Die Werkzeugmacher des Gesundheitswesens
An der Schnittstelle zwischen IT und Medizin braucht es neben IT-Know-how vor allem Verständnis für die Anwender.
Medizininformatik ist die Schlüsselkompetenz für die Digitalisierung in der Medizin“, sagt Werner Hackl, Assistenzprofessor am Institut für medizinische Informatik der Tiroler Privatuniversität Umit. Dort startet ab Herbst 2021 das Masterstudium Medizinische Informatik, das Hackl mitkonzipiert hat. „Früher gab es Medizin-IT vorrangig im Krankenhaus. Spätestens seit Corona wissen wir, dass alle Akteure in die Informationslogistik eingebunden sein müssen.“Inhaltlich setzt das Masterstudium auf die Kernthemen der medizinischen Informatik, etwa auf klinische Informationssysteme, Gesundheitsvernetzung und E-Health sowie biomedizinische Technik. Das viersemestrige Studium besteht aus Präsenzphasen, Selbststudium und einem Praktikum. Es richtet sich an Bachelorabsolventen der Medizinischen Informatik, der Informatik und technischer und ingenieurswissenschaftlicher Fächer wie Mechatronik und Medizintechnik. „Wir bilden Werkzeugmacher aus, weil die IT immer nur ein Werkzeug sein kann“, sagt Hackl.
Diese Werkzeugmacher haben mit dem Fortschreiten der Digitalisierung immer mehr an Bedeutung gewonnen. „Studierende der Medizin sollten das verstehen lernen“, sagt Georg Dorffner, verantwortlich für das Curriculum des Masterstudiengangs Medizinische Informatik an der MedUni Wien. Neben der breiten Vorbereitung auf die Bearbeitung informatischer Problemstellungen im medizinischen Bereich stehen die vertiefenden Spezialisierungen Bioinformatik, Neuroinformatik, Public Health Informatics, Klinische Informatik oder Informatics for Assistive Technologies zur Auswahl. Gefragt sei unter anderem „ein positiver, aber auch kritischer Zugang zur Digitalisierung in allen Lebensbereichen, strukturiertes und organisiertes Denken sowie Kreativität und Interesse für das Gesundheitssystem“, sagt Dorffner.
Lust am Programmieren
Und es sollte jemand sein, der gerne programmiert. Denn Medizininformatiker entwickeln in erster Linie Algorithmen und Software für die Verarbeitung medizinischer Daten und implementieren Software, die in Krankenhäusern, bei niedergelassenen Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern eingesetzt wird. Weiters analysieren sie medizinische Daten in der Praxis und Forschung, erklärt Stephan M. Winkler, Leiter der Studiengänge Medizin- und Bioinformatik und des weiterführenden Masterstudiengangs Data Science und Engineering am FH OÖ Campus Hagenberg. Dieser bietet einen Schwerpunkt in biomedizinischer Datenanalyse. „Eingesetzt werden unsere Absolventen unter anderem in Unternehmen, die Software für den medizinischen Bereich implementieren, in Krankenhäusern und bei anderen Gesundheitsdienstleistern.” Durch ihre umfassenden Fähigkeiten in Data Science und Software-Entwicklung seien sie aber noch viel breiter einsetzbar.
Neben einem tiefen technischen Verständnis ist es unabdingbar, dass man gut erklären und Verständnis für die Anwender aufbringen kann. Denn Medizininformatiker sitzen an der Schnittstelle zwischen IT und Medizin. „Die wichtigsten Herausforderungen sind, moderne Technologien im Gesundheitswesen sinnvoll und nachhaltig einzusetzen und innovative Lösungen zu erzielen. Dafür wird eine interdisziplinäre Kooperation notwendig“, sagt Hilda Tellioglu, Studiendekanin am Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung an der Fakultät für Informatik der TU Wien. Dort wird ebenfalls ein Masterstudiengang Medizinische Informatik angeboten.
Gemeinsame Sprache finden
Um eine gemeinsame Sprache zu definieren, ein gemeinsames Verständnis über die Problemstellungen zu haben beziehungsweise die Lösungen im richtigen Rahmen umzusetzen, ohne die Prozesse im Gesundheitswesen zu unterbrechen, bräuchten die Medizininformatiker besondere Fähigkeiten und Erfahrungen in Gruppenarbeit und der interdisziplinären Zusammenarbeit.
Durch die praktische Auseinandersetzung mit aktuellen Technologien, Methoden und Werkzeugen wie Programmiersprachen oder Entwicklungsumgebungen werden den Studierenden eine Reihe kognitiver Fertigkeiten vermittelt. So können sie Arbeitsprozesse in Diagnostik, Therapie und medizinischer Dokumentation optimieren und erarbeiten sich eine Expertise in Projekt- und Qualitätsmanagement.