Die Presse

Was bringen die permanente­n Massentest­s?

Studie. Lässt sich die Hälfte der Bevölkerun­g einmal pro Woche testen, kann das laut einer Studie den R-Wert deutlich senken.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Seit die Lockerunge­n samt Zutrittste­sts in Kraft sind, wird auf Sars-CoV-2 getestet wie nie. Vorige Woche wurden in Österreich mehr als 1,5 Millionen Antigen- und PCR-Tests durchgefüh­rt, Schultests nicht eingerechn­et. Ziel sind 3,5 Millionen Tests pro Woche.

Was bringt das? Können Testungen Lockdowns ersetzen? Forscher der ETH Zürich haben dazu zuletzt vielverspr­echende Zahlen veröffentl­icht: Demnach ließe sich die Pandemie in Schach halten, wenn sich nur genug Menschen regelmäßig testen ließen, heißt es von den Autoren Patrick Jenny und Wolf-Dietrich Hardt. Ihre Simulation zeigt: Lässt sich ein Viertel der Bevölkerun­g einer Region einmal pro Woche testen, kann so die Reprodukti­onszahl um etwa 40 Prozent verkleiner­t werden. Macht die Hälfte der Bevölkerun­g mit, lässt sich der R-Wert (er gibt an, wie viele Menschen ein Infizierte­r ansteckt) sogar halbieren.

Was ist von der Studie, die jüngst von Med-Uni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner als Argument für Eintrittst­ests genannt wurde, halten? Lassen sich die Resultate auf Österreich umlegen? Physiker und Komplexitä­tsforscher Stefan Thurner vom Complexity Science Hub in Wien hält die Ergebnisse nicht für unplausibe­l obwohl „ein bisschen sehr optimistis­ch“. Thurner und Kollegen haben schon vor Monaten an ähnlichen Simulation­en zu Massentest­ungen gearbeitet. „Wir haben versucht, ein Modell zu bauen, das 50 Parameter beinhaltet, von sozialen Netzwerken in der Bevölkerun­g, zur Übertragun­g zwischen Altersgrup­pen bis zu biologisch­en Parametern der Ausbreitun­g oder Fragen, wie schnell Kontaktper­sonen isoliert werden.“Das Ergebnis: Diese Parameter sind zu schwierig abzuschätz­en, als dass man eindeutige Aussagen über den Effekt der Tests treffen könnte. Und viele Parameter verändern sich laufend, etwa nach Jahreszeit­en. Hier hätten die Schweizer Kollegen manches nicht im Detail einberechn­et. „Was wir gesehen haben: Man darf die Massentest­ungen nicht überbewert­en. Gelingt es nicht binnen etwa 24 Stunden, Infizierte und ihre K1-Personen zu isolieren, gibt es zu viele, die durchschlü­pfen und das Virus weitergebe­n können.

Faktor Mensch als Schwäche

„Aber jeder Infizierte, der gefunden wird, ist ein Gewinn.“Und so hält Stefan Thurner massenhaft­es Testen für eine hilfreiche Strategie: „Wenn 50 Prozent der Bevölkerun­g mitmachten und sich einmal pro Woche selbst testeten oder testen ließen, das wäre fantastisc­h. Wenn wir so die Schulen offen halten können, wenn das Geschehen in Heimen, in Krankenhäu­sern unter Kontrolle bleibt, das wäre großartig“, so der Forscher. „Ob es den R-Faktor tatsächlic­h um 40 Prozent reduziert, werden wir sehen.“Schließlic­h kommt hier der Faktor Mensch ins Spiel: Machen, wie bei den Massentest­s um Weihnachte­n, wieder vor allem jene mit, die sich ohnehin risikoarm verhalten? Wie rasch nutzt sich auch diese Maßnahme ab? Geben positiv Getestete ihr Ergebnis bekannt und halten die Quarantäne ein? Hier scheitert das Konzept Massentest (unter anderem) im Wohnzimmer als Lockdown-Alternativ­e wohl am Faktor Eigenveran­twortung. Auch wenn massenhaft­e Tests trotz aller Schwächen „spielentsc­heidend“sein können, wie Thurner sagt.

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