Die Nacht, in der die alte Platane umziehen musste
Wien. Weil hier ein Ausgang für die neue U2 entsteht, musste der etwa 80 Jahre alte Baum vor dem Cafe´ Eiles weichen. Per Kran und Tieflader wurde er von der Josefstadt ein paar Hundert Meter weiter in den ersten Bezirk umgesiedelt.
WiEn. In Schrittgeschwindigkeit rollt der Tieflader die Auerspergstraße entlang. Auf der Ladefläche steht die alte Platane, die jahrzehntelang auf der Fläche vor dem Cafe´ Eiles gestanden ist. Genau hier soll ein Abgang zur neuen U2-Station Rathaus entstehen.
Wäre es nach Günter Steinbauer gegangen, wäre es in der Nacht auf Dienstag nicht zu der spektakulären Reise des etwa 80 Jahre alten Baumes gekommen. „ Man muss sich Kosten und Nutzen anschauen“, sagt der Geschäftsführer der Wiener Linien. Für rund 500.000 Euro war die Verpflanzung ausgeschrieben, dann aber verworfen worden. Zu teuer.
Doch schließlich kämpften einige Naturschützer für die Erhaltung des Baumes – mit Erfolg. Und so muss Steinbauer nun kurz vor Mitternacht mit tief über die Ohren gezogener Eisbär-Mütze vor der Platane posieren: „Wenn man das aus symbolischen Gründen machen will, na dann . . .“
In Pose wirft sich auch – wie immer etwas nach vorne gelehnt – Peter Hanke. Wiens Finanzstadtrat hebt, wie es die Inszenierung für die Fotografen verlangt, den Daumen. Geschichten wie diese verkaufen sich medial gut. Und der Stadtrat kann auch noch verkünden, dass all das fast nichts kostet.
Auftritt des Baumchirurgen
Denn als Deus ex Machina konnte man Manfred Saller gewinnen. Zwei Wochen lang waren unter Anleitung des Baumchirurgen zehn bis 15 Menschen hier beschäftigt. Geld verlangt er keines dafür. Weil er den symbolisch so wichtigen Baum retten will, sagt er. Für den Werbeeffekt? „Darum geht es nicht.“Sein Unternehmen sei ohnehin bekannt. Und die Ausgaben? Na ja, da werde er halt einiges von der Steuer absetzen.
Als die Pressefotos mit dem Stadtrat erledigt sind, beginnt der spektakulärste Teil. Die Platane wird per Kran nach oben gezogen und auf den Tieflader gehievt. Mitsamt Wurzeln und Untergrund – zumindest mit einem Teil davon. Denn der Weg zum neuen Standort am Schmerlingplatz, knappe 500 Meter entfernt, führt über den U2-Tunnel, der recht knapp unter der Erde liegt. Also musste der Wurzelballen so klein wie möglich gemacht werden, damit Tieflader und Baum gemeinsam nicht schwerer als 60 Tonnen sind.
Als der Transporter beim Schmerlingplatz ankommt, ist es etwa zwei Uhr früh. Im Park ist bereits ein Loch ausgehoben. Nach seinen Jahrzehnten in der Josefstadt soll der Baum nun im ersten Bezirk Wurzeln schlagen. Ob das auch klappen wird? Saller ist optimistisch: „Ob er es schafft, werden wir gleich im Frühjahr sehen.“
Für Wiener-Linien-Geschäftsführer Steinbauer ist das Kapitel Baum damit beendet. Die rund 30.000 bis 50.000 Euro für Spezialkräne und Tieflader kommen aus dem Budget für den U-Bahn-Bau. Genau der kann nun wie geplant weitergehen. Und dann, meint er, entsteht hier die eigentlich viel interessantere Baustelle . . .