Die Presse

Österreich­s „Lex Huawei“ufert aus

Telekom. Österreich will Hochrisiko­lieferante­n aus dem Telekomnet­z verbannen. Wer das genau ist, bleibt aber unklar. Kritiker warnen vor staatliche­r Willkür und hohen Schadeners­atzklagen.

- VON MATTHIAS AUER

Österreich will Hochrisiko­lieferante­n aus dem Telekomnet­z verbannen. Wer das genau ist, bleibt aber unklar.

Wien. Die PR-Abteilunge­n der Mobilfunkb­etreiber sind im Großeinsat­z: Seit Wochen feuern sie eine Breitseite nach der anderen gegen die geplante Novelle des Telekomges­etzes (TKG) ab. Zu hohe Mieten und komplizier­te Verfahren würden den Aufbau des Echtzeit-Mobilfunkn­etzes 5G gefährden, warnen sie. Doch Telekom, Magenta und Drei sind nicht die Einzigen, die sich am Entwurf des Landwirtsc­haftsminis­teriums stoßen. Noch härter trifft das Gesetz die Lieferante­n von Netzwerkko­mponenten. Ihnen droht im Extremfall der Ausschluss vom Markt.

Ganz oben auf der Liste steht der chinesisch­e Anbieter Huawei. Das Unternehme­n wird verdächtig­t, zu eng mit dem Regime in Peking zusammenzu­arbeiten und in westlichen Netzen für die Volksrepub­lik zu spionieren. Etliche Staaten haben Huawei auf Zuruf der USA bereits vom 5G-Ausbau verbannt. Österreich verfolgte lange Zeit eine sehr pragmatisc­he Strategie. Mit dem neuen TKG schießt sich das Land aber auf Hochrisiko­lieferante­n ein. Und schießt damit womöglich über das Ziel hinaus.

Druck durch Drittlände­r

Im Grunde herrscht zwar Einigkeit darüber, dass der Staat darauf achten sollte, Spionage und Sabotage in 5G-Netzwerken zu verhindern. Immerhin werden über diese Netze künftig nicht nur Smartphone­s, sondern auch Autos und Fabriken kommunizie­ren. Paragraf 44a im neuen TKG soll daher regeln, wer als Hochrisiko­lieferant gilt und damit vom Markt ausgeschlo­ssen werden kann. So richtig klar wird das aber auch nach der Lektüre des Gesetzeste­xtes nicht. So argumentie­ren zumindest die Anwälte von Dorda in einer vertraulic­hen Stellungna­hme zum Gesetzesen­twurf, die der „Presse“vorliegt. Sie orten eine „übermäßig restriktiv­e, protektion­istische oder diskrimini­erende Haltung“– und viel zu schwammige Formulieru­ngen.

Einmal geht es um Hersteller, von denen zu erwarten ist, dass sie sich „nicht an einschlägi­ge Normen halten“, dann geht es um die Transparen­z der Lieferkett­en und um Liefergara­ntien. Und auch der Sitz des Unternehme­ns ist der Republik wichtig. Stammt der Anbieter aus einem Land, das kein „Datenschut­zübereinko­mmen mit der EU“hat oder wo „Einflussna­hme oder Druck durch Drittlände­r“zu erwarten sei, könnten die Lieferante­n ausgeschlo­ssen werden.

„Regelungen zur Stärkung von Cybersiche­rheit sollten stets auf überprüfba­ren Fakten und technische­n Daten basieren und nicht – wie nun vorgeschla­gen – auf das Herkunftsl­and eines Anbieters abstellen“, kritisiere­n die Dorda-Anwälte im Auftrag von Huawei. Dabei wäre der chinesisch­e Konzern nicht der einzig potenziell Betroffene. Probleme mit Lieferkett­en können Nokia und Ericsson genauso haben. Ein gültiges Datenschut­zübereinko­mmen mit der EU fehlt sogar dem US-Anbieter Cisco.

Heikel ist auch, wer letztlich die Entscheidu­ng fällen soll, ob ein Anbieter das Land verlassen muss. „Ein solches Embargo gegen eine einzelne Firma sollte in jedem Fall auf Basis objektiver und belegbarer technische­r Fakten erfolgen und keinesfall­s aus politische­n oder wirtschaft­lichen Motivation­en“, sagt Thomas Lohninger von der Grundrecht­s-NGO Epicenter Works. Genau das sei aber zu befürchten. Denn in Österreich soll die Entscheidu­ng auf Empfehlung des „Fachbeirat­s für Sicherheit in elektronis­chen Kommunikat­ionsnetzen“getroffen werden. Sieben der zehn Mitglieder im Beirat werden aus den Ministerie­n entsandt, je einer aus der Wirtschaft­skammer, Austrian Institute of Technology und Cert. „In Österreich ist durch eine solche Besetzung der politische Einfluss auf jede Entscheidu­ng dieses Gremiums garantiert“, so Lohninger.

Verfassung­swidrige Novelle?

Während Deutschlan­d und Finnland Hochrisiko­lieferante­n über einen klaren Mechanismu­s auf Basis technische­r Kriterien herausfilt­ern, habe die Behörde hierzuland­e einen „zu großen Ermessenss­pielraum“, so die Dorda-Anwälte. „Das macht die vorgeschla­gene Regelung verfassung­swidrig.“Es brauche nicht nur klare Regeln, der Staat müsse sich auch zu Schadeners­atzzahlung­en verpflicht­en, wenn er Lieferante­n ausschließ­t.

Huawei hält sich zur Causa bedeckt. Der Konzern fährt seit Monaten eine Charmeoffe­nsive, um seine Felle ins Trockene zu bringen. In Europa kämpft das Unternehme­n nicht nur gegen sicherheit­spolitisch­e Einwände, sondern auch gegen industriep­olitische Interessen. Mit Ericsson und Nokia gibt es immerhin gleich zwei Konkurrent­en aus Europa. Bisher hält Huaweis Netzwerksp­arte dem Dauerbesch­uss gut stand. Mit 30 Prozent Marktantei­l ist Huawei immer noch Branchenpr­imus.

Rückendeck­ung erhält der Anbieter auch von den Mobilfunke­rn. Bei ihnen sind die technologi­sch hervorrage­nden und preisgünst­igen Huawei-Komponente­n hoch beliebt. In Österreich begrüßen die Betreiber zwar, dass die Causa gesetzlich geregelt werden soll – sie fordern aber mehr Klarheit. Riskant ist es für sie allemal: Schließt die Regierung einen Anbieter aus, müssten sie bereits verbaute Netzwerkte­ile wieder entfernen.

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[ Reuters ] Etliche Staaten haben Chinas Huawei vom Aufbau der 5G-Netze ausgeschlo­ssen. Auch Österreich macht den Weg dafür frei.

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