Was bringen die permanenten Massentests?
Studie. Lässt sich die Hälfte der Bevölkerung einmal pro Woche testen, kann das laut einer Studie den R-Wert deutlich senken.
Wien. Seit die Lockerungen samt Zutrittstests in Kraft sind, wird auf Sars-CoV-2 getestet wie nie. Vorige Woche wurden in Österreich mehr als 1,5 Millionen Antigen- und PCR-Tests durchgeführt, Schultests nicht eingerechnet. Ziel sind 3,5 Millionen Tests pro Woche.
Was bringt das? Können Testungen Lockdowns ersetzen? Forscher der ETH Zürich haben dazu zuletzt vielversprechende Zahlen veröffentlicht: Demnach ließe sich die Pandemie in Schach halten, wenn sich nur genug Menschen regelmäßig testen ließen, heißt es von den Autoren Patrick Jenny und Wolf-Dietrich Hardt. Ihre Simulation zeigt: Lässt sich ein Viertel der Bevölkerung einer Region einmal pro Woche testen, kann so die Reproduktionszahl um etwa 40 Prozent verkleinert werden. Macht die Hälfte der Bevölkerung mit, lässt sich der R-Wert (er gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt) sogar halbieren.
Was ist von der Studie, die jüngst von Med-Uni-Wien-Vizerektor Oswald Wagner als Argument für Eintrittstests genannt wurde, halten? Lassen sich die Resultate auf Österreich umlegen? Physiker und Komplexitätsforscher Stefan Thurner vom Complexity Science Hub in Wien hält die Ergebnisse nicht für unplausibel obwohl „ein bisschen sehr optimistisch“. Thurner und Kollegen haben schon vor Monaten an ähnlichen Simulationen zu Massentestungen gearbeitet. „Wir haben versucht, ein Modell zu bauen, das 50 Parameter beinhaltet, von sozialen Netzwerken in der Bevölkerung, zur Übertragung zwischen Altersgruppen bis zu biologischen Parametern der Ausbreitung oder Fragen, wie schnell Kontaktpersonen isoliert werden.“Das Ergebnis: Diese Parameter sind zu schwierig abzuschätzen, als dass man eindeutige Aussagen über den Effekt der Tests treffen könnte. Und viele Parameter verändern sich laufend, etwa nach Jahreszeiten. Hier hätten die Schweizer Kollegen manches nicht im Detail einberechnet. „Was wir gesehen haben: Man darf die Massentestungen nicht überbewerten. Gelingt es nicht binnen etwa 24 Stunden, Infizierte und ihre K1-Personen zu isolieren, gibt es zu viele, die durchschlüpfen und das Virus weitergeben können.
Faktor Mensch als Schwäche
„Aber jeder Infizierte, der gefunden wird, ist ein Gewinn.“Und so hält Stefan Thurner massenhaftes Testen für eine hilfreiche Strategie: „Wenn 50 Prozent der Bevölkerung mitmachten und sich einmal pro Woche selbst testeten oder testen ließen, das wäre fantastisch. Wenn wir so die Schulen offen halten können, wenn das Geschehen in Heimen, in Krankenhäusern unter Kontrolle bleibt, das wäre großartig“, so der Forscher. „Ob es den R-Faktor tatsächlich um 40 Prozent reduziert, werden wir sehen.“Schließlich kommt hier der Faktor Mensch ins Spiel: Machen, wie bei den Massentests um Weihnachten, wieder vor allem jene mit, die sich ohnehin risikoarm verhalten? Wie rasch nutzt sich auch diese Maßnahme ab? Geben positiv Getestete ihr Ergebnis bekannt und halten die Quarantäne ein? Hier scheitert das Konzept Massentest (unter anderem) im Wohnzimmer als Lockdown-Alternative wohl am Faktor Eigenverantwortung. Auch wenn massenhafte Tests trotz aller Schwächen „spielentscheidend“sein können, wie Thurner sagt.