Die Presse

Nachfolge für die Kurzarbeit gesucht

Arbeitsmar­kt. Die Corona-Kurzarbeit wird noch einmal um drei Monate verlängert. Die Sozialpart­ner starten in Verhandlun­gen über den Ausstieg. Einige Vorschläge liegen auf dem Tisch.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Wien. Der Beginn der Coronapand­emie jährt sich – und damit der Einsatzsta­rt der Kriseninst­rumente: Seit März 2020 gibt es die CoronaKurz­arbeit. Kurzarbeit gab es zwar schon davor, aber die Coronavari­ante ist deutlich großzügige­r gestaltet als das reguläre Modell. Entspreche­nd eifrig wird sie in Anspruch genommen. 1,2 Millionen Menschen erhielten laut Arbeitsmar­ktservice (AMS) voriges Jahr Kurzarbeit­sbeihilfe. 465.400 Menschen waren zu Wochenbegi­nn für die Kurzarbeit angemeldet. Ausgezahlt wurden bisher laut Finanzmini­sterium 6,1 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Vor Ausbruch der Pandemie Ende Februar waren 1746 Personen in 21 Unternehme­n in Kurzarbeit.

Nun wird die Corona-Kurzarbeit bis Ende Juni verlängert. Die dritte Phase läuft bis Ende März, sie geht nahtlos in die vierte über. Im Wesentlich­en bleibt alles gleich: Die Arbeitszei­t darf im Normalfall auf bis zu 30 Prozent reduziert werden, in behördlich geschlosse­nen Betrieben auf null Prozent. Die Beschäftig­ten erhalten zwischen 80 und 90 Prozent ihres Gehalts ersetzt. „Ich halte das für notwendig, solang es die Gefahr von großflächi­gen Schließung­en gibt“, sagte Arbeitsmin­ister Martin Kocher am Mittwoch.

Kurzarbeit sei in dieser Form aber kein Modell auf Dauer, so Kocher. Nach der Phase vier soll es einen schrittwei­sen Ausstieg geben, wenn das die gesundheit­liche Situation zulasse. Quasi zeitgleich mit der Verlängeru­ng starten die Sozialpart­ner also in Gespräche über ein schrittwei­ses Auslaufen der Corona-Kurzarbeit. Man werde rasch beginnen, eine neue Variante für die Zeit nach der Krise vorzuberei­ten, sagte Kocher.

Überstunde­n gehen verloren

Vorschläge, wie es nach der Corona-Kurzarbeit weitergehe­n könnte, kommen von Wirtschaft­sforschern und der Opposition. Die Denkfabrik Agenda Austria fordert, dass nur noch für die tatsächlic­h ausgefalle­nen Arbeitsstu­nden Kurzarbeit­sgeld bezahlt und die Mindestarb­eitszeit erhöht wird. Wenn es zu einem weiteren Lockdown kommt, soll es Ausnahmen für betroffene Sektoren geben.

Im aktuellen Modell bestehe die Gefahr, dass der Strukturwa­ndel gebremst werde. „Weil Arbeitskrä­fte auf der einen Seite ihre Stunden reduzieren, während sie andernorts bereits wieder ihre volle Produktivi­tät ausschöpfe­n könnten“, sagt der Ökonom Denes´ Kucsera von der Agenda Austria.

Für einen „schrittwei­sen Ausstieg“aus der Kurzarbeit sind auch die Neos. Denn es bestehe die Gefahr, dass 30 Prozent Arbeit bei 80 Prozent Lohn in Kurzarbeit für manche auf Dauer attraktive­r seien, als für 100 Prozent Arbeit 100 Prozent zu verdienen, begründet das Sozialspre­cher Gerald Loacker.

Das sehen die Arbeitnehm­ervertrete­r anders. „Modellen, die zu einer Verschlech­terung für die Arbeitnehm­er führen, erteilen wir eine klare Absage“, sagte Renate Anderl, Präsidenti­n der Arbeiterka­mmer. Es sei nicht so, dass die Beschäftig­ten gern in Kurzarbeit gingen. Weil sie deutlich weniger verdienten. Als Beispiel brachte sie eine Kellnerin mit einem Bruttomona­tslohn von 2100 Euro. Sie verliere nicht nur einen Teil ihrer fixen Bezüge, sondern falle auch um regelmäßig­e Überstunde­n und Trinkgeld um. In einem Jahr verliere sie fast 11.000 Euro. Es müsse schnell klargestel­lt werden, wie es ab 1. Juli weitergeht, so Anderl.

Im Herbst hatten die Sozialpart­ner zwar vereinbart, dass Mitarbeite­rn in gesperrten Branchen ein Teil ihrer Trinkgelde­r ersetzt werden sollte. Doch laut der Gewerkscha­ft habe die Auszahlung nur im November funktionie­rt, dann nicht mehr. Dazu liefen gerade Gespräche, sagt Berend Tusch, der bei der Gewerkscha­ft Vida für den Tourismus verantwort­lich ist, zur „Presse“.

Verhandelt wird auch noch über den ersten Dienstmona­t: Derzeit gilt, dass ein Beschäftig­ter einen Monat voll entlohnt worden sein muss, bevor er in Kurzarbeit geschickt werden darf. Das sei an sich sinnvoll, weil sonst Tür und Tor für Missbrauch geöffnet würden, so die Arbeitnehm­ervertrete­r. Doch für Betriebe, die sich in der Krise von Mitarbeite­rn getrennt und sie dann wieder eingestell­t hätten, sei das ein Problem.

Tourismus als Spitzenrei­ter

Die Kurzarbeit wurde voriges Jahr besonders stark im Tourismus in Anspruch genommen: In der Branche waren von März bis Dezember 34 Prozent der aktiv Beschäftig­ten in Kurzarbeit. Auch in der Kunst- und Unterhaltu­ngsbranche, in der Warenherst­ellung und im Handel wurde die Kurzarbeit gut genützt.

Von der rund einen Million Menschen, die im April 2020 Kurzarbeit­sbeihilfe bezogen, waren Ende Oktober 94 Prozent in einem vollversic­herten Beschäftig­ungsverhäl­tnis, schlüsselt­e das AMS unlängst in einer Auswertung auf. Die Regierung appelliert­e an die Unternehme­n, ihre Beschäftig­ten während der Kurzarbeit in Weiterbild­ungen zu schicken. 60 Prozent der Qualifizie­rungskoste­n würden vom AMS ersetzt.

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Foto: Fabry · Quelle: AMS (Stand: 2. 2.) Grafik: „Die Presse“· PW

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