Deutsches Gericht zieht Assads Schergen zur Rechenschaft
Menschenrechte. In Koblenz erhielt ein Exmitglied von Syriens Sicherheitsapparat viereinhalb Jahre Haft. Auch in Österreich wird eine Anklage gegen einen Geheimdienstgeneral geprüft.
Wien/Koblenz. Es sind schreckliche Schilderungen, die die Zeugen vor dem Oberlandesgericht im deutschen Koblenz gemacht haben. Sie sei geschlagen, belästigt und als „Prostituierte“bezeichnet worden, sagte etwa Rowaida K. aus. In den Gefängnissen habe sie die Schreie der Folteropfer gehört. Die Journalistin war in Syrien in die Fänge des Regimes geraten. Mehrmals wurde sie eingesperrt. Mittlerweile lebt sie in Frankreich. Vor dort war sie für ihre Aussage über Video zugeschaltet worden.
Rowaida K. ist Nebenklägerin im Prozess gegen Anwar R. und Eyad A. Den beiden wird vorgeworfen, als Angehörige des syrischen Sicherheitsapparates schwere Verbrechen begangen zu habe. Gegen Eyad A. hat das Gericht in Koblenz am Mittwoch ein Urteil gefällt. Der 44-Jährige erhielt viereinhalb Jahre Haft – wegen der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Folter und Freiheitsberaubung. Konkret geht es um die Verschleppung von 30 Personen in das syrische Foltergefängnis al-Khatib im Herbst 2011. Eyad A. habe beim Transport dieser Festgenommen in die Haftanstalt in der Hauptstadt Damaskus mitgewirkt – und zwar im Wissen, dass sie dort systematisch misshandelt werden, argumentiert das Gericht. Das Vorgehen sei Teil „eines ausgedehnten und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung“gewesen.
Massenverhaftungen in Damaskus
Damals gingen in vielen Städten Syriens Menschen gegen Machthaber Bashar alAssad auf die Straße. Das Regime schickte das Militär in Oppositionshochburgen wie Hama. In Damaskus wurden massenhaft tatsächliche – oder auch nur vermeintliche Gegner – Assads verhaftet. Viele von ihnen verschwanden im Gefängnis al-Khatib
– so wie auch die 30 Opfer von Eyad A.
Das Urteil gegen ihn ist das erste gegen ein Mitglied des syrischen Staatsapparats wegen Verbrechen bei der Niederschlagung des Aufstands gegen Assad. Dass vor einem Gericht in Deutschland verhandelt wurde, geht auf das sogenannte Weltrechtsprinzip zurück. Demnach können Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch dann gerichtlich verfolgt werden, wenn sie in einem anderen Land begangen worden und auch keine eigenen Staatsbürger davon betroffen sind.
Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) begrüßte das
Urteil gegen Eyad A. Die Menschenrechtsorganisation unterstützt syrische Opfer im Verfahren in Koblenz. Sie hat nicht nur in Deutschland Klagen wegen Folter in Syrien eingebracht, sondern auch in Schweden, Norwegen – und in Österreich. In Österreich wird geprüft, ob gegen den Geheimdienstgeneral Khaled H. aus der Stadt Raqqa wegen Folter Anklage erhoben werden soll. Khaled H. hat in Österreich Asyl erhalten. Er hielt sich ursprünglich in Frankreich auf, setzte sich von dort 2015 aber nach Österreich ab. Hier soll er Unterstützung von BVT-Beamten erhalten haben.
Prozess geht bis Herbst weiter
Der nun in Koblenz verurteilte Eyad A. war ebenso wie der Hauptangeklagte, Anwar R., nach Deutschland geflohen. Beide waren dort von früheren Opfern erkannt worden. Anwar R. soll in Syriens Repressionsapparat eine deutlich wichtigere Position innegehabt haben. Als Leiter einer Ermittlungseinheit der Sicherheitskräfte soll er 2011 und 2012 laut Staatsanwaltschaft unter anderem Verbrechen wie Mord, Folter und Vergewaltigung begangen haben. Der Prozess gegen Anwar R. wird wohl bis Herbst weitergehen.