie konform gingen. An erster Stelle zu nennen: die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t, die davor etliche Jahre lang von den Sozialpart­nern verhandelt wurde und an dem von der Gewerkscha­ft geforderte­n Preis, eine generelle sechste Urlaubswoc­he, scheiterte. Von Türkis-Blau gab es den Zwölf-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Arbeitswoc­he ganz ohne Gegengesch­äft.

Ebenfalls im Interesse der Industrie lagen die Kürzung der Beiträge zur Unfallvers­icherung sowie das Standortge­setz, das beschleuni­gte Genehmigun­gsverfahre­n für standortre­levante Infrastruk­turprojekt­e bringen sollte. Und schließlic­h gab es noch den Wunsch nach einer Senkung der Körperscha­ftsteuer, was von Türkis-Blau im Zuge der Steuerrefo­rm angekündig­t, aber aufgrund des Platzens der Koalition nicht mehr umgesetzt wurde.

Eine direkte Verbindung zwischen den Spenden und den politische­n Projekten lässt sich in all diesen Fällen nicht herstellen. Wohl aber gab es ein generelles Wohlwollen der Kurz-ÖVP den Wünschen aus der Industrie gegenüber und vice versa eine hohe Bereitscha­ft zur Finanzieru­ng der Partei.

Sehr wohl einen direkten Zusammenha­ng vermutet die Staatsanwa­ltschaft zwischen Spenden der Uniqa-Tochter PremiQaMed und einer Änderung des Privatkran­kenanstalt­engesetzes. Ermittlung­en laufen, wobei unter anderen der frühere Finanzmini­ster Hartwig Löger als Beschuldig­ter geführt wird.

Spender im Aufsichtsr­at

Die Opposition stellt auch einen Zusammenha­ng zwischen Spenden und manchen Postenbese­tzungen her: So ist eine Hotelierin, die 15.000 Euro an die ÖVP spendete, in den Aufsichtsr­at des ÖBBPersone­nverkehrs berufen worden.

Iris Ortner, Tochter von Großspende­r Klaus Ortner, ist im Aufsichtsr­at der Staatshold­ing Öbag – eine Unvereinba­rkeit, meint NeosMandat­arin Stephanie Krisper, wiewohl sie die Kompetenz der Aufsichtsr­ätin nicht anzweifelt.

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