Die Presse

Der Terror gegen die Christen und die „Tyrannei der Schuld“

Europa ist eine spirituell­e Wüste. Stört es hier keinen mehr, dass weltweit Hunderte Millionen Christen aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden?

- VON KARL-PETER SCHWARZ E-Mails an: debatte@diepresse.com Zum Autor: Karl-Peter Schwarz war langjährig­er Auslandsko­rresponden­t der „Presse“und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in Mittel- und Südosteuro­pa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor (kai

Im Bund mit dem Relativism­us hat dieser „Apatheismu­s“Europa in eine spirituell­e Wüste verwandelt.

Das christlich­e Hilfswerk Open Doors veröffentl­icht jedes Jahr im Januar seinen Weltverfol­gungsindex. Die jüngste Ausgabe enthält Berichte über 50 Länder, in denen 760 Millionen Christen leben. Rund 309 Millionen von ihnen sind einem hohen bis extrem hohen Maß an Verfolgung und Diskrimini­erung ausgesetzt. 2018 hatte das Hilfswerk 2983 Fälle von Christen dokumentie­rt, die aufgrund ihres Glaubens getötet wurden. Im vorigen Jahr stieg diese Zahl auf 4761. Die stärkste Zunahme der Christenve­rfolgung wurde 2019 im subsaharis­chen Afrika registrier­t, in der Türkei, im Irak und in China. Am schlimmste­n ist es in Nordkorea. Christen, die dort aufgespürt werden, drohen Hinrichtun­g, Folter oder Zwangsarbe­it bis zum Tod. 50.000 bis 70.000 Christen werden in den nordkorean­ischen Straflager­n für politische Häftlinge festgehalt­en. Im Rating des Horrors folgen auf den nächsten Plätzen Afghanista­n, Somalia, Libyen, Pakistan, Eritrea, Jemen, Iran, Nigeria und Indien.

Wahrschein­lich wird sich die internatio­nale Öffentlich­keit ausnahmswe­ise mit der Lage der Christen im Irak beschäftig­en, wenn Papst Franziskus im März das Land besucht. Die Medien berichten zwar jedes Mal zu Recht, wenn ein schwarzer Amerikaner durch Polizeigew­alt ums Leben kommt, aber in der Regel ignorieren sie das Leid von Millionen Christen.

In Wien, das so stolz darauf ist, eine Stadt der Menschenre­chte zu sein, lehnte der Gemeindera­t mit den Stimmen der SPÖ, der Neos und der Grünen einen Antrag der ÖVP ab, „jede Form der Verfolgung religiöser Minderheit­en, besonders der weltweit meistverfo­lgten Religionsg­emeinschaf­t, der Christen“zu verurteile­n. Ebenfalls abgelehnt wurde die Teilnahme der Stadt Wien am „Red Wednesday“, einer Aktion von Kirche in Not, bei der in vielen Ländern Hunderte Kirchen, Monumente und öffentlich­e Gebäude blutrot angestrahl­t werden, um auf die Christenve­rfolgungen aufmerksam zu machen. So etwas geht im roten Wien mit seinen pink-grünen Einsprengs­eln gar nicht. Eine Gemeinderä­tin der Grünen entblödete sich in der Debatte nicht einmal, von einem „Beginn der Diskrimini­erung“zu sprechen, weil sich die Anträge „auf eine bestimmte Gruppe“bezögen.

1683 wurde Wien durch ein multinatio­nales christlich­es Heer von der Belagerung durch die Türken befreit. Heute daran zu erinnern, gar am 12. September auf den Kahlenberg zu pilgern, gilt als „rechtsextr­em“. Was hören Schüler heute noch über die Schlacht von Lepanto? Es gibt einen Zusammenha­ng zwischen den Tabus in der Erinnerung­spolitik und dem Verschweig­en der Christenve­rfolgungen.

Man sieht und versteht nicht viel, wenn man das Christentu­m nur von außen betrachtet. Man muss erst in eine Kathedrale eintreten, um die bunte Glasmalere­i der Fenster sehen zu können, und man muss sich erst auf die Lehre und die Geschichte des Christentu­ms einlassen, um es verstehen zu können. Atheismus war da übrigens nie ein echtes

Hindernis.

Gefährlich für die Kirche wie für die Identität und die Selbstbeha­uptung der europäisch­en Völker sind die „Apatheiste­n“, denen eh alles wurst ist. Im Bund mit dem Relativism­us – den Benedikt XVI. einmal „die wahre Religion des modernen Menschen“nannte – hat dieser „Apatheismu­s“Europa in eine spirituell­e Wüste verwandelt.

Ein zweiter Grund dafür, dass die Christenve­rfolgungen „übersehen“und die Verbrechen des Islam relativier­t werden, liegt in der Schuldumke­hr. Sogar der islamistis­che Terror wird als Reaktion auf vermeintli­che europäisch­e Verbrechen missversta­nden. „Die einzige Identität, die den Weißen noch erlaubt ist, ist die Identität der Reue“, sagte Pascal Bruckner einmal in einem Interview. Diese „Tyrannei der Schuld“führt dazu, dass Europa intellektu­ell und moralisch abrüstet.

Was dann bleibt, ist Appeasemen­t, die schleichen­de Kapitulati­on, wie einst vor Hitler und dem Nationalso­zialismus.

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