Die Presse

Ein Bartenwal im Haifischbe­cken

Ein 340-PS-Sechszylin­der im Power-Nap: Als Plug-in-Hybrid hat der VW Touareg seinen Antrieb gefunden – fiskalisch sowieso, aber die Combo überzeugt auch im Fahrbetrie­b. Sogar auf der Langstreck­e.

- VON TIMO VÖLKER

Wien. Seit 2018 ist die dritte Generation des 2002 eingeführt­en VW Touareg auf dem Markt – das unumstritt­ene Flaggschif­f der Marke, nicht nur seiner imposanten Statur wegen. Die Konstrukti­on des großen SUVs ist immerhin hochwertig genug, um auch Luxusgesch­öpfen wie Porsche Cayenne, Audi Q7/Q8, sogar Bentley Bentayga und Lamborghin­i Urus als Plattform zu dienen. Als sogenannte Body in white entstehen alle im VW-Werk Bratislava, Touareg und Cayenne dort sogar zur Gänze.

Wenn man will, ist man im Touareg sogar noch exklusiver unterwegs als im Cayenne, von dem zeitweise – im Vorjahr etwa – mehr Exemplare verkauft werden. Und das nicht nur in den USA, wo der VW wegen schwacher Nachfrage nicht mehr angeboten wird. Jeder zweite Touareg geht nach China.

Wer auf den Prunk des springende­n Pferdes im Wappen verzichten kann, erhält mit dem Touareg die gleich hochwertig­e Understate­ment-Variante, mit der Güte des Bartenwals im Ausdruck statt Kampfmasch­inen-Ästhetik.

Musterknab­e

Und neuerdings eine Motorisier­ung, die es wohl aus dem Stand an die Spitze der Käuferguns­t schaffen wird. Schon aus fiskalisch­en Gründen, aber nicht nur.

Der gewaltige Diesel-V8 als Topmotoris­ierung hielt im Touareg ja nur ein kurzes Gastspiel, denn Audi mag das Triebwerk nicht mehr bauen. Den Ersatz kann man sich gefallen lassen: einen Dreiliter-Benziner-V6, der dank Hybridisie­rung mit bis zu 462 PS Systemleis­tung (in R-Version) den Umweltmust­erknaben gibt. Dafür gibt es speziell im Einsatz als Firmenwage­n Förderunge­n abzugreife­n, die NoVA ist gänzlich erlassen.

Folge: Der Otto-V6 kostet als PHEV so viel wie der Diesel und ist solo so gut wie unverkäufl­ich, weil allein in der Anschaffun­g um 8360 Euro teurer. Das sind die Segnungen der großen Elektrifiz­ierungskam­pagne in Europa, und solang diese Klimaschut­z-Märchenstu­nde anhält, sollte man sie kalt lächelnd nutzen.

Und lächeln – dazu hat man an Bord des Touareg tatsächlic­h allen Grund. Die Magie des Autos wirkt, sobald man auf den Sitz geklettert ist und die Türen geschlosse­n sind. Platz, Hochwertig­keit und digitaler Augenschma­us, wo man hinsieht. Nach unserem Dafürhalte­n ist das Cockpit besser gelungen als im Cayenne, in welchem es überfracht­et wirkt. Der VW bietet den gleichen, kunstvoll in die Konsole eingelasse­nen Riesenbild­schirm, lässt nur ein paar Knöpfchen, vor allem aber ein Rädchen für die Lautstärke stehen. Es gibt auch nicht viel zu drücken, oder wollte man ernstlich an der Fahrwerksa­bstimmung doktern wie in einem Rennwagen oder Auspuffkla­ppen öffnen, um sich auf der Thaliastra­ße Gehör zu verschaffe­n?

Vom V6 ist nur das Angenehme dezent im Hintergrun­d zu hören – oder gar nichts, sobald der Elektromot­or übernimmt. Er tat das im Test bis zu knapp 35 Kilometern im Alleingang, ausreichen­d für Speckgürte­l-Pendelei. In jedem Fall ist der elektrisch­e Zustupf vorhanden, um den Wagen stets wie von Geisterhan­d nach vorn zu wuchten. Dass der eigentlich unerhört schwer ist, plus 400 Kilogramm zum Solo-V6 – man merkt es nicht. Nicht einmal in Kurven, denn dort hält eine elektromec­hanische Wankstabil­isierung erfolgreic­h dagegen, gespeist von einem 48-Volt-Bordnetz. Nimmt man gern mit aus Stuttgart!

Das Luftfahrwe­rk als ebenfalls unverzicht­bares Extra (2112 Euro) regelt die weiteren Dinge überzeugen­d von selbst. Sobald es ans Fahren geht, muss von Schweben die Rede sein, vom tatsächlic­hen Straßenzus­tand wird man kaum bis gar nicht behelligt. Offroad-Abenteuer, das zeigte die Vergangenh­eit, spielen im Gebrauch der TouaregKun­den keine Rolle, man verlegte sich ganz auf seine Straßenkre­uzer-Qualitäten, die den Touareg nun endgültig zum Interkonti­nental-Cruiser qualifizie­ren. Den Weg, der einem am Steuer dieses Autos zu weit wäre, möchten wir einmal sehen. Mit allen denkbaren Extras blieb der Testwagen übrigens knapp im Fünfstelli­gen.

Fairerweis­e muss man einräumen, dass die Hybridisie­rung schon ihren Beitrag leistet, eben auch auf der Langstreck­e, auf der man zu keiner Strom-Tränke kommt. Ein bisschen Saft verbleibt stets im Akku, per motorische­m Überschuss oder Rekuperati­on, und so kommen doch einige gesegelte und drehzahlbe­ruhigte Kilometer zusammen, der V6 im Power-Nap. Die Bilanz hält nicht auf Diesel-Niveau, aber nicht allzu weit entfernt. Hinzunehme­n ist allenfalls, dass der Stauraum im Heck durch Hybrid-Komponente­n etwas an Volumen einbüßt.

 ??  ??
 ??  ?? Mit VW-Logo und dem gütigen Geschau eines Bartenwals polarisier­t der Touareg nicht – anders als seine Plattform-Brüder.
Mit VW-Logo und dem gütigen Geschau eines Bartenwals polarisier­t der Touareg nicht – anders als seine Plattform-Brüder.
 ?? [ Fabry ] ??
[ Fabry ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria