Deutschland schöpft wieder Mut
Endlich wieder gute Nachrichten: Die deutsche Wirtschaft ist Ende 2020 gewachsen. Und das Budgetdefizit ist auch geringer.
Die deutsche Wirtschaft ist im vierten Quartal des Vorjahres überraschend gewachsen.
Zu den Eigenheiten einer Krise zählt, dass eigentlich schlechte Nachrichten zu guten werden können. So geschehen am Mittwoch in Deutschland. Das Statistische Bundesamt im hessischen Wiesbaden meldete an diesem Tag ein deutsches Defizit von 139,6 Milliarden Euro im ersten Coronajahr. In seuchenfreien Zeiten wäre das Grund zur Panik, aber zurzeit verbreiten solche Zahlen eher Hoffnung. Denn es hätte schlimmer kommen können. Die Statistiker hatten noch vor wenigen Wochen mit einem Minus von 158,2 Milliarden Euro gerechnet.
Dass das ohnedies gigantische Loch in der Staatskasse nicht noch größer ausfiel, liegt an einer Überraschung zum Jahresende. Die deutsche Wirtschaft ist im vierten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent gewachsen und nicht um 0,1 Prozent, wie zuletzt geschätzt wurde. Die zarte Erholung im finalen Quartal 2020 führte auch dazu, dass die deutsche Wirtschaft nur um 4,9 und nicht um 5 Prozent schrumpfte.
Das kleine Plus zum Jahresende überrascht auf den ersten
Blick, weil Deutschland den Großteil des vierten Quartals in einem zunächst sanften und dann ab Mitte Dezember harten Lockdown verbracht hatte. Wieso wuchs die Wirtschaft trotzdem?
Industrie als Wachstumstreiber
Die Antwort führt auch in die Fabriken. „Anders als während der ersten Coronawelle profitiert das deutsche verarbeitende Gewerbe von einer intakten globalen Industriekonjunktur und einer damit einhergehenden kräftigen Nachfrage nach deutschen Industriegütern“, erklärt Timo Wollmershäuser, führender Konjunkturexperte des Münchner Ifo-Instituts, gegenüber der „Presse“. „Dadurch konnten die kräftigen Rückgänge der Wertschöpfung in den Wirtschaftszweigen, in denen soziale Kontakte ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells sind, mehr als ausgeglichen werden.“Weiters halfen rege Bautätigkeit und üppige
Staatshilfen. Letztere hatten ihren Preis. Die Statistiker weisen für 2020 ein staatliches Defizit von 4,2 Prozent aus. Aber auch das läuft eher unter „guter Nachricht“, weil 2020 die meiste Zeit ein deutlich höheres Defizit erwartet worden war und Deutschland damit vergleichsweise gut durch das Krisenjahr eins gekommen ist. Für Österreich wurde zum Beispiel zwischenzeitlich ein Defizit von rund 10 Prozent prognostiziert.
Natürlich, die tiefroten Zahlen sind eine Zäsur in der Ära Angela Merkels. Seit 2011 wurde ausgeglichen bilanziert. Dass die Mitarbeiter von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu dessen Abschied im Herbst 2017 eine bildlich festgehaltene schwarze Null formten, erzählt schon die halbe Geschichte. Seit der Wiedervereinigung 1990 war das Defizit überhaupt nur ein einziges Mal höher als 2020, und zwar nicht während der Finanzkrise, sondern schon im Jahr 1995. Damals wurden die Schulden der „Treuhandanstalt“übernommen, die mit der Abwicklung der maroden DDR-Wirtschaft betraut war.
Folgen des harten Lockdowns
2021 soll Europas Riese weiter an Wirtschaftskraft zulegen. Prognostiziert werden drei Prozent. In vielen Chefetagen hellt sich in diesen Tagen die Stimmung auf, wie zuletzt nicht nur der Ifo-Geschäftsklimaindex anzeigte. Wobei Gegenwart und unmittelbare Zukunft weniger rosig aussehen. Im ersten Quartal 2021 könnte die Wirtschaft um 1,5 Prozent schrumpfen. Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING–Bank, warnt, dass auf die Wachstumstreiber des vierten Quartals 2020 kein Verlass sei. Diese könnten sich eher als Bremsklötze erweisen. Als Beispiel nennt er auch eine schwächelnde Auslandsnachfrage, jedenfalls aus der Eurozone. Hinzu kommt ein teils bitterkalter Februar, ein schleppender Impfstart und der harte Lockdown.
Der Einzelhandel bleib großteils bis mindestens 7. März zu. Die Gastronomie sowieso. Die Kanzlerin wähnt das Land in einer „dritten Welle“und will deshalb nur vorsichtig Öffnungsschritte setzen.