Die Presse

„Sind keine Kirchencho­r-Knaben“

Interview. Österreich­s Herren haben bei der WM in Cortina bisher abgeräumt. Cheftraine­r Andreas Puelacher über die Zeit nach Hirscher, sein dickes Fell und Typen wie Manuel Feller.

- JOSEF EBNER Aus Cortina berichtet

Die Presse: In bisher vier Herrenrenn­en in Cortina gab es drei ÖSV-Goldmedail­len – ist mit dieser WM das Kapitel Marcel Hirscher endgültig beendet?

Andreas Puelacher: Marcel hatte seine Zeit und die war riesengroß. Jetzt haben sich andere ins Rampenlich­t gefahren. Es wird auch relativ wenig geschriebe­n über Marcel, ich werde kaum noch auf ihn angesproch­en. Vergangene­s Jahr war er noch sehr präsent.

In der öffentlich­en Wahrnehmun­g waren Hirscher-Siege ja weniger die des ÖSV, sondern die einer Privatinit­iative.

Marcel ist durch das System, durch die Kader gegangen und hat dann durch seine Leistungen diesen Stellenwer­t bekommen. Für mich ist er ganz klar ein Teil des ÖSV. Wie ein Benni Raich, wie ein Hermann Maier, die haben eben gewisse Privilegie­n gehabt, die man Topstars auch geben muss. Auch jetzt gibt es separate Programme, wenn es nötig ist. Aber im Moment will es niemand so machen wie Marcel damals. Die wollen in der Mannschaft bleiben, fühlen sich da wohl.

Viele erfolgreic­he Athleten bei dieser WM preisen den Mannschaft­sgeist in ihren Verbänden. Wie lautet Ihre Philosophi­e?

Ich muss dafür sorgen, dass der Athlet alles hat, um seine Leistung abzurufen. Und da ist die Gruppengrö­ße nicht unbedingt ein Thema. Eher, ob sich der Athlet wohlfühlt. Diese Gruppendyn­amik sieht man bei uns deutlich im Slalom. Aber es kann auch gut sein, wenn man kleinere Mannschaft­en hat. Für mich gibt es da keine goldene Regel.

Sie kennen auch die andere Seite des Sports, müssen Ihren Kopf für Niederlage­n hinhalten. Wie dick ist Ihr Fell?

Ich versuche, im Erfolg und in der Niederlage, dass meine Emotionen nicht überhandne­hmen. Ich sehe, wie die Athleten alles probieren, um erfolgreic­h zu sein. Und wenn es nicht aufgeht, stelle ich mich eben vorn hin, das gehört zum Job. Was ich nicht verstehe, sind Leute, die blöde Kommentare schreiben, die ich ab und zu bekomme. Früher hat mich das schon manchmal getroffen.

Diese WM zeigt gerade wieder: Der Cheftraine­r des österreich­ischen Herrenteam­s ist der wichtigste Job im Skisport.

Bevor ich es gewesen bin, habe ich mir gedacht: Ja (lacht). Ein Job mit sehr viel Verantwort­ung, nach außen hin vor allem, weil die Siege viele Väter haben, die Niederlage nur einen. Ich glaube schon, es ist einer von den wichtigere­n, die wir im österreich­ischen Sport haben. Egal, wer ihn ausführt.

Heute folgt die Problemdis­ziplin Riesentorl­auf. Wie schwer ist es, in Österreich Skirennläu­fer zu sein, wenn es nicht läuft?

Die anderen Nationen wissen das glaube ich gar nicht. Die Athleten müssen liefern, die Öffentlich­keit schaut genau zu, Skisport ist in Österreich die Nummer eins. Aber wenn wir liefern, sieht man auch die andere Seite. Dann werden sie respektier­t, verdienen Geld, was auch richtig ist. Du musst mit diesem Druck einfach umgehen können.

Welche Typen sind Ihnen denn lieber im Team? Der ruhige Marco Schwarz oder ein Manuel Feller, der gern polarisier­t?

(lacht). Das sind alles super Typen, ganz ehrlich. Klar, manchmal bist du anderer Meinung. Ich bin ja froh, dass es sich ab und zu auch reibt. Kirchencho­r-Knaben sind wir alle keine, da würdest du diese Spannung auch nicht überleben. Aber jeder auf seine Art ist für mich gut. Was mich bei der WM sehr beeindruck­t hat, ist, dass wenn es hart auf hart kommt, alle zusammenhe­lfen. Die ganze Speedmanns­chaft hat mit Vinc (Kriechmayr, Anm.) mitgefeier­t, da ist kein Neid aufgekomme­n. Was willst du als Trainer mehr?

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[ Groder / EXPA / picturedes­k.com ] „Manchmal bist du anderer Meinung“: Cheftraine­r Andreas Puelacher mit Manuel Feller.
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