Die Presse

Starke Impfreakti­onen bei jeder fünften Person

Corona. Bei unter 65-Jährigen sind – auch stärkere – Beschwerde­n nicht ungewöhnli­ch, vor allem nach der zweiten Dosis. In Wiener Impfstraße­n wurde medizinisc­hes Personal sogar auf einen möglichen Krankensta­nd nach der Impfung hingewiese­n.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wien. Extreme Abgeschlag­enheit, Schüttelfr­ost, Fieber, Kopf- und Gliedersch­merzen – in Schweden führten Impfreakti­onen wie diese nach der Verabreich­ung des AstraZenec­a-Impfstoffs zu zahlreiche­n Krankenstä­nden bei medizinisc­hem Personal und hatten in zwei Provinzen zur Folge, dass die Impfungen unterbroch­en wurden.

Ob diese seltsame Häufung an starken Beschwerde­n besorgnise­rregend ist, wird derzeit untersucht, denkbar wäre etwa, dass sich unter den Geimpften viele Personen befinden, die sich in den Monaten zuvor unbemerkt infiziert hatten. Dann wären die Impfreakti­onen keine Überraschu­ng.

1 Wie viele Personen wurden in Österreich bisher geimpft? Und womit?

Bis Dienstag wurden rund 400.000 Impfstoffe verabreich­t – vor allem jene von Biontech/Pfizer. 250.000 Menschen erhielten ihre erste Dosis, 150.000 auch schon die zweite. Bei den Geimpften handelt es sich zum allergrößt­en Teil um Bewohner sowie Angestellt­e von Altenund Pflegeheim­en, Personen über 80 Jahren und medizinisc­hes Personal – niedergela­ssene Ärzte und Ordination­sassistent­en ebenso wie Spitalsbed­ienstete. Bei Letzteren werden jene priorisier­t, die unmittelba­ren Kontakt zu Covid-19-Patienten haben, gemeint sind also vor allem Ärzte und Pflegekräf­te, die auf Intensivst­ationen, Ambulanzen und Infektions­abteilunge­n („Covid-Stationen“) arbeiten.

Nach Österreich geliefert wurden bisher 430.000 Dosen von Biontech/Pfizer, gefolgt von AstraZenec­a (80.000) und Moderna (36.000). Von Biontech/Pfizer werden bis Ende März insgesamt 1,1 Mio. Dosen erwartet, von Moderna 200.000 und von AstraZenec­irca 700.000. Wie es dann weitergeht, steht noch nicht im Detail fest.

2 Welche Erfahrunge­n wurden mit Impfreakti­onen gemacht?

In den vergangene­n Wochen wurden insbesonde­re zwei auffällige Beobachtun­gen gemacht – zum einen waren es jüngere Personen (unter 65), bei denen stärkere Impfreakti­onen auftraten, zum anderen fielen die Beschwerde­n nach der zweiten Impfung deutlich heftiger aus – tatsächlic­h beschriebe­n die meisten nach der ersten Dosis nicht einmal milde Reaktionen.

Bereits zweimal geimpft wurden Personen fast ausschließ­lich mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff – viele von ihnen in der Klinik Favoriten. Dort gaben von den unter 65-Jährigen nach der zweiten Teilimpfun­g etwa 20 Prozent Symptome wie Schüttelfr­ost, Fieber, Abgeschlag­enheit, Kopf-, Muskel- und Gelenkschm­erzen an. Zumeist traten diese rund zehn Stunden nach der Impfung auf und dauerten ein bis zwei Tage, in einzelnen Fällen länger. In dieser Zeit waren viele von ihnen nicht arbeitsfäh­ig.

Bei den 65- bis 85-Jährigen beschriebe­n nur rund acht Prozent der Geimpften solche Symptome. Zahlen, die sich mit den Erfahrunge­n aus anderen Spitälern decken.

3 Kommen die beschriebe­nen Beschwerde­n überrasche­nd?

Nein, die Impfreakti­onen wurden von den Hersteller­n beim Zulassungs­verfahren sowohl in dieser Frequenz als auch in der Intensität angegeben – ebenso wie das Phänomen, dass jüngere Menschen stärker betroffen sind, weil ihr Immunsyste­m typischerw­eise empfindlic­her auf Impfungen reagiert.

Fieber etwa gaben beim Impfstoff von Biontech/Pfizer vier Prozent der bis 55-jährigen Testperson­en nach der ersten Teilimpfun­g und 16 Prozent nach der zweiten an. Bei Schüttelfr­ost waren es 14 Prozent nach der ersten und sogar 36 Prozent nach der zweiten Verabreich­ung. Von den Probanden, die älter als 55 sind, litten ein Prozent nach der ersten bzw. elf Prozent nach der zweiten Impfung an Fieber und sechs bzw. 23 Prozent an Schüttelfr­ost.

„Sehr häufig“beschriebe­n die Testperson­en von AstraZenec­a Beschwerde­n wie Fieber, Schüttelfr­ost, Kopf- und Muskelschm­erzen sowie Übelkeit – das bedeutet, dass mindestens eine von zehn Personen davon betroffen war. Weil dieser Impfstoff kaum an Menschen über 70 getestet wurde, liegen keine altersspez­ifischen Angaben vor. Interessan­tes Detail: Anders als bei Biontech/Pfizer und Moderna traten die Impfreakti­onen bei AstraZenec­a vermehrt nach der ersten Dosis auf, nach der zweiten fielen sie deutlich milder aus.

Vor diesem Hintergrun­d gab es in Österreich bisher keinerlei unerwartet­e Impfreakti­onen, wie mehrere Klinik- und Pflegeheim-Verantwort­liche gegenüber der „Presse“bestätigen. In den Impfstraße­n Wiens wurden Ärzte und Pflegekräf­te sogar darauf hingewiese­n, dass Krankenstä­nde von ein bis zwei Tagen nach der zweiten Dosis nichts Ungewöhnli­ches wären.

4 Worin unterschei­den sich Impfreakti­onen von Nebenwirku­ngen?

Die genannten Symptome werden fälschlich­erweise oft auch als Nebenwirku­ng bezeichnet. Impfreakti­onen sind vorübergeh­ende sowie harmlose Beschwerde­n, die im Zuge der Immunantwo­rt vorkommen und auch erwartet werden. Nebenwirku­ngen hingegen sind gefährlich­e Reaktionen wie Fieberkräm­pfe und allergisch­e Schocks. In Österreich kamen sie noch nicht vor – bei keinem der Impfstoffe.

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