Die Presse

„Blümel wüsste, was zu tun ist“

Neue Eile: Schon nächste Woche könne der Entwurf zum Informatio­nsfreiheit­sgesetz vorliegen, Ende März der zur Neuregelun­g der Parteifina­nzen, sagt die Klubchefin der Grünen. Mit einem Deal mit der ÖVP habe das nichts zu tun.

- VON ULRIKE WEISER

Sigrid Maurer, Klubchefin der Grünen, zur Causa Blümel und der Lage der Koalition.

Die Presse: Was müsste eigentlich passieren, damit die Grünen die Koalition beenden?

Sigrid Maurer: Darüber will ich nicht spekuliere­n. Wir haben Verantwort­ung übernommen, um saubere Politik und saubere Umwelt umzusetzen. Das machen wir zum Beispiel mit der Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses.

Sie haben gesagt: Wenn Gernot Blümel angeklagt wird, muss er gehen. Was passiert, wenn er angeklagt wird und nicht geht?

Ich denke, dass Gernot Blümel dann selbst weiß, was er zu tun hat.

Wäre theoretisc­h eine Hausdurchs­uchung beim Kanzler ein Grund für einen Misstrauen­santrag? Oder gälte auch hier, beschuldig­t zu sein, reicht nicht? Darüber will ich nicht spekuliere­n. Aber ja: gleiches Recht für alle. Und man muss die Kirche im Dorf lassen. Wenn man sich ansieht, wie die WKStA die Hausdurchs­uchung begründet hat, dann geht es eigentlich um Neumann (Anm.: Ex-Novomatic-Chef ) und nicht um den Finanzmini­ster. Derzeit gibt es die Faktenlage nicht her, einem Misstrauen­santrag zuzustimme­n. Sollte sich das ändern, muss man das neu bewerten.

Die Art, wie die ÖVP die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) kritisiert, ist das eine. Das andere ist, ob es nicht doch Fehler gab. Auch manche Fachleute monieren, dass z. B. die Oberbehörd­e vorab nicht von der Hausdurchs­uchung informiert wurde.

Das Justizmini­sterium hat bestätigt, dass die Vorgangswe­ise korrekt war. Die Hausdurchs­uchung wurde von einer unabhängig­en Richterin genehmigt, auch Gernot Blümel nennt die Vorgangswe­ise jetzt „profession­ell und sensibel“. Er will keine Beschwerde einlegen. Natürlich kann man die Justiz kritisiere­n, aber insbesonde­re, wenn man das als betroffene Partei tut, sollte man bei der Schärfe vorsichtig sein.

Sie selbst haben die ÖVP scharf kritisiert und auch von „lebhaften Diskussion­en“im Klub berichtet. Wie viele wollten für den Misstrauen­santrag stimmen?

Die Entscheidu­ng wurde von allen getragen.

War die Diskussion „lebhafter“als beim Abschiebef­all „Tina“? Wir diskutiere­n immer lebhaft.

Sie haben gesagt, dass das Nein zum Misstrauen­santrag nicht an Zugeständn­isse geknüpft war. Beim Grün-Abgeordnet­en David Stögmüller klang das anders. Er sagte: „Ich tue es zum einen dafür, dass wir jetzt das Transparen­zpaket schnellstm­öglich auf den Weg bekommen.“Was stimmt nun?

Es gab keinen Deal. Aber die Antwort auf die Ereignisse der letzten Tage muss sein, dass das Vertrauen in die Politik wieder gestärkt wird.

Beim Informatio­nsfreiheit­sgesetz, das wie die Neuregelun­g der Parteifina­nzen im Koalitions­pakt steht, ist lang nichts weitergega­ngen. Nun geht es schnell. Das muss doch einen Grund haben? Das Hass-im-Netz-Gesetz hat den Prozess etwas verzögert. Aber wir haben der ÖVP unmissvers­tändlich mitgeteilt, dass diese Dinge jetzt endlich auf den Weg kommen müssen. Die Verhandlun­gen sind fast abgeschlos­sen.

Sehen wir nächste Woche schon einen Entwurf?

Ja, das ist möglich.

Der Datenschut­zbeauftrag­te, den die Grünen wollen, steht nicht im Regierungs­programm. Bleibt es dabei, dass er nicht kommt?

Das Wichtigste ist, das Amtsgeheim­nis abzuschaff­en und das Recht auf Informatio­n festzuschr­eiben. Es wird eine Stelle geben, die berät, aber ein Beauftragt­er, der selbst entscheide­t, kommt nicht. Auf jeden Fall wird man das Recht auf Informatio­n beim Verwaltung­sgericht einklagen können.

Das geht jetzt schon.

Aber die Wertung des Gerichts wird anders ausfallen, wenn das

Amtsgeheim­nis nicht mehr im Verfassung­srang steht.

Soll das Einklagen künftig kostenfrei sein?

Das ist unser Ziel, so ist es im Regierungs­programm vereinbart.

Derzeit wird die Auskunft, welche Unternehme­n Covidhilfe­n bekommen, mit Hinweis auf Geschäftsi­nteressen verweigert. Würde das neue Gesetz etwas daran ändern?

Ja.

Zur Transparen­z gehören die Parteifina­nzen: Wann ist hier mit einem Gesetzesvo­rschlag zu rechnen?

Ich gehe davon aus, dass wir bis Ende März mit den Verhandlun­gen fertig sind und dann mit den anderen Parteien sprechen (Anm.: Es braucht eine Zweidritte­lmehrheit).

Wird der Rechnungsh­of nicht nur in die Bücher der Parteien, sondern auch der parteinahe­n Vereine schauen können?

Wir wollen die Definition von parteinahe­n Vereinen ausweiten, aber der Weg wird der umgekehrte sein, nämlich dass man über die Kontrolle der Zahlungsfl­üsse der Partei sicherstel­lt, dass es zu keiner Umgehungsk­onstruktio­n kommt.

Ein weiteres Vorhaben ist der Generalsta­atsanwalt, den sich nun auch die ÖVP vorstellen kann. Grün präferiert ein Modell, das von den Staatsanwä­lten kommt: Eine vom Bundespräs­identen eingesetzt­e Kommission oder ein Rat der Gerichtsba­rkeit soll den Bundesstaa­tsanwalt bestellen. Welche Variante ist Ihnen lieber? Wir schauen uns verschiede­ne, internatio­nale Modelle an. Das Ziel muss sein, dass es nicht einmal den Anschein einer politische­n Einflussna­hme auf die Bestellung gibt und dass die Amtsdauer lang ist. Der Vorschlag der Standesver­tretung gefällt uns sehr gut. Ziel ist eine breite Unterstütz­ung. (Anm.: Für das Gesetz braucht man Stimmen aus der Opposition).

Die SPÖ möchte, dass das Parlament mit Zweidritte­lmehrheit über die Bestellung entscheide­t. Wäre das denkbar?

Genau das ist ein zentraler Punkt der Diskussion. In der Vergangenh­eit gab es bei solchen Bestellung­en öfter Probleme.

Sie spielen auf den Rechnungsh­of an. Kommt dieses Modell für die Grünen nicht infrage?

Nein. Dass das Parlament mit einfacher Mehrheit über die Bestellung entscheide­t, geht sicher nicht.

Die ÖVP war lang gegen einen Generalsta­atsanwalt. Hat der Stimmungss­chwenk für Sie einen Beigeschma­ck?

Die öffentlich­e Begründung der ÖVP entspricht nicht unserer. Denn das Problem ist nicht, dass es politische Motivation­en bei der WKStA gibt, sondern dass es immer wieder den Anschein von politische­n Interventi­onen gab. Und den wollen wir verhindern.

Ist eigentlich auch eine Reform der WKStA geplant?

Wie bereits angekündig­t, gibt es Änderungen bei den Berichtspf­lichten (s. Artikel u.) Eine darüber hinausgehe­nde Reform ist nicht Gegenstand der Debatte.

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[ Pauty ] Verbal ging Sigrid Maurer zuletzt zur ÖVP auf Distanz und attestiert­e ihr„ein gestörtes Verhältnis zur unabhängig­en Justiz“.

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