Bekommt Graz zwei U-Bahn-Linien?
Die Grazer U-Bahn soll 3,3 Mrd. Euro kosten. Bürgermeister Nagl (ÖVP) hat eine Vorentscheidung im Sommer im Auge.
Graz. Zwei U-Bahn-Linien schlägt ein Team von Experten – Techniker, Juristen, Ökonomen und Raumplaner – für die steirische Landeshauptstadt vor: 11,9 Kilometer in Ost-West-Richtung (M1, vom Unfallkrankenhaus bis zum Berliner Ring) und 13,5 km von Nord nach Süd (M2, von Gösting über eine Innenstadt-Schleife nach Webling). Geplant sind insgesamt 27 Stationen, die Kreuzung der beiden Linien ist unter dem Jakominiplatz vorgesehen.
Die Variante mit einer Gondelbahn (statt der M2) ist zwar in die Überlegungen einbezogen, letztlich aber verworfen worden – sie schnitt schlechter ab und ist in der bisherigen öffentlichen Debatte durchgefallen.
400.000 Kilometer weniger
Bei Bestehen einer voll ausgebauten U-Bahn in Graz sei mit einem Minus beim Pkw-Verkehr von 7,4 % zu rechnen, der Anteil der täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegten Wege steige von knapp unter 20 % auf etwa 29 %. Errechnet wurde, dass in Graz täglich 400.000 weniger Autokilometer zurückgelegt werden, also nur noch 4,9 Millionen km.
Sebastian Kummer, Professor an der Wirtschaftsuniversität in Wien: „Wir sind dabei davon ausgegangen, dass keine weiterführenden Maßnahmen gesetzt werden, um den Autoverkehr zu verringern.“
Also weder City Maut noch autofreier Tag. Diese hat der Rechnungshof als geeignete Maßnahmen ins Treffen geführt, nachdem in der Vorwoche ein Bericht über die Schadstoffbelastung veröffentlicht worden ist.
Zum Geld: Für das gesamte Projekt, das innerhalb der kommenden sieben bis zehn Jahre umgesetzt werden könnte, wurden 3,326 Milliarden Euro errechnet. Auf eine Betriebsdauer von 60 Jahren wird der Kostendeckungsgrad mit 53 % errechnet. Wien kommt auf eine Kostendeckung von 60 %. In Deutschland ist der Schnitt zwar wesentlich höher (etwa 75 %), aber dafür sind die Ticketpreise auch spürbar teurer. Lars Wagner, Sprecher des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), bei dem auch die meisten Betreiber der Verkehrsbetriebe österreichischer Landeshauptstädte außerordentliches Mitglied sind: „Auf Kostendeckung allein zu schauen, ist zu kurz gegriffen – öffentliche Verkehrsmittel haben viele andere Auswirkungen, die über Deckung von Betriebskosten hinausgehen.“
Das WU-Team hat versucht, diese Faktoren zu beziffern, und kommt auf eine Wertschöpfung (über 60 Jahre) von 26,1 Mrd. Euro, jährlich 369 Mio. Euro. Das meiste komme der Bevölkerung zugute (10,4 Mrd.). Die Regionalwirtschaft profitiere mit 9,2 Mrd., der öffentliche Haushalt mit 6,5 Mrd. Euro.
Damit sind wir bei der Politik angelangt: Eine Beauftragung durch den Gemeinderat hat es bisher nicht gegeben. Machbarkeitsstudie und Vorstudie sind aus dem Budget von „Moderne urbane Mobilität 2030“(MuM) gezahlt und wohl auf Zuruf der schwarz-blauen Koalition gestartet worden. Diese 2019 gegründete Firma ist eine 100-Prozent-Tochter der Holding Graz, des Betreibers der Verkehrsbetriebe. Sie steht fast ganz im Eigentum der Stadt Graz. MuM hatte ein Startkapital von einer Million Euro. Die Studien dürften mehr als 700.000 Euro gekostet haben.
Kein Feldzug gegen Autos
Der Grazer Bürgermeister, Siegfried Nagl (ÖVP), hofft auf einen 50-Prozent-Zuschuss des Bundes, die andere Hälfte sollten sich Stadt und Land teilen. Nagl: „Wir haben nun den fachlichen Entwurf, keinen politischen. Ich bitte, dass sich alle die Details anschauen, zuhören und dann eigene Ideen einbringen.“Er will nun eine intensive politische Debatte und eine breite Informationsoffensive starten. Einer Volksbefragung über die U-Bahn steht er reserviert gegenüber. Und: Es gehe nicht um ein „Entweder-oder“: „Wir brauchen Straßenbahnen genauso wie die U-Bahn. Wir werden nicht das eine gegen das andere ausspielen.“Nicht zu haben ist Nagl für eine Beschränkung des Autoverkehrs: „70 Prozent der Grazer haben sich gegen eine City-Maut ausgesprochen. Kein Thema.“
Er setzt darauf, dass die Debatte bis zum Sommer Früchte zeige. „Dann werde ich den Gemeinderat damit befassen.“