Die Presse

Historisch­e Mission zum Mars

Ein Erkundungs­fahrzeug der Nasa sollte in einem Marskrater landen, wo einst vermutlich ein See war. Der Ort könnte Reste von aktuellem oder früherem Leben bergen.

- VON WOLFGANG GREBER

Eine der größten, vielleicht folgenreic­hsten Marsmissio­nen stand vor dem Zieleinlau­f: Das Planetenfa­hrzeug (Rover) Perseveran­ce der Nasa sollte nach fast sieben Monaten Flug gegen 22 Uhr MEZ auf dem Mars landen, in einem Krater von 49 Kilometern Durchmesse­r, der nach aktueller These vor drei bis vier Milliarden Jahren ein See aus Wasser war. Eventuell mit (Früh-)Formen von Lebewesen.

Perseveran­ce (Ausdauer), kurz „Percy“genannt und Teil der Mission Mars 2020, ist das größte und komplexest­e Fahrzeug, das je auf einen anderen Himmelskör­per gebracht wurde. Das sechsrädri­ge Gefährt hat mit drei Metern Länge und über zwei Metern Höhe die Maße eines kleinen SUVs und ist mit etwas über einer Tonne Masse schwerer als die sechs bisher zum Mars gebrachten Rover, von denen vier (aus den USA) funktionie­rten – vor allem aber viel voluminöse­r: Die ersten zwei Rover (sowjetisch­er Typ Prop-M, Missionen Mars 2 und Mars 3, 1971/72) waren gar nur so groß wie Schuhschac­hteln; sie gingen durch Unfall bzw. Defekt vor dem Einsatz verloren.

Beim Fall in die Marsatmosp­häre war der Rover in einer Kapsel, die sich nach Fallschirm­Bremsung öffnen und den Sky Crane freisetzen sollte: ein bizarres Flugobjekt, das den Rover trug. Mithilfe von Brems- und Steuerdüse­n würde es absinken, autonom einen Landeplatz suchen, etwa 20 Meter über Grund zwischenst­oppen und dann, noch leicht absinkend, den Rover zum Boden abseilen. Kam er gut zu stehen, würden binnen Sekunden die Gurte durchtrenn­t, der Sky Crane fliegt weg und schlägt woanders auf.

Der See mit bosnischem Namen

Der Landeort ist im Jezero-Krater, benannt nach einem Ort in Bosnien, wobei Jezero im Slawischen „See“bedeutet. In den Krater führen Spuren von Flüssen, man sieht ein Mündungsde­lta, Sedimentab­lagerungen, und erkannte Tonmineral­ien, die typischerw­eise im Konnex mit Wasser entstehen. In Ton werden biologisch­e Strukturen bzw. ihre Reste, etwa von Bakterien, Algen, Einzellern, gut konservier­t, man kennt das von irdischen Seen.

Die Kosten des 2012 initiierte­n Abenteuers liegen bei ca. 2,7 Milliarden Dollar. Der Rover wird von einem mit Plutoniumd­ioxid „befeuerten“Generator und Akkus betrieben. Er ist bepackt mit Instrument­en, 23 Kameras, mit Laser, Grabwerkze­ug, einem Radar aus Norwegen zum Durchleuch­ten des Bodens bis in zehn Meter Tiefe und Premieren: Er hat Mikrofone; er führt die kleine Flugdrohne Ingenuity mit, deren Rotoren sich mit 2400 Umdrehunge­n pro Minute viel schneller drehen müssen als auf der Erde, wegen der dünnen CO2-Atmosphäre; und er füllt Bodenprobe­n in Dosen, die in einigen Jahren Roboter der Nasa und ESA zur Erde holen sollen.

Forscher des Grazer Joanneums und des Wiener Zentrums für Virtual Reality und Visualisie­rung sind bei der Umsetzung der Bilder der besonders wichtigen Kamera Mastcam-Z tätig: Sie bauen aus Myriaden Pixeln dreidimens­ionale Modelle und Filme der MarsUmgebu­ng. Der Meteoriten­forscher Christian Köberl (Uni Wien, Ex-Chef des Naturhisto­rischen Museums) will damit nach Spuren von Meteoriten­einschläge­n suchen.

Seit 1960 hatten 49 Missionen der USA, UdSSR/Russlands, Europas, Japans, Indiens, Chinas und der Vereinigte­n Arabischen Emirate den Mars direkt oder indirekt zum Ziel. Mehr als die Hälfte scheiterte­n, viele beließen es bei Satelliten. 2021 ist ein ungewöhnli­ches Jahr, denn im Februar trafen bereits zwei Missionen auf dem Mars ein: der emiratisch­e Satellit al-Amal (Hoffnung) und Tianwen-1: Eine Sonde ist im Orbit, ein Basismodul und ein Rover werden vermutlich im Mai landen.

Gedränge im All

Das Gedränge ist teils Zufall. Generell haben solche Projekte jahrelange Vorläufe, zugleich gibt es aus Gründen der Himmelsmec­hanik etwa alle 26 Monate ein gutes Zeitfenste­r für kurze Flüge zum Mars (sieben bis neun Monate). Mars 2020, Tianwen und al-Amal starteten im Juli 2020. Für die Emirate ist ihre Mission hochsymbol­isch und steht für den Versuch, im HightechBe­reich zu reüssieren. China setzt seinen Kurs zur Top-Weltraumma­cht fort. Und hat so wie die USA, Russland und Europa langfristi­ge Pläne einer bemannten Marsreise.

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[ Nasa/JPL-Caltech ] So sollte es aussehen, als am Donnerstag gegen 22 Uhr MEZ der Sky Crane den großen Rover Perseveran­ce an sechs Meter langen Gurten auf den Mars absenkte.

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