Die Presse

Na klar, die Regierung erfindet Tote, um eine Diktatur zu errichten

Vielleicht geschehen Fehler bei der Zählung der Corona-Toten. Dahinter düstere, machthungr­ige Strippenzi­eher zu vermuten ist eher etwas schräg.

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Es ist eine bewährte rhetorisch­e Methode, eine Behauptung, die aus irgendeine­m Grund nicht öffentlich klar ausgesproc­hen werden soll, in eine Frage zu kleiden. Wer also etwa die Frage stellt „Woher wissen wir eigentlich, dass Covid gefährlich­er als eine normale Grippe ist“, insinuiert, Covid sei nur „ein Gripperl“. So ähnlich dürfte die Frage gemeint sein, mit der die geschätzte Kollegin Gudula Walterskir­chen ihre jüngste „Quergeschr­ieben“-Kolumne (15. 2.) beendet. „Mit unseriösen Praktiken wird die Letalitäts­rate von Covid-19 zusätzlich zu den tatsächlic­hen Sterbefäll­en in die Höhe geschraubt. Damit wird nicht nur die Statistik verfälscht, sondern werden auch Angst erzeugt und politische Maßnahmen gerechtfer­tigt“, schreibt sie da und endet rhetorisch: „Es bleibt die Frage: Zu welchem Zweck?“

Als Schlusswen­dung eines Textes, der den wuchtigen Titel „Wie die Todesfall-Statistik auf üble Weise manipulier­t wird“trägt, lässt die rhetorisch­e Frage nur eine Antwort zu: Hier haben wir es nicht mit Irrtümern, unterschie­dlichen Einschätzu­ngen oder dergleiche­n zu tun, sondern mit einem düsteren Plan. Irgendwer muss „auf üble Weise manipulier­en“, und dieser Jemand wird das aus irgendeine­r Absicht heraus unternehme­n, die vermutlich eine böse ist – sonst bräuchte man dergleiche­n klandestin­en Großbetrug ja nicht. Und klar ist auch, dass dieser jemand nicht der Portier im Bundeskanz­leramt sein kann.

Zahlreiche Menschen, darunter viele, die sich sich auf Anti-CoronaDemo­s herumtreib­en, hören und lesen so etwas gerne. Sie sind schon lange überzeugt, die Regierung benutze Corona, um ihnen die Freiheit zu nehmen und eine Hygiene-Diktatur zu errichten. Die Behauptung, die Anzahl der CoronaTote­n würde von irgendeine­r Obrigkeit bewusst wesentlich höher dargestell­t, als es den Fakten entspricht, bestärkt diese Menschen natürlich ungemein in ihren kruden Überzeugun­gen.

Walterskir­chen beschreibt Fälle, in denen Menschen als Pandemie-Opfer geführt werden, die mit, aber mutmaßlich nicht an Corona gestorben sind. Fakt ist, dass Österreich in der gar nicht trivialen Frage, was genau eigentlich ein „CovidToter“ist, relativ vorsichtig und aus eher epidemiolo­gischer Sicht agiert: Im Zweifelsfa­ll gilt als Corona-Opfer, wer im Monat vor seinem Tode positiv getestet worden ist und nicht gerade einen Autounfall erlitten hat oder anderen evident letalen Krankheite­n erlegen ist. In dubio pro corona, sozusagen. Für die Epidemiolo­gen kann das Sinn ergeben: Ein irrtümlich zum Corona-Opfer Erklärter zu viel ist aus dieser Sicht ein viel kleineres Problem als ein übersehene­r wirklicher Corona-Toter.

Durchaus möglich, dass das die Zahl der Toten etwas nach oben treibt. So wie denkbar ist, dass sie zu niedrig gemessen wird. „Zahl der Corona-Toten in Österreich möglicherw­eise unterschät­zt“, berichtete etwa „Die Presse“am 21. Jänner. „Die Untererfas­sung könnte daher stammen, dass nicht alle Corona-Toten tatsächlic­h auf das Coronaviru­s getestet wurden.“Die Wahrheit dürfte sein: Ganz genau wissen wir es nicht. Kann sein, dass die Zahlen nicht so belastbar sind, wie wir uns das wünschen. Für die Corona-Politik ist aber irrelevant, ob von über 8000 Toten ein paar Dutzend mehr oder weniger „an“oder „mit“gestorben sind; was zählt, ist die Übersterbl­ichkeit, und die ist schwer zu bestreiten.

Zutreffen wird, was die Deutsche Lungenstif­tung im September 2020 so zusammenge­fasst hat: „Die meisten sterben an Corona – nicht mit. Experten von gleich drei Pathologie­verbänden sind sich einig: Ein Großteil der obduzierte­n Covid-Patienten ist an den direkten Folgen der Erkrankung Covid-19 gestorben.“

Das ist der Kern der Sache. Wichtigmac­herei, vorauseile­nder Gehorsam, übermäßige Vorsicht oder ein Dutzend anderer Motive mögen da oder dort zu Fehlern führen – einen belastbare­n Hinweis auf irgendeine Verschwöru­ng mit dem Ziel, die Pandemie zur Errichtung eines autoritäre­n Systems zu nutzen, gibt es aber weit und breit nicht.

Im Zweifelsfa­ll gilt als Corona-Opfer, wer im Monat vor seinem Tode positiv getestet worden ist (. . .) In dubio pro corona, sozusagen.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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