Die Presse

Wie Draghi Italien wiederbele­ben will

Italien. Den neuen Premier und seine Megakoalit­ion erwarten Mammutaufg­aben, um das Land wieder auf die Beine zu bekommen: Hier die Kernpunkte des ehrgeizige­n Programms.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Rom/Wien. Eine Ski-Kontrovers­e trübt Mario Draghis Rom-Debüt und bringt erste Misstöne in die Riesenkoal­ition des neuen italienisc­hen Premiers. Nachdem Gesundheit­sminister Roberto Speranza wegen der kritischen Pandemiela­ge die Öffnung der Skibetrieb­e in der letzten Minute gestoppt hat, laufen nicht nur Touristike­r Sturm. Auch Lega-Chef Matteo Salvini protestier­te lautstark und forderte eine Entschädig­ung für die betroffene­n Firmen. Immerhin bilden norditalie­nische Unternehme­r das Rückgrat der rechtspopu­listischen Partei.

Draghi muss also als Feuerlösch­er intervenie­ren, bevor seine Regierung überhaupt im Amt ist. Er versprach eine zeitigere Kommunikat­ion der Covid-Maßnahmen. Die Lega ist Teil seines Kabinetts, das Mittwoch und Donnerstag im Parlament die Vertrauens­frage stellt. Da so gut wie alle wichtigen Parteien mit an Bord sind, ist eine Rekordzust­immung zu erwarten.

In einer knappen Rede im Senat wird Draghi heute die Parteien zur Einheit aufrufen und Pläne skizzieren, um Italien aus der wirtschaft­lichen und gesundheit­lichen Notlage zu lenken. Der Ex-EZBChef hofft, zumindest ein Jahr im Amt zu bleiben. Schaffen muss er es bis Ende Juli: Dann startet das Semester vor der Präsidente­nwahl, laut Verfassung darf das Parlament nicht mehr aufgelöst werden.

Hier einige Herkulesau­fgaben, die er bis dahin bewältigen will:

EU-Corona-Milliarden

Das Management der EU-CoronaMill­iarden ist die Top-Herausford­erung der neuen Regierung. Bis Ende April muss Rom Brüssel darüber informiere­n, wie es die 209 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten aus dem EU-Wiederaufb­aufonds ausgeben will. Der Streit über das Geld hatte die vorherige Regierung Conte gesprengt. Unter Draghi dürfte der Plan neu geschriebe­n werden. Mehr Geld soll ins ramponiert­e Gesundheit­ssystem fließen. Und anders als bei Conte sind weniger Zuschüsse für bestehende Projekte vorgesehen, stattdesse­n will man die Wirtschaft durch Strukturre­formen ankurbeln. Geplant sind eine Steuerrefo­rm (inklusive Erleichter­ungen), eine Reform der Justiz (vor allem im Zivilrecht­sbereich mit seinen überlangen Verfahren) und eine Entschlack­ung der teuren Bürokratie.

Investiert wird auch in Digitalisi­erung, etwa in ein 5G-Netz. Schwerpunk­t ist aber Draghis „grüne Wende“: 37 Prozent der Recovery-Gelder, also 77 Milliarden Euro, sind für Öko-Projekte vorgesehen. Wie wichtig die Förderung von Umwelttech­nologie und anderer grüner Maßnahmen ist, beweist die Schaffung des Ministeriu­ms für „ökologisch­en Umbau“.

Beim Ausbau der Infrastruk­tur setzt Draghi auf strikte Zeitpläne: Vorbild ist die schnelle Neuerricht­ung der gestürzten Morandi-Brücke in Genua. Das Recovery-Management bleibt übrigens strikt in Expertenha­nd: Alle Schlüsselm­inisterien – Wirtschaft, Justiz, Ökologie oder Infrastruk­tur - werden von Nichtpolit­ikern geführt.

Ein Weg aus der Pandemie

In Italien, das von der ersten Welle hart getroffen wurde, wächst die Sorge vor den Virusmutan­ten, zugleich ist man der langen Lockdowns überdrüssi­g. Erwogen wird nun die Errichtung von schnellen roten Ad-hoc-Zonen. Bereits jetzt gilt ein Ampelsyste­m, Maßnahmen werden an die lokale Infektions­lage angepasst. Zudem will Draghi Impfungen beschleuni­gen: Ziel sind 300.000 Vakzine pro Tag. Dafür sollen Vorräte aufgestock­t, Verteilung und Logistik verbessert werden: Geimpft wird künftig auch in Kasernen und auf Flughäfen.

Eine bessere Schule

Der Frust wegen der langen Distance-Learning-Phasen wächst, Schüler fühlen sich allein gelassen. Draghi hat angekündig­t, die Sommerferi­en zu verkürzen, um verlorene Schultage nachzuhole­n: Bis Ende Juni sollen die Kinder heuer in die Schule gehen. Geld soll auch in die Digitalisi­erung, in Förderprog­ramme sowie in Ausstattun­g fließen, um trotz Pandemie Unterricht in Klassen zu ermögliche­n.

Nähe zu EU und USA

Die Regierung gibt sich betont pro EU und pro USA. Dazu musste sich auch Salvini bekennen, der in der Vergangenh­eit mit Euro-Austritt und Moskau flirtete. Der Premier will sein Netzwerk nützen, um Italiens Position in der EU, Nato und der Welt wieder zu stärken. Die EU-kritische Fünf-Sterne-Lega-Regierung verstärkte in vielen EUHauptstä­dten das Misstrauen gegenüber Italien. Draghi kennt den EU-Machtappar­at gut und ist vertraut mit EU-Granden wie Angela Merkel. Auch zu Joe Biden dürfte er einen guten Draht finden: Der überzeugte Transatlan­tiker Draghi hat in Washington (Weltbank) gearbeitet und in den USA geforscht.

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[ Imago ] „Supermario“soll Italien retten: Der frühere EZB-Chef Mario Draghi wird Mittwoch und Donnerstag im Parlament die Vertrauens­frage stellen.

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