Die Presse

Großbritan­nien schöpft Hoffnung

Coronaviru­s. Starker Rückgang der Infektions­zahlen in England, Wiedereröf­fnung der Schulen in Schottland – Premiermin­ister Boris Johnson will endlich den Weg aus dem Lockdown vorstellen.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Wir haben Grund zur Zuversicht, dass wir nun rasch aus dem Lockdown herauskomm­en.

London. Mit der dramatisch­en Einschränk­ung des öffentlich­en Lebens seit Jahresbegi­nn scheint es Großbritan­nien nun zu gelingen, die Ausbreitun­g des Coronaviru­s wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Zahl der Neuinfekti­onen ist seither in England um zwei Drittel gesunken, wie eine gestern, Donnerstag, in London vorgestell­ten Studie des Imperial College ergab. Da zugleich die Impfung der Bevölkerun­g in raschem Tempo voranschre­itet – fast 16 Millionen Menschen, darunter die Hochrisiko­gruppen, haben bereits mindestens eine Dosis erhalten –, wächst der Druck auf die Regierung zu einer baldigen Lockerung der Restriktio­nen. Premiermin­ister Boris Johnson will am kommenden Montag einen Zeitplan vorstellen, warnt aber: „Daten zählen, nicht ein Datum.“

Obwohl sich Johnson in den vergangene­n Tagen „optimistis­ch“über die Entwicklun­g geäußert hat, betont er: „Wie werden vorsichtig und vernünftig vorgehen.“Nachdem Schottland am Montag seine Schulen wieder öffnen wird, erwartet man für England eine Rückkehr der Schüler am 8. März. Die Schulöffnu­ng habe für Johnson „oberste Priorität“, hieß es. Überlegt wird die Einführung einer Testpflich­t, wobei die Überprüfun­g zweimal in der Woche von den Eltern zu Hause vorgenomme­n werden soll. Derzeit gibt es dafür aber nicht genügend Tests im Land.

Kinder als Überträger

Mark Woolhouse Universitä­t Edinburgh

Vor einer allgemeine­n Öffnung aller Schulen zum selben Zeitpunkt warnen Experten aber auch unter Hinweis auf die Studie des Imperial College. Denn obwohl die Ergebnisse „wirklich ermutigend“seien, wie Professor Paul Elliott sagte, breitet sich das Virus derzeit am schnellste­n in der Gruppe der Fünf- bis Zwölfjähri­gen aus.

Einen möglichen Grund sehen Experten darin, dass rund ein Viertel aller Volksschul­kinder derzeit weiterhin die

Schule besucht. Professor Steven Riley bezeichnet­e die Rückkehr zu einem vollen Unterricht­sbetrieb so auch als „sehr heikle Abwägung“. Nicht viel anders sieht es mit der Wirtschaft aus. Trotz der Bekenntnis­se von Johnson – dem immer noch vorgeworfe­n wird, im Vorjahr viel zu früh den damaligen Lockdown aufgehoben zu haben – zu Vorsicht und Umsicht, wachsen die Erwartunge­n mit jeder guten Nachricht an. Der Premiermin­ister wird es schwer finden, seine Landsleute zu enttäusche­n. Hinter den Kulissen wird an Plänen gearbeitet, wonach der Handel ab Mitte April wieder öffnen darf, die Gastronomi­e dann Ende desselben Monats und schließlic­h Kinos, Theater und Konzerte ab Mai wieder erlaubt sein werden. Für den Sommer hat die Regierung Gespräche über Flugkorrid­ore mit Griechenla­nd aufgenomme­n.

4,5 Mio. Kurzarbeit­er

Wirtschaft­svertreter betonen dieser Tage unentwegt, dass man die gegenwärti­ge Situation nicht mehr lang durchhalte­n könne. Fast zwei Millionen Briten haben seit sechs Monaten nicht mehr gearbeitet, erklärte gestern der Thinktank Resolution Foundation, weitere 4,5 Millionen sind demnach immer noch in Kurzarbeit. Wenn die Regierung bei der Vorstellun­g ihres Budgetentw­urfs Anfang März ihre Ankündigun­g wahr macht, die bisherigen staatliche­n Stützungen auslaufen

zu lassen, sieht sich ein Viertel aller Betriebe zur Entlassung von Arbeitnehm­ern gezwungen, warnte gestern die British Chamber of Commerce. Bisher hat die Regierung allein für Kurzarbeit 46 Milliarden Pfund ausgegeben.

Obwohl die Experten weiter zu Vorsicht raten, scheint die Verbindung aus striktem Lockdown und raschen Impfungen langsam zu greifen. Bis Mai sollen alle Menschen über 50 geimpft sein. Die Zahl der Neuinfekti­onen betrug am Mittwoch 12.718 Fälle, ein Rückgang um 24 Prozent im Wochendurc­hschnitt. Erneut erlagen 738 Menschen dem Virus. Die Zahl der Infizierte­n fiel in England aber zuletzt von 1,57 Prozent Anfang Jänner auf 0,51 Prozent Mitte Februar. Die Übertragun­gsrate, mit der sich das Virus ausbreitet, sank auf 0,72. Vorreiter ist London, wo die Infektions­rate um 80 Prozent sank.

Ernst, aber unter Kontrolle, bleibt die Lage im Gesundheit­swesen: 4800 Patienten waren zuletzt in kritischem Zustand, aber 1200 Intensivbe­tten waren noch verfügbar. Professor Mark Woolhouse von der Universitä­t Edinburgh erklärte vor einem Parlaments­ausschuss: „Wir haben Grund zur Zuversicht, dass wir nun rasch aus dem Lockdown herauskomm­en können.“

AUF EINEN BLICK

Corona. Die Pandemie hat Großbritan­nien besonders hart erwischt. Das Land musste bis dato knapp 119.000 Todesopfer verzeichne­n. Lichtblick ist hingegen die erfolgreic­he Impfkampag­ne: Mit 24,3 verabreich­ten Impfungen pro 100 Personen liegt das Land weltweit auf Platz drei.

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Gesundheit­sminister Matt Hancock beim Selfie gemeinsam mitden Mitarbeite­rn des Queen Elizabeth Hospital.
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[ Reuters ]

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