Österreichs „Lex Huawei“ufert aus
Telekom. Österreich will Hochrisikolieferanten aus dem Telekomnetz verbannen. Wer das genau ist, bleibt aber unklar. Kritiker warnen vor staatlicher Willkür und hohen Schadenersatzklagen.
Österreich will Hochrisikolieferanten aus dem Telekomnetz verbannen. Wer das genau ist, bleibt aber unklar.
Wien. Die PR-Abteilungen der Mobilfunkbetreiber sind im Großeinsatz: Seit Wochen feuern sie eine Breitseite nach der anderen gegen die geplante Novelle des Telekomgesetzes (TKG) ab. Zu hohe Mieten und komplizierte Verfahren würden den Aufbau des Echtzeit-Mobilfunknetzes 5G gefährden, warnen sie. Doch Telekom, Magenta und Drei sind nicht die Einzigen, die sich am Entwurf des Landwirtschaftsministeriums stoßen. Noch härter trifft das Gesetz die Lieferanten von Netzwerkkomponenten. Ihnen droht im Extremfall der Ausschluss vom Markt.
Ganz oben auf der Liste steht der chinesische Anbieter Huawei. Das Unternehmen wird verdächtigt, zu eng mit dem Regime in Peking zusammenzuarbeiten und in westlichen Netzen für die Volksrepublik zu spionieren. Etliche Staaten haben Huawei auf Zuruf der USA bereits vom 5G-Ausbau verbannt. Österreich verfolgte lange Zeit eine sehr pragmatische Strategie. Mit dem neuen TKG schießt sich das Land aber auf Hochrisikolieferanten ein. Und schießt damit womöglich über das Ziel hinaus.
Druck durch Drittländer
Im Grunde herrscht zwar Einigkeit darüber, dass der Staat darauf achten sollte, Spionage und Sabotage in 5G-Netzwerken zu verhindern. Immerhin werden über diese Netze künftig nicht nur Smartphones, sondern auch Autos und Fabriken kommunizieren. Paragraf 44a im neuen TKG soll daher regeln, wer als Hochrisikolieferant gilt und damit vom Markt ausgeschlossen werden kann. So richtig klar wird das aber auch nach der Lektüre des Gesetzestextes nicht. So argumentieren zumindest die Anwälte von Dorda in einer vertraulichen Stellungnahme zum Gesetzesentwurf, die der „Presse“vorliegt. Sie orten eine „übermäßig restriktive, protektionistische oder diskriminierende Haltung“– und viel zu schwammige Formulierungen.
Einmal geht es um Hersteller, von denen zu erwarten ist, dass sie sich „nicht an einschlägige Normen halten“, dann geht es um die Transparenz der Lieferketten und um Liefergarantien. Und auch der Sitz des Unternehmens ist der Republik wichtig. Stammt der Anbieter aus einem Land, das kein „Datenschutzübereinkommen mit der EU“hat oder wo „Einflussnahme oder Druck durch Drittländer“zu erwarten sei, könnten die Lieferanten ausgeschlossen werden.
„Regelungen zur Stärkung von Cybersicherheit sollten stets auf überprüfbaren Fakten und technischen Daten basieren und nicht – wie nun vorgeschlagen – auf das Herkunftsland eines Anbieters abstellen“, kritisieren die Dorda-Anwälte im Auftrag von Huawei. Dabei wäre der chinesische Konzern nicht der einzig potenziell Betroffene. Probleme mit Lieferketten können Nokia und Ericsson genauso haben. Ein gültiges Datenschutzübereinkommen mit der EU fehlt sogar dem US-Anbieter Cisco.
Heikel ist auch, wer letztlich die Entscheidung fällen soll, ob ein Anbieter das Land verlassen muss. „Ein solches Embargo gegen eine einzelne Firma sollte in jedem Fall auf Basis objektiver und belegbarer technischer Fakten erfolgen und keinesfalls aus politischen oder wirtschaftlichen Motivationen“, sagt Thomas Lohninger von der Grundrechts-NGO Epicenter Works. Genau das sei aber zu befürchten. Denn in Österreich soll die Entscheidung auf Empfehlung des „Fachbeirats für Sicherheit in elektronischen Kommunikationsnetzen“getroffen werden. Sieben der zehn Mitglieder im Beirat werden aus den Ministerien entsandt, je einer aus der Wirtschaftskammer, Austrian Institute of Technology und Cert. „In Österreich ist durch eine solche Besetzung der politische Einfluss auf jede Entscheidung dieses Gremiums garantiert“, so Lohninger.
Verfassungswidrige Novelle?
Während Deutschland und Finnland Hochrisikolieferanten über einen klaren Mechanismus auf Basis technischer Kriterien herausfiltern, habe die Behörde hierzulande einen „zu großen Ermessensspielraum“, so die Dorda-Anwälte. „Das macht die vorgeschlagene Regelung verfassungswidrig.“Es brauche nicht nur klare Regeln, der Staat müsse sich auch zu Schadenersatzzahlungen verpflichten, wenn er Lieferanten ausschließt.
Huawei hält sich zur Causa bedeckt. Der Konzern fährt seit Monaten eine Charmeoffensive, um seine Felle ins Trockene zu bringen. In Europa kämpft das Unternehmen nicht nur gegen sicherheitspolitische Einwände, sondern auch gegen industriepolitische Interessen. Mit Ericsson und Nokia gibt es immerhin gleich zwei Konkurrenten aus Europa. Bisher hält Huaweis Netzwerksparte dem Dauerbeschuss gut stand. Mit 30 Prozent Marktanteil ist Huawei immer noch Branchenprimus.
Rückendeckung erhält der Anbieter auch von den Mobilfunkern. Bei ihnen sind die technologisch hervorragenden und preisgünstigen Huawei-Komponenten hoch beliebt. In Österreich begrüßen die Betreiber zwar, dass die Causa gesetzlich geregelt werden soll – sie fordern aber mehr Klarheit. Riskant ist es für sie allemal: Schließt die Regierung einen Anbieter aus, müssten sie bereits verbaute Netzwerkteile wieder entfernen.