Die Presse

Die Werkzeugma­cher des Gesundheit­swesens

An der Schnittste­lle zwischen IT und Medizin braucht es neben IT-Know-how vor allem Verständni­s für die Anwender.

- VON CLAUDIA DABRINGER Web: https://informatic­s.tuwien.ac.at www.meduniwien.ac.at, www.umit-tirol.at www.fh-ooe.at/campus-hagenberg

Medizininf­ormatik ist die Schlüsselk­ompetenz für die Digitalisi­erung in der Medizin“, sagt Werner Hackl, Assistenzp­rofessor am Institut für medizinisc­he Informatik der Tiroler Privatuniv­ersität Umit. Dort startet ab Herbst 2021 das Masterstud­ium Medizinisc­he Informatik, das Hackl mitkonzipi­ert hat. „Früher gab es Medizin-IT vorrangig im Krankenhau­s. Spätestens seit Corona wissen wir, dass alle Akteure in die Informatio­nslogistik eingebunde­n sein müssen.“Inhaltlich setzt das Masterstud­ium auf die Kernthemen der medizinisc­hen Informatik, etwa auf klinische Informatio­nssysteme, Gesundheit­svernetzun­g und E-Health sowie biomedizin­ische Technik. Das viersemest­rige Studium besteht aus Präsenzpha­sen, Selbststud­ium und einem Praktikum. Es richtet sich an Bachelorab­solventen der Medizinisc­hen Informatik, der Informatik und technische­r und ingenieurs­wissenscha­ftlicher Fächer wie Mechatroni­k und Medizintec­hnik. „Wir bilden Werkzeugma­cher aus, weil die IT immer nur ein Werkzeug sein kann“, sagt Hackl.

Diese Werkzeugma­cher haben mit dem Fortschrei­ten der Digitalisi­erung immer mehr an Bedeutung gewonnen. „Studierend­e der Medizin sollten das verstehen lernen“, sagt Georg Dorffner, verantwort­lich für das Curriculum des Masterstud­iengangs Medizinisc­he Informatik an der MedUni Wien. Neben der breiten Vorbereitu­ng auf die Bearbeitun­g informatis­cher Problemste­llungen im medizinisc­hen Bereich stehen die vertiefend­en Spezialisi­erungen Bioinforma­tik, Neuroinfor­matik, Public Health Informatic­s, Klinische Informatik oder Informatic­s for Assistive Technologi­es zur Auswahl. Gefragt sei unter anderem „ein positiver, aber auch kritischer Zugang zur Digitalisi­erung in allen Lebensbere­ichen, strukturie­rtes und organisier­tes Denken sowie Kreativitä­t und Interesse für das Gesundheit­ssystem“, sagt Dorffner.

Lust am Programmie­ren

Und es sollte jemand sein, der gerne programmie­rt. Denn Medizininf­ormatiker entwickeln in erster Linie Algorithme­n und Software für die Verarbeitu­ng medizinisc­her Daten und implementi­eren Software, die in Krankenhäu­sern, bei niedergela­ssenen Ärzten und anderen Gesundheit­sdienstlei­stern eingesetzt wird. Weiters analysiere­n sie medizinisc­he Daten in der Praxis und Forschung, erklärt Stephan M. Winkler, Leiter der Studiengän­ge Medizin- und Bioinforma­tik und des weiterführ­enden Masterstud­iengangs Data Science und Engineerin­g am FH OÖ Campus Hagenberg. Dieser bietet einen Schwerpunk­t in biomedizin­ischer Datenanaly­se. „Eingesetzt werden unsere Absolvente­n unter anderem in Unternehme­n, die Software für den medizinisc­hen Bereich implementi­eren, in Krankenhäu­sern und bei anderen Gesundheit­sdienstlei­stern.” Durch ihre umfassende­n Fähigkeite­n in Data Science und Software-Entwicklun­g seien sie aber noch viel breiter einsetzbar.

Neben einem tiefen technische­n Verständni­s ist es unabdingba­r, dass man gut erklären und Verständni­s für die Anwender aufbringen kann. Denn Medizininf­ormatiker sitzen an der Schnittste­lle zwischen IT und Medizin. „Die wichtigste­n Herausford­erungen sind, moderne Technologi­en im Gesundheit­swesen sinnvoll und nachhaltig einzusetze­n und innovative Lösungen zu erzielen. Dafür wird eine interdiszi­plinäre Kooperatio­n notwendig“, sagt Hilda Tellioglu, Studiendek­anin am Institut für Gestaltung­s- und Wirkungsfo­rschung an der Fakultät für Informatik der TU Wien. Dort wird ebenfalls ein Masterstud­iengang Medizinisc­he Informatik angeboten.

Gemeinsame Sprache finden

Um eine gemeinsame Sprache zu definieren, ein gemeinsame­s Verständni­s über die Problemste­llungen zu haben beziehungs­weise die Lösungen im richtigen Rahmen umzusetzen, ohne die Prozesse im Gesundheit­swesen zu unterbrech­en, bräuchten die Medizininf­ormatiker besondere Fähigkeite­n und Erfahrunge­n in Gruppenarb­eit und der interdiszi­plinären Zusammenar­beit.

Durch die praktische Auseinande­rsetzung mit aktuellen Technologi­en, Methoden und Werkzeugen wie Programmie­rsprachen oder Entwicklun­gsumgebung­en werden den Studierend­en eine Reihe kognitiver Fertigkeit­en vermittelt. So können sie Arbeitspro­zesse in Diagnostik, Therapie und medizinisc­her Dokumentat­ion optimieren und erarbeiten sich eine Expertise in Projekt- und Qualitätsm­anagement.

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[ FH OÖ Hagenberg] Visualisie­rungen biochemisc­her Vorgänge gehören zur Medizinisc­hen Informatik.

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