Die Presse

Der belgische Familienbe­ruf Politiker

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

Vorigen Freitag starb, mit 79 Jahren, Le´opold Lippens, der Bürgermeis­ter des belgischen Badeorts Knokke. Fast 42 Jahre lang war er das gewesen, und auch schon seit Vater hatte die Stadt 20 Jahre lang als Bürgermeis­ter geführt. Knokke müsste eigentlich „Lippenssta­d“heißen, denn bereits Ende des 18. Jahrhunder­ts war es ein Lippens (Philippe-Franc¸ois), der mit der Verwaltung des Marschland­es beauftragt wurde. Das lukrativst­e so entstehend­e Bauland sicherte sich der Ur-Lippens selbst, daraus wurde die Compagnie du Zoute, die seit 1908 diesen sich für mondän haltenden, de facto aber gräulich verbauten Badeort „entwickelt“.

Der Fall Lippens illustrier­t ein Phänomen, das speziell belgisch ist: jenes der Politikerd­ynastien. Die gibt es beiderseit­s der Sprachgren­ze: Premiermin­ister Alexander De Croo ist Sohn eines mehrfachen Ministers und belgischen Parlaments­präsidente­n. Der Staatssekr­etär für Digitalisi­erung, Mathieu Michel, ist Sohn des in Österreich seit den Sanktionen des Jahres 2000 besonders populären früheren Außenminis­ters Louis, und Bruder des vormaligen Ministerpr­äsidenten und heutigen Präsidente­n des Europäisch­en Rats, Charles. Präsident des Europäisch­en Rats war auch schon ein anderer Belgier, Herman Van Rompuy. Der hat einen Bruder Eric, der jahrzehnte­lang ein Schwergewi­cht der flämischen Christdemo­kratie war, aber auch eine kommunisti­sche Schwester namens Tine, die bei der marxistisc­hen PVDA ist. Und so weiter, und so fort.

Wieso ist Politik in Belgien ein Familienbe­ruf? Ein Grund liegt in der überdimens­ionierten Bedeutung der Parteien. „Partikrati­e“nennt sich das. Bis hin zu den Krankenver­sicherunge­n kontrollie­ren sie viele Lebensaspe­kte und lukrative Posten, und damit viele Möglichkei­ten, in das System einzusteig­en. Gut ist das für Belgien nicht, und der Fall Lippens veranschau­licht das: Als Bürgermeis­ter war er für Flächenwid­mungen zuständig, von denen die Compagnie du Zoute profitiert­e – die wiederum er jahrzehnte­lang führte.

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