Die Presse

Drei wichtige Erkenntnis­se aus der Ischgl-Studie

Antikörper-Tests. Wegen der sehr hohen Durchseuch­ung des Winterspor­tortes und der gründlich untersucht­en Bevölkerun­g lassen sich relativ verlässlic­he Rückschlüs­se auf die Dauer und Stabilität der Immunität ziehen.

- VON KÖKSAL BALTACI

Ischgl. Neun von zehn Personen, die im Frühjahr 2020 nach einer Infektion mit dem Coronaviru­s Antikörper gebildet hatten, waren auch noch im November vor einer zweiten Ansteckung geschützt. Das ist die Kernaussag­e der zweiten Runde der Antikörper-Studie aus Ischgl, die am Donnerstag in Innsbruck präsentier­t wurde.

Lang anhaltende Immunität

1473 der 1596 Einwohner Ischgls ließen sich Ende April 2020 auf Antikörper testen, mit dem hochgerech­neten Ergebnis, dass sich 42,7 Prozent der gesamten Bevölkerun­g während der ersten Welle angesteckt hatten – der Großteil, ohne es zu merken. Zwei Menschen starben, neun benötigten eine Spitalsbeh­andlung.

Im November wurde erneut zum Test geladen – diesmal mit einer Sero-Prävalenz (Häufigkeit des Nachweises von Antikörper­n) von 45,2 Prozent. Untersucht wurden dafür 900 Ischgler ab 18 Jahren, 800 von ihnen nahmen auch schon an der ersten Runde teil – und zwar hauptsächl­ich jene, die damals positiv auf Antikörper getestet worden waren.

Rund 90 Prozent dieser 800 Personen hatten immer noch – also rund acht Monate nach ihrer Infektion – ausreichen­d Antikörper im Blut, sodass laut Studienlei­terin Dorothee von Laer vom Institut für Virologie der Med-Uni Innsbruck von einer „stabilen Immunität“ausgegange­n werden kann. Zwar sank die Menge an Antikörper­n leicht, aber bei den meisten nicht in einem signifikan­ten Ausmaß. Zudem wurde bei rund 70 Prozent der Genesenen – auf Basis von 93 untersucht­en Proben – auch eine zelluläre Immunantwo­rt nachgewies­en. Gemeint sind die sogenannte­n cytotoxisc­hen T-Zellen, die nicht das Andocken des Virus an Zellen verhindern, sondern bereits befallene Zellen abtöten, damit sich die Viren darin nicht vermehren und sich im ganzen Körper ausbreiten können. Sie sind es also, die nach einer Ansteckung schwere Verläufe verhindern können.

Ausgehend davon, dass auch die Wirkung eines Impfstoffs rund ein Jahr anhalten dürfte, geht von Laer davon aus, dass künftig eine Impfung pro Jahr notwendig sein wird – die sehr wahrschein­lich an die aktuell zirkuliere­nden Varianten angepasst werden muss, wie das auch bei der Grippeimpf­ung seit Jahrzehnte­n der Fall ist.

Rasche „Herdenimmu­nität“

Um epidemiolo­gisch wertvolle Rückschlüs­se aus der sehr hohen Durchseuch­ung Ischgls zu ziehen, wurde die dortige Ausbreitun­g des Virus im vergangene­n Herbst mit jener in anderen österreich­ischen Tourismuso­rten mit ähnlicher Bevölkerun­gsstruktur und Anbindung verglichen. Während in diesen Gemeinden eine dem Bundes-Schnitt entspreche­nde Zahl an Neuinfekti­onen – mit einem Höhepunkt zwischen 15. und 20. November – registrier­t wurde, waren es in Ischgl Anfang November nur eine Handvoll, später gar keine mehr. Insgesamt lag die Infektions­rate während der zweiten Welle bei unter einem Prozent.

Angesichts dieser Erkenntnis­se kann in Ischgl von Laer zufolge zwar nicht mit einer Herdenimmu­nität gerechnet werden, aber unter Einhaltung von „niederschw­elligen Verhaltens­regeln“wie etwa Maske tragen und Abstand halten sollte eine Durchseuch­ung bzw. Durchimpfu­ng von 40 bis 45 Prozent ausreichen, um Infektions­wellen wie jene im vergangene­n Herbst zu verhindern. Natürlich nur dann, wenn neue resistente­re Varianten rechtzeiti­g erkannt, eingedämmt und mit adaptierte­n Impfungen unter Kontrolle gebracht werden. Wegen der Südafrika-Mutante etwa beginne der „Schutzwall“in Ischgl „zu bröseln“.

Verlauf spielt geringe Rolle

Zwar gilt grundsätzl­ich: Je schwerer die Symptome nach der Infektion waren, desto mehr Antikörper wurden auch nach acht Monaten nachgewies­en, aber bereits die erste Runde der Studie ergab, dass der Zusammenha­ng zwischen der Schwere des Krankheits­verlaufs und den gebildeten Antikörper­n nicht überschätz­t werden sollte.

Auch andere Studien kamen zum Ergebnis, dass milde und sogar symptomlos­e Verläufe für gewöhnlich ebenfalls zu einer starken Immunantwo­rt führen. Nur ist bei ihnen das Risiko, dass keine verlässlic­he und anhaltende Immunität aufgebaut wird, etwas höher als bei Genesenen mit schwereren und mittelschw­eren Verläufen.

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