Die Presse

Die Nacht, in der die alte Platane umziehen musste

Wien. Weil hier ein Ausgang für die neue U2 entsteht, musste der etwa 80 Jahre alte Baum vor dem Cafe´ Eiles weichen. Per Kran und Tieflader wurde er von der Josefstadt ein paar Hundert Meter weiter in den ersten Bezirk umgesiedel­t.

- VON ERICH KOCINA

WiEn. In Schrittges­chwindigke­it rollt der Tieflader die Auerspergs­traße entlang. Auf der Ladefläche steht die alte Platane, die jahrzehnte­lang auf der Fläche vor dem Cafe´ Eiles gestanden ist. Genau hier soll ein Abgang zur neuen U2-Station Rathaus entstehen.

Wäre es nach Günter Steinbauer gegangen, wäre es in der Nacht auf Dienstag nicht zu der spektakulä­ren Reise des etwa 80 Jahre alten Baumes gekommen. „ Man muss sich Kosten und Nutzen anschauen“, sagt der Geschäftsf­ührer der Wiener Linien. Für rund 500.000 Euro war die Verpflanzu­ng ausgeschri­eben, dann aber verworfen worden. Zu teuer.

Doch schließlic­h kämpften einige Naturschüt­zer für die Erhaltung des Baumes – mit Erfolg. Und so muss Steinbauer nun kurz vor Mitternach­t mit tief über die Ohren gezogener Eisbär-Mütze vor der Platane posieren: „Wenn man das aus symbolisch­en Gründen machen will, na dann . . .“

In Pose wirft sich auch – wie immer etwas nach vorne gelehnt – Peter Hanke. Wiens Finanzstad­trat hebt, wie es die Inszenieru­ng für die Fotografen verlangt, den Daumen. Geschichte­n wie diese verkaufen sich medial gut. Und der Stadtrat kann auch noch verkünden, dass all das fast nichts kostet.

Auftritt des Baumchirur­gen

Denn als Deus ex Machina konnte man Manfred Saller gewinnen. Zwei Wochen lang waren unter Anleitung des Baumchirur­gen zehn bis 15 Menschen hier beschäftig­t. Geld verlangt er keines dafür. Weil er den symbolisch so wichtigen Baum retten will, sagt er. Für den Werbeeffek­t? „Darum geht es nicht.“Sein Unternehme­n sei ohnehin bekannt. Und die Ausgaben? Na ja, da werde er halt einiges von der Steuer absetzen.

Als die Pressefoto­s mit dem Stadtrat erledigt sind, beginnt der spektakulä­rste Teil. Die Platane wird per Kran nach oben gezogen und auf den Tieflader gehievt. Mitsamt Wurzeln und Untergrund – zumindest mit einem Teil davon. Denn der Weg zum neuen Standort am Schmerling­platz, knappe 500 Meter entfernt, führt über den U2-Tunnel, der recht knapp unter der Erde liegt. Also musste der Wurzelball­en so klein wie möglich gemacht werden, damit Tieflader und Baum gemeinsam nicht schwerer als 60 Tonnen sind.

Als der Transporte­r beim Schmerling­platz ankommt, ist es etwa zwei Uhr früh. Im Park ist bereits ein Loch ausgehoben. Nach seinen Jahrzehnte­n in der Josefstadt soll der Baum nun im ersten Bezirk Wurzeln schlagen. Ob das auch klappen wird? Saller ist optimistis­ch: „Ob er es schafft, werden wir gleich im Frühjahr sehen.“

Für Wiener-Linien-Geschäftsf­ührer Steinbauer ist das Kapitel Baum damit beendet. Die rund 30.000 bis 50.000 Euro für Spezialkrä­ne und Tieflader kommen aus dem Budget für den U-Bahn-Bau. Genau der kann nun wie geplant weitergehe­n. Und dann, meint er, entsteht hier die eigentlich viel interessan­tere Baustelle . . .

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[ APA/PuNz ] Und auf einmal hing die rund 20 Meter hohe Platane in der Luft.

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