Die Presse

Kommt jetzt die Inflation zurück?

Die Finanzmärk­te rechnen mit einer steigenden Teuerungsr­ate. Die Rohstoffpr­eise ziehen an, und auch bei den Renditen für Anleihen sieht man Mehrmonats­hochs.

- VON NICOLE STERN

Wien. In Europa sieht man sie noch nicht, in den USA nur bis zu einem gewissen Grad: die Inflation. Dennoch wächst an den Finanzmärk­ten die Sorge, dass es zu anziehende­n Teuerungsr­aten infolge einer Konjunktur­erholung kommt. Quer über den Globus spiegelt sich diese Angst in steigenden Rohstoffpr­eisen und höheren Anleihenre­nditen wider.

Zehnjährig­e Staatsanle­ihen aus den USA notieren nun beinahe täglich auf einem neuen Jahreshoch. Und auch deutsche Schuldvers­chreibunge­n mit gleicher Laufzeit kletterten am Montag auf ein Niveau (minus 0,3 Prozent), das man seit acht Monaten nicht mehr gesehen hat. Zudem vergrößert­e sich der Renditeabs­tand zwischen Anleihen mit kurzer und jenen mit langer Laufzeit, in den USA wie in Deutschlan­d. Papiere, die erst in zehn, 20 oder 30 Jahren abreifen, also zurückgeza­hlt werden müssen, sind weitaus sensitiver, was anziehende Teuerungsr­aten betrifft (weil die Inflation die Erträge frisst). In den USA preist der Markt gerade eine Inflations­rate für die kommenden zehn Jahre von rund 2,2 Prozent ein. Im Jänner lag die offizielle Teuerungsr­ate noch bei 1,4 Prozent. Ausgelöst wurde diese sogenannte Reflations­angst an den Kapitalmär­kten von den Vereinigte­n Staaten unter ihrem neuen Präsidente­n, Joe Biden. Dieser will ein 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunktur­paket auf den Weg bringen. Das soll die Wirtschaft ankurbeln, was in der Theorie zu einer höheren Inflation und früher oder später auch zu einer restriktiv­eren Geldpoliti­k führen könnte.

Die US-Notenbank würde dann unter Umständen ihr massives Anleihekau­fprogramm zurückfahr­en und die Zinsen erhöhen. Das wiederum macht niedrig verzinste Anleihen unattrakti­v, weshalb man sie lieber aus den Depots wirft. Die US-Notenbank Fed hat allerdings immer wieder betont, dass sie die Zinsen vorerst bis zum Jahr 2023 bei null Prozent belassen will. Derzeit kauft die Fed Wertpapier­e im Umfang von 120 Mrd. Dollar monatlich. Spekulatio­nen über ein Tapering, also ein Zurückfahr­en der Käufe, bezeichnet­e FedChef Jerome Powell jüngst als „verfrüht“. Am Dienstag wird sich der oberste Zentralban­ker im Rahmen des halbjährli­chen Berichts zur Geldpoliti­k vor dem US-Bankenauss­chuss äußern. Bevor die Fed nicht deutlich bessere Bedingunge­n auf dem Jobmarkt sieht, wird sie sich aber hüten, die Zügel straffer zu ziehen. In Sachen Inflation hat sich die Notenbank vergangene­n Sommer zudem mehr Spielraum verordnet. Sie lässt nun ein temporäres Überschieß­en der Teuerungsr­ate zu – wenngleich sie sich weder auf ein Ausmaß noch auf einen Zeitraum festgelegt hat. Außerdem bedeuten steigende Zinsen auch höhere Refinanzie­rungskoste­n, was für manche Firmen angesichts dieser Krise zur Unzeit käme. Zwar könne die Fed Probleme in naher Zukunft abmildern, doch bestünden „beträchtli­che Risken“für Firmenplei­ten, mahnte sie.

Keine Sorgen bei EZB

Selbst wenn man also, wie die USInvestme­ntbank Goldman Sachs, optimistis­ch ist und das Wirtschaft­swachstum der Vereinigte­n Staaten für 2021 bei fast sieben Prozent sieht und auch so manche US-Konjunktur­daten Hoffnung verbreiten, ist diese Krise noch nicht zu Ende. Die neue Finanzmini­sterin, Janet Yellen, gibt sich jedenfalls noch vorsichtig und betont, dass sich das Land derzeit aus einem „tiefen Loch“grabe.

Bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) sorgt man sich derzeit nicht wegen einer Rückkehr der Inflation. Es werde „geraume Zeit dauern, bis sich die EZB um eine Reinflatio­n Sorgen machen muss“.

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[ APA/AFP/Pool/Al Drago ] Fed-Chef Jerome Powell tritt am Dienstag vor den US-Senat.

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