Kommt jetzt die Inflation zurück?
Die Finanzmärkte rechnen mit einer steigenden Teuerungsrate. Die Rohstoffpreise ziehen an, und auch bei den Renditen für Anleihen sieht man Mehrmonatshochs.
Wien. In Europa sieht man sie noch nicht, in den USA nur bis zu einem gewissen Grad: die Inflation. Dennoch wächst an den Finanzmärkten die Sorge, dass es zu anziehenden Teuerungsraten infolge einer Konjunkturerholung kommt. Quer über den Globus spiegelt sich diese Angst in steigenden Rohstoffpreisen und höheren Anleihenrenditen wider.
Zehnjährige Staatsanleihen aus den USA notieren nun beinahe täglich auf einem neuen Jahreshoch. Und auch deutsche Schuldverschreibungen mit gleicher Laufzeit kletterten am Montag auf ein Niveau (minus 0,3 Prozent), das man seit acht Monaten nicht mehr gesehen hat. Zudem vergrößerte sich der Renditeabstand zwischen Anleihen mit kurzer und jenen mit langer Laufzeit, in den USA wie in Deutschland. Papiere, die erst in zehn, 20 oder 30 Jahren abreifen, also zurückgezahlt werden müssen, sind weitaus sensitiver, was anziehende Teuerungsraten betrifft (weil die Inflation die Erträge frisst). In den USA preist der Markt gerade eine Inflationsrate für die kommenden zehn Jahre von rund 2,2 Prozent ein. Im Jänner lag die offizielle Teuerungsrate noch bei 1,4 Prozent. Ausgelöst wurde diese sogenannte Reflationsangst an den Kapitalmärkten von den Vereinigten Staaten unter ihrem neuen Präsidenten, Joe Biden. Dieser will ein 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket auf den Weg bringen. Das soll die Wirtschaft ankurbeln, was in der Theorie zu einer höheren Inflation und früher oder später auch zu einer restriktiveren Geldpolitik führen könnte.
Die US-Notenbank würde dann unter Umständen ihr massives Anleihekaufprogramm zurückfahren und die Zinsen erhöhen. Das wiederum macht niedrig verzinste Anleihen unattraktiv, weshalb man sie lieber aus den Depots wirft. Die US-Notenbank Fed hat allerdings immer wieder betont, dass sie die Zinsen vorerst bis zum Jahr 2023 bei null Prozent belassen will. Derzeit kauft die Fed Wertpapiere im Umfang von 120 Mrd. Dollar monatlich. Spekulationen über ein Tapering, also ein Zurückfahren der Käufe, bezeichnete FedChef Jerome Powell jüngst als „verfrüht“. Am Dienstag wird sich der oberste Zentralbanker im Rahmen des halbjährlichen Berichts zur Geldpolitik vor dem US-Bankenausschuss äußern. Bevor die Fed nicht deutlich bessere Bedingungen auf dem Jobmarkt sieht, wird sie sich aber hüten, die Zügel straffer zu ziehen. In Sachen Inflation hat sich die Notenbank vergangenen Sommer zudem mehr Spielraum verordnet. Sie lässt nun ein temporäres Überschießen der Teuerungsrate zu – wenngleich sie sich weder auf ein Ausmaß noch auf einen Zeitraum festgelegt hat. Außerdem bedeuten steigende Zinsen auch höhere Refinanzierungskosten, was für manche Firmen angesichts dieser Krise zur Unzeit käme. Zwar könne die Fed Probleme in naher Zukunft abmildern, doch bestünden „beträchtliche Risken“für Firmenpleiten, mahnte sie.
Keine Sorgen bei EZB
Selbst wenn man also, wie die USInvestmentbank Goldman Sachs, optimistisch ist und das Wirtschaftswachstum der Vereinigten Staaten für 2021 bei fast sieben Prozent sieht und auch so manche US-Konjunkturdaten Hoffnung verbreiten, ist diese Krise noch nicht zu Ende. Die neue Finanzministerin, Janet Yellen, gibt sich jedenfalls noch vorsichtig und betont, dass sich das Land derzeit aus einem „tiefen Loch“grabe.
Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgt man sich derzeit nicht wegen einer Rückkehr der Inflation. Es werde „geraume Zeit dauern, bis sich die EZB um eine Reinflation Sorgen machen muss“.